Martina Rosenberg - Mutter, wann stirbst du endlich. Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird

  • Darf man sich wünschen, dass ein anderer Mensch sterben möge? Darf man hoffen, ja darum beten, dass ein kranker und unheilbarer Familienangehöriger endlich von seinem Leid erlöst wird, und damit auch eine Erlösung für die Angehörigen einleitet?


    Schwierige Fragen sind das, die so lange theoretisch bleiben, wie man nicht in seiner eigenen Familie damit konfrontiert wird. Die Autorin des vorliegenden Buches hat das erlebt und sie hat sich getraut, ihre Erfahrung zu verschriftlichen und sie somit zur Diskussion zu stellen. Sie hat seit Erscheinen des Buches damit nicht nur Zustimmung bekommen, sondern vor allen Dingen von anderen Menschen, die ebenfalls ihre Angehörigen gepflegt haben, viel Kritik erfahren. So hat man ihr etwa vorgeworfen, ihre Mutter gar nicht selbst gepflegt, d.h. gewindelt etc. zu haben, sondern mit ihrem Wohlstand es sich hat leisten können, diese Leistungen einzukaufen. Als ob damit die seelische Belastung, sich täglich um eine demente Mutter und um einen nach einem Schlaganfall ebenfalls in seinem Wesen total veränderten Vater zu kümmern, geringer wäre. Als ob die Organisation der Pflege und das medizinischen Management zweier pflegebedürftiger Menschen neben der eigenen Familie mal so eben in Teilzeit bewältigt werden könnte.


    Ich halte diese Kritik für ungerecht und für eine psychische Abwehr dessen, was Martina Rosenberg da in aller Offenheit darlegt. Martina Rosenbergs Aufzeichnungen sind nicht nur erschütternd authentisch, sie können auch nicht etwas geben, was sich viele Leser vielleicht erhoffen: Trost und Hinweise darauf, wie man es richtig macht. Menschen, die so wie die Autorin helfen wollen, werden jedenfalls im Falle der Demenz nach wie vor von der Politik und der Gesellschaft alleine gelassen.


    Reimer Gronemeyer, ein Sozialwissenschaftler, der sich seit langem mit Demenz und seinen gesellschaftlichen Ursachen und Folgen beschäftigt, plädiert in seinem neuen Buch „Das 4. Lebensalter“ für ein Umdenken: „Die Burn-outer, die ADHS-Kinder, die Menschen mit Demenz sind die Aussteiger, deren Scheitern uns noch nicht Gescheiterten zeigen kann, wohin die Fahrt gehen müsste, dass wir das Ruder herumreißen müssen – wenn wir das denn hören wollen.“


    Es gehe darum, Menschen mit Demenz gastfreundlich aufzunehmen und sie nicht zu behandeln wie Aussätzige. „Wir brauchen Nachbarschaftlichkeit, Freundlichkeit, Wärme“. Und: „Ein Ausweg aus dem Demenzdilemma muss künftig eher in der Konstruktion einer gastfreundlichen Lebenswelt als in der Perfektionierung spezialisierter Versorgung gesucht werden.“


    Eine Utopie oder eine konkrete Vision für Menschen wie Martina Rosenberg und ihre Eltern?

  • Inhalt:

    Martina Rosenberg erzählt die authentische Geschichte einer ganz normalen Familie, für die das Leben durch die Extrembelastung der Pflege der schwer kranken Eltern zum Albtraum wurde. Es ist die Geschichte ihrer eigenen Familie. Die Mutter erkrankt an Demenz, der Vater erleidet einen Schlaganfall, und Schritt für Schritt muss die Tochter die Verantwortung und Organisation des elterlichen Lebens übernehmen. Verzweifelt versucht sie, allen Anforderungen gerecht zu werden – und scheitert, bis nach neun Jahren nur noch der Wunsch übrig bleibt: Mutter, wann stirbst du endlich?


    Rezension: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Viele müssen mit weniger Hilfe auskommen


    Bei dem Titel „Mutter, wann stirbst du endlich?“ hatte ich erst einmal Hemmungen das Buch in die Hand zu nehmen. Darf man so überhaupt denken? Wäre es da nicht besser, die Pflege der Mutter/Eltern in andere Hände zu legen? Aber sich diese Frage zu stellen, fand ich dann doch schon sehr mutig, aber auch provokant. Mit Ende des Buches wurde mein innerer Wiederstand zwar kleiner, aber ganz verschwunden ist er nicht. Nur nebenbei, auch wir hatten meinen pflegebedürftigen Vater 13 Jahre zuhause gepflegt – ohne Pflegerin.


    Martina Rosenberg schreibt diese Geschichte, einer ganz normalen Familie, die die Belastungen der Pflege kaum bewältigen kann, in einem gut lesbaren Stil. Aber diese ganz normale Familie kann sich Pflegerinnen leisten. Wieviel Pflegearbeit bleibt dabei der Familie selbst? Und sich in so einer Situation die Frage zu stellen, wann Mutter endlich stirbt, ist schon irgendwie sehr ichbezogen.


    Das Cover ist schlicht gehalten und macht den Eindruck eines Ratgebers, der es definitiv nicht ist. Mein Fazit ist, ich habe es gelesen und damit hat es sich aber auch schon. Jeder muss in so einer Situation sowieso für sich entscheiden, wieviel Belastung – und eine Pflege ist Belastung für jede Seite – er tragen kann.

    2024 - bis Ende März :study: : 22

    2023 - 100 gelesene Bücher :applause:

    2022 - 84 gelesene Bücher

    2021 - 88 gelesene Bücher

    2020 - 64 gelesene Bücher

    2019 - 65 gelesene Bücher

    2018 - 61 gelesene Bücher


  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Martina Rosenberg, Mutter, wann stirbst du endlich. Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird“ zu „Martina Rosenberg - Mutter, wann stirbst du endlich. Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird“ geändert.