Yandé Seck - Weisse Wolken

  • Kurzmeinung

    easymarkt3
    Konfrontation mit familiären Wurzeln
  • Inhalt:

    Zwei Schwestern: Die eine arbeitet sich an sämtlichem Unrecht unserer Gegenwart ab, die andere am bürgerlichen Familienideal; für die eine ist ihr Schwarzsein eine politische Kategorie, für die andere ihr Muttersein. Klug, erhellend und mit hintergründigem Witz erzählt Yandé Seck in ihrem Debütroman von den Ambivalenzen, die wir im Kleinen wie im Großen aushalten müssen.

    Dieo lebt mit ihrem Mann Simon und drei Söhnen in einer schönen Altbauwohnung im Frankfurter Nordend. Sie leidet unter den unerfüllbaren Ansprüchen der Gesellschaft an sie als Mutter, vor allem aber ist es die ständige Kritik ihrer jüngeren Schwester Zazie an allem und jedem, die an ihren Nerven zerrt. Auch Simon, ein mittelalter weißer Mann und Angestellter in einem Finanz-Start-up, gerät immer wieder ins Visier seiner Schwägerin, die zunehmend an der rassistischen und sexistischen Gesellschaft verzweifelt.

    Als der Vater der Schwestern, ein eigensinniger Nietzschefan, der vor mehr als vierzig Jahren aus dem Senegal nach Deutschland kam, unerwartet stirbt, gerät das mühsam kalibrierte Familiengefüge aus dem Gleichgewicht. Für die Beerdigung reisen die Schwestern in das Land ihres Vaters. Der Abschied wird für die beiden zu einem Neuanfang – in vielerlei Hinsicht.



    Rezension: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Keine Höhen und Tiefen, stockender Lesefluss


    Dieses Buch wollte ich unbedingt lesen. Die Kurzbeschreibung hat mich fasziniert. Leider konnte mich „Weisse Wolken“ nicht begeistern. Die Erzählung ging plätschernd dahin. Jedes Kapitel wird aus Sicht einer anderen Person geschildert, also abwechselnd aus den drei Hauptprotagonisten.

    Yandé Seck verwendet immer Wieder Fachbegriffe, die ich leider nicht kenne, sodass mir ein Glossar in diesem Buch wirklich hilfreich erscheinen würde. Mich persönlich hat auch das Gendern am angenehmen Lesefluss gehindert. Immer wieder ein Sternchen, da bleiben meine Augen jedesmal hängen. Es ist ja recht und schön, wenn das jemand will, aber in einem Buch brauche ich das nicht. Schon klar, es ist eine Ausdrucksform gerade für Zazie, dennoch empfinde ich den Text dadurch noch schwerer lesbar.

    Die Figuren selbst bleiben mir ebenfalls zu flach. Ich finde keinen Zugang zu einer der drei Personen. Auch kann ich nicht jede Handlung oder Aussage von Zazie, zum Beispiel, nachempfinden. Sie will gegen Rassismus angehen, äußert sich selbst immer wieder abwertend gegen die Weißen. Das passt für mich nicht zusammen.

    Den Titel habe ich mir irgendwie anders hergeleitet. Die Erklärung hier im Buch hat so irgendwie nicht viel mit der ganzen Problematik zu tun. Für mich muss ich festhalten, dass mich dieses Buch nicht überzeugen konnte.


    2024 - bis Ende März :study: : 22

    2023 - 100 gelesene Bücher :applause:

    2022 - 84 gelesene Bücher

    2021 - 88 gelesene Bücher

    2020 - 64 gelesene Bücher

    2019 - 65 gelesene Bücher

    2018 - 61 gelesene Bücher


  • Die Autorin

    Yandé Seck wurde 1986 in Heidelberg geboren und wuchs dort und in Frankfurt am Main auf, wo sie heute mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt. Sie arbeitet als Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche, lehrt außerdem an der Uni Frankfurt und promoviert zu Mutterschaft, Migration und Psychoanalyse. »Weiße Wolken« ist ihr erster Roman.


