Megan Hart - Beichte eines Verführers

  • Seit ungefähr einem Jahr trifft sich die Psychologin Dr. Sadie Danning jeden ersten Freitag im Monat mit dem Anwalt Joe Wilder in der Mittagspause auf einer Parkbank.
    Er beichtet ihr seine neuesten Eroberungen, seine wildesten Nächte und sie lauscht gebannt, saugt jedes Wort in sich auf.
    Doch Sadie träumt sich mehr und mehr in seine Geschichten, in seine Arme, in seine Küsse hinein, aber Joe will sich nur in heißen, kurzweiligen Affären verlieren.
    Und zuhause wartet Sadies Ehemann Adam, der seit einem Skiunfall vor vier Jahren vom Hals abwärts querschnittsgelähmt und rund um die Uhr pflegebedürftig ist.

    Während Joe in seiner Rolle als heißer und sensibler Verführer angeblich aufgeht, fügt sich Sadie in ihre Rolle als treu sorgende Ehefrau und pflichtbewusste Tochter und Schwester, die ihre Ängste und Bedürfnisse lieber für sich behält, stets anderen zur Seite steht, sich völlig aufgibt, eine Maske zur Schau trägt, weil man einfach nichts anderes von ihr erwartet. Doch Sadie will aus der ihr auferlegten Rolle ausbrechen, auch wenn sie bereits die bloßen Gespräche mit ihrer Zufallsbekanntschaft Joe als Betrug an ihrem Ehemann und ihrer Ehe ansieht.
    Dennoch kommt sie von Joe nicht los, sehnt die Treffen mit ihm, die sie ihrem Mann verschweigt, herbei, macht sich extra hübsch für ihn, vielleicht in der Hoffnung, dass auch sie mal die Frau in Joes Umarmung sein könnte.
    Doch eine unerwartete Wendung stellt ihre zarte Freundschaft schnell auf eine harte Probe.

    Also zuallererst:
    Lasst euch von dem Cover und dem Titel nicht abschrecken, denn hinter "Beichte eines Verführers" steckt eine herzergreifende, sensible, traurige und dramatische Liebesgeschichte, bei der man beim Lesen den einen oder anderen Kloß herunterschlucken und die eine oder andere Träne wegblinzeln muss.
    Adams Lähmung, die Beschreibung seines Alltags, in dem er ein Gefangener im eigenen Körper und im eigenen Haus ist, die sich mehr und mehr aufbauende Distanz und Entfremdung zwischen ihm und Sadie, Sadies Einsamkeit und Aufopferung und ihre Sehnsucht nach Liebe und nicht zuletzt auch Joes Einsamkeit und Unzufriedenheit mit seinem Leben werden wirklich einfühlsam und intensiv beschrieben ohne kitschig oder schwülstig zu werden.
    Aber auch Joes Affären kommen nicht plump und billig daher, sondern wirken niveauvoll. Und dennoch waren die Gespräche zwischen Sadie und Joe nach seinen detaillierten und spannungsgeladenen, aber dennoch emotionalen Erzählungen viel viel interessanter und intensiver, weil sich ihre Gespräche im Laufe der Zeit entwickelt haben. Von der bloßen Zuhörerin, die neugierig auf Joes neueste Eroberungen ist, wird Sadie zur Kritikerin seines Lebensstils, zur neidischen Ehefrau und vielleicht auch zur eifersüchtigen und streitlustigen Freundin.

    Wenn Adam aus Hass auf sich selbst und sein Dasein mal wieder einen Streit anzettelt, wenn Sadie über ihre Ehe und Adams Verschlossenheit nachdenkt und darüber im Zwiespalt ist, ob sie nun lieber Joes oder Adams Lippen spüren möchte oder wenn sich Joe mit einer selbstverständlichen und fast schon unerschütterlichen Unnahbarkeit in die nächste Liebesnacht stürzt, kann man sich dem Sog der Geschichte wirklich nicht mehr entziehen und lässt sich von dem Strudel der Gefühle mitreißen.
    Vor allem Sadies Zerrissenheit, ihre aufkommende Verliebtheit in Joe, ist spürbar und nachvollziehbar, weil sie nicht wie fast alle anderen Frauen nur Joes Attraktivität bewundert, seinen tollen Job und sein Geld begehrt, sondern ihn als Mensch mehr und mehr zu schätzen weiß.

    Ein Liebesroman, den ich wirklich verschlungen habe, weil ich unbedingt wissen wollte, ob sich Sadie und Joe doch noch näherkommen oder ob sich Sadies Ehe wieder erholt und wieder an alte, glückliche Zeiten anknüpfen kann. Und trotzdem spürt man von der ersten Seite an, dass man nicht auf ein Happy End zusteuern wird, und gerade das macht "Beichte eines Verführers" so unglaublich schön, traurig und wirklich.
    Eine melancholische und berührende, unter die Haut gehende Liebesgeschichte, die
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:
    wirklich verdient hat, und der das eindeutige Cover und der Titel bei Weitem nicht gerecht werden können. Denn sie ist einfach viel einfühlsamer und tiefgründiger als man auf den ersten Blick annehmen wird.

    :study: C L Wilson - Der Winter erwacht
    :) Gelesen 2013: 105 / 2014: 77 / 2015: 16
    8-[ SUB: Ich geb`s auf...



  • Für gewöhnlich les ich mir nicht mal den Klappentext von Büchern mit solchem Cover durch, geschweige denn sie auf die Wunschliste zu setzen. Aber deine Rezi find ich richtig gut und es hat mich auch neugierig gemacht. Danke, dass du meinen Vorurteilen entgegensteuerst! Ein Buch also mehr auf meiner WL :applause:

    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."
    Heinrich Heine


      :study:

  • Vielen lieben Dank!


    Zugegebenermaßen mache ich um Bücher mit solchen Covern und Titeln auch einen riesigen Bogen und mir ist es ja schon fast peinlich zuzugeben, dass ich nun eine solche Geschichte gelesen habe (Erotik ist auch nicht mein Genre 8-[ ), aber da die Geschichte wirklich traurig- schön ist, hat sie auch eine nette Rezi von mir verdient.
    Irgend jemand im Forum hat den Tipp gegeben, dass Megan Hart sehr einfühlsame, erotische Geschichten mit Handlung schreibt, und dann habe ich es einfach mal ausprobiert und wurde für meinen "Mut", mal über den Tellerrand zu blicken, belohnt.
    Würde man dem Roman einen anderen Titel und ein anderes Cover verpassen, würde er sicherlich mehr Durchschnitts- Leserinnen ansprechen :loool: .


    Und ich denke, es wird nicht das letzte Buch von ihr gewesen sein, das ich lesen werde :uups: .

    :study: C L Wilson - Der Winter erwacht
    :) Gelesen 2013: 105 / 2014: 77 / 2015: 16
    8-[ SUB: Ich geb`s auf...



  • Danke für die tolle Rezi :thumleft:
    Ich habe mir das Buch auch schon Mal bei Amazon angesehen, aber mich am Ende auch gegen das Buch entschieden, aber ich hab es jetzt auch, dank deiner Rezi, auf meine WuLi setzten!

    Tränen haben etwas heiliges, sie sind kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke.
    Sie sind Botschafter überwältigender Trauer und unaussprechlicher Liebe.

    :love:
    -Washington Irwing-