Jörg Hartmann - Der Lärm des Lebens

  • Jörg Hartmann ist für mich Ruhrpott pur

    Ich bin selber im Ruhrgebiet geboren, lebe aber seit Ewigkeiten nicht mehr dort. Dennoch habe ich mich in dem Buch von Jörg Hartmann dort direkt emotional wiedergefunden. Bisher habe ich Jörg Hartmann als leidenschaftlicher Tatort-Gucker (Die Dortmunder Staffel gehört zu meinen Lieblingen) als Tatortkommissar Peter Faber als authentische Besetzung sehr geschätzt. Ich was sehr erfreut etwas Literarisches von ihm dargeboten zu bekommen. Das Buch ist autobiografischer Natur und er berichtet über die wesentlichen Stationen und die wichtigen Ereignisse in seinem Leben. Da ist zum einen die berufliche Ebene mit den Schwierigkeiten nach seiner Theaterausbildung entsprechend Fuß zu fassen, und dass er aber mit Hartnäckigkeit und viel Arbeit und Engagement daran gewachsen ist. Zum anderen kommt aber auch die Privatperson mit Rückbetrachtung auf die Eltern und Großeltern aber auch nicht zu kurz. Diese Facette hat mich an dem Menschen Hartmann fast mehr fasziniert als sein beruflicher Werdegang. Der Schwerpunkt hätte in diesem Bereich noch stärker ausgeprägt sein können für mich. Sprachlich kommt der Autor auch glaubwürdig rüber, das er sehr direkt und "pottig" schreibt. Das hat mir sehr gefallen. :)

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Jörg Hartmann: Der Lärm des Lebens“ zu „Jörg Hartmann - Der Lärm des Lebens“ geändert.
  • Kaeptn_Chaos zum wiederholten Male: die ISBN muss bei einer Erstrezension in der entsprechenden Zeile eingetragen werden, die sich öffnet sobald Du auf den Reiter "Buch" klickst.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • In den letzten Jahren haben viele Schauspieler*innen autobiographische oder autofiktionale Bücher veröffentlicht, und normalerweise interessiere ich mich nicht dafür. Bei Jörg Hartmann war ich allerdings neugierig, da er auf mich sehr sympathisch, bodenständig und humorvoll wirkt, auch wenn er eher auf schwierige, oft negative behaftete Figuren abonniert scheint (Weißensee, Das Ende einer Nacht, Die vermisste Frau, Dortmunder Tatort).


    Jörg Hartmann schreibt überraschend persönlich, gibt teilweise tiefe Einblicke in seine Gedanken und Gefühle. Sehr berührend schildert er die letzten Besuche bei seinem dementen Vater und dessen Beerdigung. Eher nachdenkliche Passagen wechseln sich mit humorvollen ab, und an einigen Stellen musste ich laut lachen, etwa wenn er die Proben für ein Vorsprechen beschreibt, bei denen ein Mettbrötchen am Buffet eine Rolle spielt. Jörg Hartmann erzählt nicht chronologisch, sondern springt zwischen Begebenheiten aus der Kindheit und Aktuellem, zwischen seinen taubstummen Großeltern und seinen Schauspielberuf hin und her, dies allerdings sehr elegant, sprachgewandt und natürlich, so dass es stets flüssig zu lesen ist. Besonders gut gefielen mir die Passagen über Hartmanns Schauspielstudium, da diese mit viel trockenem Witz erzählt werden. Weniger anfangen konnte ich mit einigen Anekdoten aus dem Ruhrpott, diese wirkten teilweise sehr banal. In der zweiten Hälfte fällt das Buch leider meiner Meinung nach deutlich ab. Hartmann hadert mit den Problemen unserer Zeit, mit der Vergänglichkeit des Lebens, mit der Sattheit unserer Konsumgesellschaft. Allerdings fehlt mir in seinen Ausführungen der Tiefgang, und da ist nichts, was nicht den meisten von uns auch durch den Kopf geht. Das Buch zieht sich, Hartmann wirkt schwermütig und melancholisch. Etwas befremdet war ich von Hartmanns Art, andere Menschen zu bezeichnen. Eine der Krankenpflegerinnen seines Vaters nennt er immer nur "die Korpulente", einen Mann, dem er in China begegnete, den "Zahnramponierten" bzw. "Zahnlädierten". Über die neureichen Eltern eines Kindes aus der Kita seines Sohnes, bei denen seine Familie zum Kindergeburtstag eingeladen war, zieht er mit boshaftem Spott her. Auch wenn ich seine Antipathie gut verstehen kann, frage ich mich doch, ob hier nicht auch eine gehörige Portion Sozialneid mitspielt, und wie es sich für diese Familie anfühlen muss, wenn sie sich im Buch wiedererkennen sollte.


    Fazit: Für eingefleischte Hartmann-Fans ein empfehlenswertes, sehr persönliches und unterhaltsames Buch. Meine Erwartungen hat es leider nicht ganz erfüllt. Auch wenn Jörg Hartmann viel Sprachgefühl beweist und ich mir generell vorstellen könnte, ein weiteres Buch von ihm zu lesen, hat mich der Inhalt nicht überzeugt, da ich viele Passsagen als nichtssagend oder oberflächlich empfand.

    3 Sterne.

  • Bin total überzeugt!


    Jörg Hartmann, einer der bekanntesten Schauspieler unserer Zeit, blickt zurück in seine eigene Vergangenheit und die seiner Familie. Und die annähernde Gegenwart kommt auch nicht zu kurz.