    Inhalt
    Dieo Rosenbaum, Tochter einer deutschen Psychotherapeutin und eines Senegalesen, hat ihrer Mutter nachgeeifert und arbeitet parallel zur eigenen Lehranalyse als angestellte Therapeutin für Kinder und Jugendliche. Das Angebot einer Praxisgemeinschaft eröffnet ihr aktuell den Schritt in die Selbstständigkeit mit eigenen Praxisräumen. Privat lebt sie gemeinsam mit drei Kindern und Simon, den ein Job im Bereich „Assets &Coins“ an die Push-Nachrichten seines sehr jungen und sehr hippen Chefs kettet. Von ihrer jüngeren Schwester Zazie trennen Dieo nur 7 Jahre; die aktuell mit ihrer senegalesischen Seite befasste, höchst kritische Zazie scheint jedoch einer völlig anderen Generation anzugehören. Zazie arbeitet noch als Sozialpädagogin in einem Jugendzentrum, hat jedoch gerade ein Masterstudium abgeschlossen. Beide Töchter konnten bisher offenbar die Ansprüche ihrer Mutter an die Karrieren ihres Nachwuchses nicht erfüllen. Als Mutter Ulrike kurz vor dem Rentenalter endlich wagt, die Weihnachtspläne ihrer eigenen Mutter zu boykottieren, konfrontiert das die Töchter mit ihrer hochbetagten schlesischen Großmutter, die zugleich Uralt-Linke wie Antifeministin zu sein scheint.


    Da ich über Roman-Figuren stets sofort so viel wie möglich erfahren will, war ich an diesem Punkt des Romans höchst unzufrieden, weil ich weder erfahren hatte, welche persönlichen und beruflichen Motive Zazie für ihr Masterstudium hatte, noch wer Dios Freundin Winta ist und was beide Frauen verbindet. Dass der wechselnde Focus des Romans sich neben Dieo und Zazie auch auf Simon Rosenbaum richtet, konnte zum Glück meine Neugier wecken, welche Rolle dem Vater dreier Söhne zwischen 4 und 15 zugedacht war. Dieo hatte beobachtet, dass das psychologische Modell „abwesender Vater“ offenbar längst von der Realität eingeholt ist. Ihre Eltern bereits hatten – abwesend für ihre Kinder - Ikonen gehuldigt (Freud/Nietzsche); am Beispiel ihrer jugendlichen Klienten erlebt sie gerade eine Generation depressiver, „toter“ Mütter. Als Papis, der Vater der Schwestern, überraschend auftaucht, kommt es zu einer Reise „zu den Wurzeln“ in den Senegal - und mehr als einer überraschenden Wende im Leben der Schwestern.


    Hauptfiguren in Yandé Secks Roman eines afrodeutschen Familienclans sind drei Therapeutinnen/Pädagoginnen mit unterschiedlichen Berufswegen; die Autorin hat spürbar Erfahrung im Milieu, das sie beschreibt. In der unmittelbaren Gegenwart (nach Pandemie und Ausbruch des Ukrainekriegs) geht es neben hippen Lebensumständen, woken Sprechblasen u. a. um Schwesternschaft, Mutterschaft, unerwartete Vaterqualitäten, Rassismus und Misogynie im Beruf, sowie Freud und Leid einer senegalesischen Großfamilie. Besonders erheitern konnte mich Dieos Sprachästhetik als ironische Spiegelung des Markennamen-Droppings, Infodumpings und Erklär-Bär-Getues, das mich zu Anfang des Romans die Augen verdrehen ließ.


    Fazit
    Insgesamt ein berührender, humorvoller Roman um gegensätzliche afrodeutsche Schwestern, ihren Clan - und hinreißende Nebenfiguren.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :study: -- Landsteiner - Sorry, not sorry

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • zu Beginn stark - 3 Sterne


    Worum geht es?

    Um zwei sehr unterschiedliche Schwestern, die mit Rassismus, Erwartungen und Familie konfrontiert werden.


    Worum geht es wirklich?

    Herkunft, das eigene Leben und Weiterentwicklung.


    Lesenswert?

    Ja, auch wenn ich es im Verlauf schlechter werdend fand. Der erste Teil hat mich absolut begeistert und ich habe das Buch echt geliebt, fand die Figuren super spannend.

    Mir hat der Schreibstil gut gefallen und die wechselnden Perspektiven, aus denen erzählt wird. Die beiden Schwestern Dieo und Zazie sind sehr unterschiedlich und gehen auch mit ihrer Herkunft ganz anders um. Während Zazie eher progressiv und neumodisch unterwegs ist, ist Dieo Mutter und lebt ein konservativeres Leben. Gerade Zazie fand ich dabei richtig toll, sympathisch und konnte ihre Emotionen gegenüber Sexismus und Rassismus so gut nachvollziehen.

