Die Handlung dieses umfangreichen Wälzers, der ein Vierteljahrhundert und eine große Fülle an Figuren umspannt, beginnt in den 1890er Jahren in London. Im Mittelpunkt steht das Schriftsteller- bzw. Journalistenpaar Olive und Humphry Wellwood, die mit ihrer Kinderschar ein bohèmehaftes Leben führen, der glücklose Töpfer Benedict Fludd mit seiner anthroposophisch angehauchten Frau und drei Kindern und der verwitwete Major Prosper Cain, heute in führender Position in einem Londoner Museum tätig, mit seinen beiden Kindern. Und der künstlerisch sehr begabte Philip, den Julian Cain und Tom Wellwood eines Tages im Keller des Museums aufgestöbert haben, wo sich der Junge eingenistet hatte, um nicht auf der Straße leben zu müssen.
Wir begleiten die zahlreichen Charaktere durch spannende Zeiten, im Großen wie im Kleinen. Es ist die Zeit großer Umbrüche in Gesellschaft und Politik wie auch völlig neuer Bewegungen in Kunst und Literatur. Die Hauptfiguren bewegen sich in Künstlerkreisen, so dass auch einige reale Personen jener Zeit in Gastrollen auftreten. Die neuesten Entwicklungen werden in ausgiebigen Diskursen erörtert.
Gleichzeitig schildert Byatt, wie die Kinder der drei Familien heranwachsen, ihre Nische in der sich verändernden Welt suchen, wie sich die Strukturen innerhalb der Familien wandeln, bis das Blutvergießen des ersten Weltkrieges alle in irgendeiner Weise einholt. Detaillierte Darstellung der künstlerischen Tätigkeiten fließen auf gelungene Weise mit ein - einige von Olive Wellwoods ungewöhnlichen Kindergeschichten sind Bestandteil des Buches und werfen ein interessantes Licht auf einige Ereignisse und Gegebenheiten ihres Familienlebens.
Das Buch ist keine leichte Familiensaga, sondern eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den großen Themen aus der Zeit der Jahrhundertwende und den großen Themen des Lebens. Die intellektuellen Diskussionen waren ab und an ein wenig schwer nachzuvollziehen, weil es mir da wohl teils an Hintergrundwissen fehlte, ansonsten transportiert Byatt wunderbar die Aufbruchsstimmung, die Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen, die neuen Strömungen in der Kunst, exemplarisch an den handelnden Personen aufgezeigt. Die Charakterzeichnung geht dabei nicht bei allen in die Tiefe, gelingt aber angesichts der Vielzahl an Figuren erstaunlich gut.
Am beeindruckendsten fand ich jedoch die letzten Kapitel über den Krieg. Das blutige Grauen der Kämpfe, das sinnlose Sterben so vieler, die Wunden an Leib und Seele, die dieser Krieg überall hinterlässt, werden schmerzhaft lebendig - in oft ganz lakonischen Sätzen, die das Entsetzen viel besser wiedergeben können als so manche ausufernde Schlachtenschilderung.
Kein unbedingt einfaches Buch, aber ein gutes.