    Die Erzählungen verschiedener Etappen sind im recht angenehmen Plauderton geschrieben, der sich super lesen lässt. Dabei oft genug mit unerwarteter Sprachgewalt, bei der man den Theatermimen erahnen kann.

    Wir erfahren von seinen gehörlosen Großeltern während der Nazizeit, die womöglich nur gerettet wurden, weil sie absolut gesunde Kinder hatten. Oder von seinem Vater, der einst ein stadtbekannter Handball-Held war und wahrscheinlich etwas enttäuscht von seinem in dieser Hinsicht talentfreien Sohn. Der im Alter dann dement in einem Heim immer weniger wird und schließlich stirbt.

    Von seiner ältesten Tochter, die - noch winzig - notoperiert werden muss. Und wir erfahren von seiner Laufbahn am Theater; sein Weg über die Suche einer Schauspielschule bzw. eines ersten Theater-Engagements um letztlich irgendwann in der Coronazeit zu landen und mit ihr seine Zweifel an eben dieser Theaterwelt.

    Sehr gerührt hat mich die Episode um Wilfried.


    Überzeugt hat mich definitiv, wie tief Jörg Hartmann uns in seine Gedanken- und Gefühlswelt eintauchen lässt. Er offenbart eine Empfindsamkeit und vor allem Unsicherheit, die mich stark gepackt hat. Obwohl er zwischendurch immer wieder mit einer ordentlichen Portion Humor seine Episoden würzt (herrlich die Story aus dem chinesischen Teeladen oder die Mettbrötchen-Passage), bleibt es ein eher nachdenkliches, tiefsinniges Buch. Der Kindergeburtstag gegen Ende des Buches ist so unglaublich, dass man meint, es muss erfunden sein. Aber wie ja jeder inzwischen weiß, schreibt das Leben die besten Geschichten.

    Seine grüblerischen Gedanken über das Menschsein und das Leben und Vergehen an sich sind mir unglaublich vertraut. Ich hadere mit ganz ähnlichen Fragen nach dem Sinn von allem und konnte so vieles tatsächlich nachempfinden, als wären es meine eigenen. Über das Stadium der Ahnung vom Abschied der Kindheit der eigenen Kinder bin ich allerdings schon hinaus, da das schon einige Jahre hinter uns liegt.

    Vielen Dank für diese tiefgreifenden, persönlichen Einblicke in Ihr Leben, Herr Hartmann!


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  • Ein Stück Kindheit in der Tasche


    Die natürliche Affinität der Schauspieler zur Sprache haben schon Matschke, Meyerhoff, Selge und Berkel durch sehr erfolgreiche Bücher unter Beweis gestellt, nun folgt ihnen auch Jörg Hartmann, einer meiner Lieblingskommissare im Tatort.


    In seiner Autobiografie, in der er die Namen seiner Angehörigen, aber nicht deren Konstellationen verfremdet, bildet der Spagat zwischen Selbstverwirklichung in der "großen weiten Welt" und immer wieder aufflammendem Heimweh den roten Faden. Die Reminiszenzen an seine Kindheit im Ruhrgebiet prägen liebevolle Erinnerungen, hier arbeitet keiner seine frühkindlichen Traumata auf. Den Werdegang als ambitionierter Nachwuchsschauspieler erzählt er anhand von Anekdoten, indem er häufig über sich selbst schmunzeln muss, und hält dabei das weit verbreitete "name dropping" in durchaus erträglichen Grenzen.


    Dass dieser Mime, der den verschlossenen Ermittler so überzeugend darstellt, sich seinen Mitmenschen derart sympathisch zuwendet, hat mich positiv überrascht.


    Nicht alle von ihm geschilderten Episoden haben mich in ihrer Aussagekraft überzeugt, aber wortgewandt verführt er einen immer wieder zum Weiterlesen dieses unterhaltsamen Einblicks in eine Künstlerseele.

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  • Jörg Hartmann gibt Einblick in sein Leben. Er erzählt ausführlich von seiner Beziehung zu seinen Eltern, von der Demenz des Vaters und der Stärke der Mutter und von seinen Anfängen als Schauspieler.


    Ich muss gestehen, der Name sagte mir nichts, ich lese aber prinzipiell sehr gerne Biographien, egal ob von Berühmtheiten oder Unbekannten. Ich mag einfach Geschichten mit realem Bezug - so hat mich auch diese, besonders als Wahl-Ruhrpottlerin, interessiert und vom Dortmund-Tatort wusste ich immerhin, dass es ihn gibt.


    Der Erzählstil ist sehr unterhaltsam, die Andekdoten sind oft sehr witzig, besonders wenn sie von irgendwelchen Vorsprechen handeln. Der Ton wird aber auch ernst, wenn es um den Zustand des Vaters geht oder wehmütig bei der Erinnerung an die Kindheit und Jugend. Hartmann springt zwischen den Zeiten hin und her und auch zwischen den Themen. Mal geht es um seinen Weg als Schauspieler, dann um die Familie. Während des Lesens beschleicht mich das Gefühl, dass Begebenheiten fast schon wahllos aneinander gereiht sind und der rote Faden immer wieder droht verlorenzugehen.


    "Der Lärm des Lebens" erzählt viel Privates und lässt auch vieles aus - zum Glück, denn ich mag es nicht, wenn jemand zu viel von sich preisgibt, um sich positiv zu präsentieren. Jörg Hartmann findet eine angenehme Mischung und vermittelt den Eindruck, dass er ein sympathischer Mensch ist.