Conrad Ferdinand Meyer - Die Füße im Feuer

  • Die Füße im Feuer


    Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm.
    Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Ross,
    Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust
    Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.
    Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell
    Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann . . .


    - "Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt
    Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!"
    - "Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert's mich?
    Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!"
    Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal,
    Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,
    Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht
    Droht hier ein Hugenott 1) im Harnisch 2), dort ein Weib,
    Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild . . .
    Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd
    Und starrt in den lebendgen Brand. Er brütet, gafft ...
    Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal ...
    Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.


    Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin
    Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.
    Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick
    Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt ...
    Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
    - "Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
    Drei Jahre sind's ... Auf einer Hugenottenjagd
    Ein fein, halsstarrig Weib . . . 'Wo steckt der Junker? Sprich!'
    Sie schweigt. 'Bekenn!' Sie schweigt. 'Gib ihn heraus!' Sie schweigt.
    Ich werde wild. D e r Stolz! Ich zerre das Geschöpf ...
    Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie
    Tief mitten in die Glut ... 'Gib ihn heraus!' ... Sie schweigt ...
    Sie windet sich ... Sahst du das Wappen nicht am Tor?
    Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
    Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich."
    Eintritt der Edelmann. "Du träumst! Zu Tische, Gast ..."


    Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht
    Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
    Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an -
    Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
    Springt auf: "Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
    Müd bin ich wie ein Hund!" Ein Diener leuchtet ihm,
    Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
    Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr ...
    Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.


    Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.
    Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
    Die Treppe kracht .. . Dröhnt hier ein Tritt? ... Schleicht dort ein Schritt? ...
    Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.
    Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt
    Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.
    Er träumt. "Gesteh!" Sie schweigt. "Gib ihn heraus!" Sie schweigt.
    Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.
    Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt ...
    - "Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!"
    Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,
    Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr - ergraut,
    Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.


    Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
    Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.
    Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
    Friedsel'ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
    Als kehrten Engel heim von einer nächt'gen Wacht.
    Die dunkeln Schollen atmen kräft'gen Erdgeruch.
    Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
    Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: "Herr,
    Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
    Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin.
    Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!" Der andre spricht:
    "Du sagst's! Dem größten König eigen! Heute ward
    Sein Dienst mir schwer ... Gemordet hast du teuflisch mir
    Mein Weib! Und lebst! ... Mein ist die Rache, redet Gott."


    Dies ist eine von meinen Lieblingsballaden !


    Liebe Grüße,


    Minea :study:

  • Ich habe die Ballade vor über vierzig Jahren in der Schule kennengelernt und mir geht es genauso,es ist mein Lieblingswerk in diesem Genre.

    Auch die zugrundeliegende Idee des Sieges über den Wunsch nach Rache zugunsten einer höheren,zivilisierteren und vernunftorientierten Ethik taugt dazu,

    einen Menschen mit zu prägen.Daher sind mir diese Zeilen bis heute eine wertvolle Erinnerung.Vielen Dank für Deinen sehr guten Beitrag dazu.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Die Füße im Feuer eine Ballade - Conrad Ferdinand Meyer“ zu „Conrad Ferdinand Meyer - Die Füße im Feuer“ geändert.