    Der Klappentext nimmt leider schon zu viel von der Handlung vornweg, denn eine Änderung der Umstände erfolgt erst recht spät im Buch.

    Ich verstehe nicht ganz, warum Simon als dritter Erzähler neben den beiden Schwestern einen Platz erhält, denn auch ohne seinen Blickwinkel hätte diese Geschichte gut erzählt werden können. Die Sicht der beiden Frauen fand ich wesentlich spannender, interessanter und aussagekräftiger.

    Dadurch, dass ich Zazie zu Beginn so sympathisch fand und gerade die unangepasste Art mochte und dass sie sich nicht nur den Normen wegen auf etwas einlässt, kam mir dann der spätere Verlauf der Geschichte sehr widersprüchlich vor. Ich hätte mich gefreut, wenn die Autorin ihre Figur in ihrer Art belässt und es nicht um Wandel und Veränderung hin zur Norm geht.

    Gut erzählt waren die Situationen, denen die beiden Schwestern ausgesetzt sind, weil sie mixed sind und ebenfalls die schöne neutrale Wortwahl, derer sich die Autorin bei allem bedient.

    Ich habe das Buch gerne gelesen, der Anfang hat aber eine sehr große Erwartungshaltung bei mir erzeugt, die im Verlauf nicht gehalten werden konnte. Trotzdem eine gelungene Lektüre.

  • Wichtige Themen, aber für mich kein rundes Buch


    Ich hatte von anderen Rezensionen und der Inhaltsangabe große Erwartungen an den Roman, die konnten aber leider nicht erfüllt werden, obwohl ich das wirklich gern gewollt hätte.


    Es geht in „Weiße Wolken“ um die Schwestern Zazie und Dieo, beide Schwarz, aber darüber hinaus sehr verschieden in ihren Lebensstilen. Während die ältere Schwester Dieo bereits drei Kinder hat, mit Simon verheiratet ist und eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin macht, hat Zazie gerade ihr Studium beendet, ist zögerlich beim Eingehen einer romantischen Paarbeziehung und plant eine akademische Karriere mit aktivistischen Elementen. Sie ist es auch, die besonders viel Wut in sich trägt, welche sich z. B. im Kontakt mit ihrem sexistischen Vorgesetzten in einem Jugendzentrum zeigt, doch ebenso auch in ihrem Privatleben. Sowohl das spießbürgerliche Leben ihrer älteren Schwester als auch deren Mann Simon, welcher als mittelalter weißer Mann in der Techbranche arbeitet und damit im Kern einer Kapitalismuskritik steht, sorgen immer wieder für Reibungspunkte mit Zazie.


    Ich habe mich ziemlich durch die Handlung gekämpft. Wandelnde Perspektiven mag ich eigentlich sehr gern, aber hier kam aus mir bis zum letzten Viertel unklaren Gründen auch noch Simon als dritte Perspektive dazu, obwohl es doch primär um die Schwester gehen sollte. Gleichzeitig spielen in den drei Perspektiven dann aber auch noch weitere Charaktere eine größere Rolle und trotzdem (oder genau deshalb) bekam ich die einzelnen Figuren charakterlich einfach nicht zu greifen. Ich habe kein wirklich gutes Gefühl für ihre Probleme oder Beziehungen zueinander bekommen, weil alles so fragmentarisch war. Im letzten Viertel kam es dann erst zu dem im Klappentext erwähnten Todesfall und ab da war die Handlung auch stringenter für mich. Damit habe ich dann auch endlich ein konkreteres Bild der drei Protagonist*innen bekommen.


    Das Ende kam mir eindeutig zu sehr gewollt. So schön ich es an sich auch finde, der Sinneswandel Zazies war für mich bei aller Vorgeschichte überhaupt nicht nachvollziehbar und auch die am Ende geschilderten Beziehungen zwischen allen Figuren haben für mein Empfinden nicht zur Handlung davor gepasst. Da war mir ein viel zu großer Bruch drin und in Kombination mit dem fragmentarischen Aufbau der Figuren, der teils akademischen Sprache und den vielen Charakteren ist der Roman einfach nichts für mich. Vielleicht war das Ziel gerade, die Figuren nicht so klar zu zeichnen, um sie in ihrer Komplexität abzubilden. Dafür wäre für mich aber eine mitreißende Handlung notwendig, um trotzdem dran zu bleiben, und das war hier leider nicht durchgängig der Fall.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: