Florian Werner, Schüchtern. Bekenntnis zu einer unterschätzten Eigenschaft

  • Schüchterne Menschen haben es in diesen Zeiten nicht leicht. Wurden sie früher noch als introvertierte oder besonders empfindsame Menschen in einer weniger hektischen Gesellschaft noch eher geschätzt als angenehme Zeitgenossen, gilt Schüchternheit seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als eine Form der Angststörung, die natürlich behandelt werden muss.


    Und auch viele schüchterne Menschen fühlen sich in einer Welt, in der immer alle aktiv, gut drauf und vor allen Dingen kommunikativ sind auf allen Kanälen, als deplaziert. Es sind diese Menschen, die unter ihrer Schüchternheit echt leiden, die zu solchen Ratgebern greifen, wie Petra Wüst soeben unter dem Titel „Schüchtern war gestern“ einen bei Orell Füssli veröffentlicht hat. Sie will mit ihrem Buch ausdrücklich unter ihrer Schüchternheit leidenden Menschen, die sich öffnen wollen, einen „Schlüssel zu mehr Ausstrahlung, Selbstvertrauen und Lebensfreude“ an die Hand geben. Das ist auch sicher in Ordnung so, wenn sie ihre lebensgeschichtlich erworbene Eigenschaft nicht verdammen, sondern, sich langsam und behutsam öffnend, dennoch mit ihr besser leben lernen. Ich habe in den mehr als vier Jahrzehnten meines erwachsenen Lebens viele schüchterne Menschen erlebt, die, wenn man sie näher kennengelernt und ihre Art respektiert hatte, sich als Frauen und Männer mit einer nicht für möglich gehaltenen Tiefe herausstellten.


    Florian Werner, dessen „Bekenntnis zu einer unterschätzten Eigenschaft“ hier anzuzeigen ist, hat da sicher ähnliche Erfahrungen mit sich selbst und mit anderen Menschen gemacht. Er erklärt in seinem Essay sehr genau die wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entstehung von Schüchternheit und die stellt Frage, wie man sie überwinden kann, bzw. ob das überhaupt einen Sinn macht. Ist die zunächst offensichtliche Schwäche nicht eine große Stärke? Muss man den mit Schüchternheit konnotierten Begriffen wie Verlegenheit, Scham und Scheu nicht die Eigenschaften Mäßigung, Anstand und Ehrfrucht entgegensetzen, so fragt er auf eine sehr sympathische Weise.


    Interessant war für mich sein Hinweis darauf, dass schüchterne Menschen mehr in ihre bestehende Beziehung investieren, dass sie, altmodisch gesprochen, treuer sind, weil sie genau wissen, wie schwer sie sich mit dem Aufbau einer neuen Beziehungen tun.


    Damit sie sich aber deswegen nicht alles gefallen lassen müssen, empfehle ich schüchternen Menschen neben diesem Essay von Florian Werner unbedingt auch die Lektüre des schon erwähnten Buches von Petra Wüst.

  • Danke, dass du dieses Buch vorgestellt hast, wer ist eigentlich der Autor und wird in diesem Buch auch auf die Psychologie eingegangen (die heutzutage leider viel zu sehr ihre Kategorisierungen liebt)?

    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."
    Heinrich Heine


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