Franziska Gänsler – Wie Inseln im Licht

  • Klappentext/Verlagstext
    Als ihre kleine Schwester verschwindet, ist Zoey selbst noch ein Kind. Jetzt, zwanzig Jahre später, sind ihre Erinnerungen daran bruchstückhaft und widersprüchlich. Warum wurde nie nach der Schwester gesucht? Nach dem Tod der Mutter reist Zoey an die französische Atlantikküste, wo sie zu dritt gelebt haben, bevor diese eine Nacht alles veränderte. Zoey ahnt: Sie muss ihre Erinnerungen neu sortieren, die wie Inseln im Licht aus dem Meer ragen und die tief unter der Oberfläche miteinander verbunden sind.


    Die Autorin
    Franziska Gänsler, geboren 1987 in Augsburg, hat in Berlin, Wien und Augsburg Kunst und Anglistik studiert. 2020 stand sie auf der Shortlist des Blogbuster-Preises und war Finalistin des 28. open mike. Sie lebt in Augsburg.


    Inhalt
    Zoey Weiß ist aus Berlin an die Atlantikküste gereist, um die Asche ihrer Mutter an der Stelle ins Meer zu streuen, an der Anna mit ihren Töchtern 20 Jahre zuvor im Bauwagen auf einem Campingplatz lebte. Erst jetzt wird ihr bewusst, dass sie ihre ungewöhnliche Kindheit verloren hat, auch wenn sie damals mit 7 Jahren aus der Abgeschiedenheit herausdrängte. Seit ihre jüngere Schwester Oda als 5-Jährige verschwand, hat Zoey der Gedanke nicht mehr losgelassen, sie könnte Odas Hand losgelassen und damit ihren Tod verschuldet haben. Aber warum würde eine Mutter mit der überlebenden Tochter nach Deutschland zurückkehren, wenn sie nicht absolut sicher wäre, dass Oda nicht zu ihnen zurückkehrt? Tatkräftig unterstützt von Zoeys Ex-Partnerin Ari wird die Feuerbestattung in Frankreich organisiert. Es ist die Beisetzung „der Mutter“, wie die Hinterbliebene sie – für mich befremdlich – distanziert nennt. Zoey wirkt in Frankreich entwurzelt, weil sie allein trauert und offenbar Menschen vermisst, die sie oder ihre Mutter kannten. Von ihrem Vater kann sie aus der Ferne keinen Zuspruch erwarten; er wird jede Erwartung an ihn als Zumutung werten. U. a. durch die Begegnung mit der jugendlichen Kitty, die in der Gegenwart auch im Bauwagen lebt, wird Zoey bewusst, wie stark ihre Isolation als Kind und später die Pflege ihrer Mutter sie von anderen Menschen isoliert haben. Überraschend eröffnet sich ihr jedoch ein Weg, mehr über die Ereignisse zu erfahren, an die sie sich nicht mehr vollständig erinnert.


    Fazit

    So suggestiv wie plausibel fächert Franziska Gänsler die Emotionen auf, die Zoey während der vergangenen 20 Jahre beim Gedanken an ihre Schwester durchlebte. Mit Ari, der Hotelangestellten Marlène, Kitty und deren Großmutter stellt sie ihrer vereinsamten Protagonistin Frauenfiguren an die Seite, die mit liebenswürdiger Selbstverständlichkeit für sie da sind, wenn sie gebraucht werden. Konzentriert auf wenige Tage bis zur Kremierung begegnet Zoey der Landschaft ihrer Kindheit und setzt sich damit auseinander, warum damals nicht nur Anna sich an ein entlegenes Fleckchen am Meer zurückzog. „Wie Inseln im Licht“ wartet mit einer verblüffenden Lösung auf und konnte mich besonders durch die Frauenbeziehungen berühren.


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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Manchmal ist die Vergangenheit doch eine ganz andere


    Worum es geht:

    Zoey kennt ihre Mutter eigentlich nur krank. Sie war immer für ihre Mutter da und auch, bei ihren letzten Atemzügen. Nun ist die Mutter tot und Zoey fühlt sich einsam. Sie reist an die französische Atlantikküste, an den Ort, wo sie die ersten Kindheitserinnerungen hat und wo mal die Welt in Ordnung war. Die Erinnerungen kommen hoch, als sie den alten Campingplatz besucht, auf dem sie als Kind gelebt hat. Und da war noch ein Kind. Ihre kleine Schwester, die plötzlich verschwunden war. Niemals hat ihrer Mutter oder sonst jemand wieder von ihr gesprochen. Zoey versucht jetzt herauszufinden, was damals mit ihrer kleinen Schwester passiert ist, auch weil sie Schuldgefühle deswegen hat.


    Es handelt sich um einen eher kurzen Roman, der allerdings nicht leicht zu lesen ist. Auch wenn es hier um den Tod der Mutter und das Verschwinden der kleinen Schwester von vor mehr als 15 Jahren geht, ist der Roman nicht rührselig oder gar dramatisch. Allerdings finde ich, dass es ein sehr melancholisches Buch ist, was ab einen gewissen Punkt aber auch sehr spannend wird. Es hat teilweise abgehackte Sätze und sehr wenig wörtliche Rede. Man muss hier schon viel zwischen den Zeilen lesen. Es ist nicht schwer, das Buch zu interpretieren. Man muss sich auf dieses Buch einlassen und man muss Lust drauf haben. Mal was ganz anderes und mal was Anspruchsvolles, wie ich finde.