Adriano Sack - Noto

  • Kurzmeinung

    kleine_hexe
    ein Buch über Tod und Abschied, aber auch über eine bezaubernde Insel, einer der Sehnsuchtsorte der deutschen Seele
  • Vor einigen Jahren haben Konrad und sein Partner Adriano sich auf Sizilien zusammen mit Freunden ein Grundstück gekauft, um darauf ihre Traumhäuser zu bauen. Nun ist das Haus der beiden endlich fertiggestellt, doch Adriano ist fort. Er starb bei einem ebenso unnötigen wie tragischen Unfall und Konrad macht sich nun mit Mischlingshund Jack auf den Weg nach Noto. Dort will er sich nicht nur darüber im Klaren werden, was er nun mit dem Haus voller Erinnerungen anfangen soll, sondern auch einen Teil von Adrianos Asche verstreuen, die er in einer Blechdose mit sich trägt.


    „Noto“ ist der erste Roman des Journalisten und Autors Adriano Sack. Die Handlung wird aus der Sicht des Protagonisten Konrad in der Ich- und Gegenwartsform erzählt; wir begleiten ihn also hautnah in seiner Trauer und dem Versuch, dem Leben ohne Adriano wieder eine Richtung zu geben. Neben Konrad mischt sich auch immer wieder Adriano selbst ein und kommentiert die Ereignisse. Konrads Therapeutin findet das ganz normal und ein Zeichen der Verbundenheit zwischen den beiden; seltsam werde es erst, wenn Konrad auch antworte. Für mich war das eine schöne Gelegenheit, Adriano als Charakter zu erleben, auch wenn er zu Beginn des Romans schon verstorben ist.


    Konrad wird in seiner Trauer von seiner besten Freundin Jenny unterstützt, die mit Ehemann Johannes und den Kindern Loki und Skadi das zweite Ferienhaus auf dem Grundstück besitzt. Sie selbst hat allerdings auch gerade mit Eheproblemen zu kämpfen und Konrad fühlt sich abwechselnd überfordert und angenehm vom eigenen Schmerz abgelenkt. Zu allem Überfluss reist dann auch noch Adrianos Mitbewohner Santi nach Noto und verursacht Chaos in Konrads (Gefühls-)Leben.


    Was wie ein schwerer Roman über Tod und Trauer klingt, ist viel mehr als das. Adriano Sack besitzt einen sehr feinen, wenig plakativen Humor, den er in Figurenzeichnungen, Beschreibungen oder Einschüben verstreut. So macht er sich beispielsweise über die hippen deutschen Auswanderer lustig, die sich massenweise durchgestylte Häuser auf Sizilien zulegen und auch Gwyneth Paltrow hat einen Auftritt im Bärenkostüm – herrlich! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Klappentext

    Als sein Partner stirbt, reist Konrad mit Adrianos Asche nach Sizilien, wo sie sich in den letzten gemeinsamen Jahren ein Haus gekauft und eine zweite Heimat geschaffen hatten. Auf die Reise begleitet ihn der unter anderem junge gutaussehende Santi, der im Gegensatz zum grüblerischen Konrad, das Leben auf die leichte Schulter nimmt. Die Insel der Gegensätze wird beide auf ihre eigene Art herausfordern. Wir erleben eine ebenso turbulente wie berührende Abschiedsreise, einen liebevollen Rückblick auf gemeinsame Jahre, ein unterhaltsames Porträt der deutschen Ex-Pats auf Sizilien und einen Ausblick darauf, wie es nach einem lebensändernden Verlust weitergehen kann.

    Adriano Sack liefert ein fulminantes literarisches Debüt, in dem das wilde Berlin auf das unberechenbare Sizilien trifft.


    Meinung

    Der Klappentext und die Leseprobe klangen wirklich vielversprechend, doch leider konnte der Rest des Buches mein Interesse so gar nicht ankurbeln. Ich habe einfach absolut keinen Zugang zu den Charakteren finden können, nicht einmal zu Konrad, dem Ich-Erzähler. Alles las sich irgendwie weniger als die Erlebnisse des Protagonisten, sondern viel mehr wie nüchterne Tatsachenberichte. Es fehlte für mich jegliche Emotion, sodass ich keine Verbindung zu irgendwas aufbauen konnte, nicht einmal Konrads Trauer hat mich erreicht.


    Tatsächlich fand ich die kurzen Passagen aus “Adrianos Sicht” noch am besten, an ihnen konnte man erkennen, was für ein leidenschaftlicher Mensch dieser vor seinem Tod war.

    Der Autor verrennt sich, neben den nüchternen Beschreibungen der Handlung, auch immer wieder in ausschweifende Landschaftsbeschreibungen oder Anekdoten über irgendwelche Bekannte des Protagonisten.


    Ich habe das Buch nach ca 130 Seiten abgebrochen, weil ich es leider als sehr ermüdend empfunden habe. Außerdem habe ich für mich festgestellt, dass mich auch der Ausgang der Geschichte leider so gar nicht interessiert. Wirklich schade.


    Fazit

    Abgebrochen, da mir leider jegliche Emotionalität fehlte und mir der Autor einfach zu viel Wert auf die Landschaft Siziliens gelegt hat, als auf die Gefühle seiner Protagonisten.

    Schade.

    Unter dem Fell einer Katze

    lebt eine der freiesten Seelen der Welt.

    (Claudine Delville)

  • Wenn der geliebte Mensch geht

    Wenn der geliebte Mensch stirbt, plötzlich verstirbt, ohne Zeit zu haben, sich zu verabschieden, ist das wie die Amputation eines Gliedmaßes. Der Phantomschmerz wird immer bleiben. Irgendwann arrangiert man sich mit dem Schmerz, lernt ihn ertragen. Adriano und Konrad waren ein Paar, waren verheiratet, hatten auf Sizilien ein Haus gebaut. Konrad lebte mehr in Rom, der Arbeit wegen, Adriano in Berlin. Sie trafen sich regelmäßig, in Berlin oder in Rom oder in Sizilien, wo sie der Gemeinschaft der deutschen Expats angehörten. Adrianos Tod in Berlin ist tragisch (wie jeder Tod) und absurd zugleich. Adriano ist mit brennender Zigarette eingeschlafen, die Couch hat angefangen zu glimmen, er ist am Sauerstoffmangel und den eingeatmeten Gasen erstickt. Das Buch setzt nach Adrianos Tod ein, Konrad fliegt nach Sizilien, um seine Asche da in den Ätna zu streuen. Aber diese Geste, die in Berlin noch so elegisch schön und bedeutsam erschien, war nach den Strapazen der Ätna-Besteigung weder symbolisch und elegisch schön noch bedeutsam Er wird die Asche aus einem Impuls heraus von einem Schiff aus wortlos und rasch ins Meer streuen.

    Das Buch ist aber nicht nur über die Trauerbewältigung eines geliebten Menschen, sondern auch ein Plädoyer für eine wunderschöne Insel, Sizilien und mit allem, was diese Insel für Sizilianer, Italiener und deutsche Bewohner bedeutet. Die Insel wird mit all ihren zauberhaften aber auch hässlichen Facetten beschrieben und weckt die Sehnsucht nach Sizilien. Um mit Goethe zu sprechen:

    “Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,

    Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,

    Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

    Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?”

    Genau in dieses Land versetzt uns Adriano Sack mit diesem Buch. Den überquellenden Müll am Straßenrand, die ausufernde Bürokratie der sizilianischen Verwaltung, all das wird auch im Buch beschrieben, aber dann kommt ein Sonnenuntergang oder eine Landschaftsbeschreibung zum Niederknien schön.

    Konrad, der in Sizilien Corrado angesprochen wird, hört sich Adrianos Reden an, ohne etwas darauf entgegnen zu können. Er sehnt diese Reden herbei, sie bestätigen ihn in seinen Handlungen auf Sizilien, auch wenn er da diverse Liebesaffären hat. Im letzten Zwiegespräch Adriano - Konrad sagt Adriano: “Ich werde Dich mehr vermissen als mich selbst. Und vergiss nicht, dass Du leben musst.” (S. 332) Konrad ist auf der Heimfahrt zurück nach Deutschland, er befindet sich auf der Fähre von Messina auf das italienische Festland, als in seinen Gedanken Adriano diese Worte sagt. Konrad wird klar “... und ich werde niemals auf dieser Fähre stehen können, ohne Adriano zu vermissen. Denn auch das war unsere Liebe: nebeneinander in aufgewühltes Wasser blicken,” (S. 332).

    Das Titelbild erinnert in seinen Farben und Gestaltung an ein Gemälde von Gauguin

    Eine kleine Besonderheit sei noch erwähnt: Adriano Sack, der Autor lässt den verstorbenen und doch so präsenten Partner Konrads auch den Namen Adriano tragen. Das wirft die Frage auf, wie viel von einem Adriano steckt im anderen Adriano?