Elizabeth Maguire - Fenimore

  • Elizabeth Maguire schreibt in Romanform über die Bekanntschaft zwischen Constance Fenimore Woolson, Großnichte von Fenimore Cooper, und Henry James. Sie lässt - ich benutze mal den Buchtitel - Fenimore - in der Ichform erzählen.

    Von ihrem Großonkel hat sie die Weisheit,


    "...man muß die Leser stets im ungewissen über das lassen, was als nächstes passiert. Die Menschen geben es nicht gerne zu, aber was sie in Wirklichkeit wissen wollen, ist, wie es ausgeht - am Schluß." (S. 27)


    39 Jahre alt ist Fenimore, als ihre Mutter stirbt und sie sich nun endlich auf die Reise nach Europa machen kann. Seit zwanzig Jahren schon schrieb sie Geschichten und Skizzen, verdiente also ihr eigenes Geld. Sie galt als erster "weiblicher Regionalautor". (S. 31)

    Doch sie hatte sich noch um eine Schwester und Nichte zu kümmern. Und ihre Reise konnte sie nur machen, wenn sie die beiden mitnahm. Und fahren muss sie, will sie doch unbedingt Henry James kennenlernen.


    Fenimore genoss die Überfahrt nach England. Den beiden anderen Frauen erging es da schlechter. Sie wurden seekrank. In London stellte Fenimore ihre Bedürfnisse hintan. Doch dann platzte ihr der Kragen:


    "Achtet ihr mich so wenig, daß ich über meine Zeit und meine Gesellschaft nicht einmal so wie ein sechzehnjähriges Mädchen in den Ferien bestimmen darf?" (S. 41)


    Ihr Wunsch, endlich Henry James zu treffen, erfüllte sich noch nicht. Sie erfuhr, dass er sich in Paris aufhielt, und so beschloss sie, nach Frankreich aufzubrechen. Doch dort verfehlte sie ihn, er war mittlerweile in Italien. Und er hatte absolut keine Lust oder Zeit, sich mit einer zweitklassigen Schreiberin zu treffen. Doch dann sollte es doch endlich klappen:


    "In den nächsten Wochen machte Henry James mich zu seiner Aufgabe. An seiner Seite besichtigte ich viele herrliche Bilder. Er wollte, daß ich die Dinge so sah wie er. Darin war er wie die meisten Männer. Aber in anderen Dingen war er vollkommen anders - eine Quelle, von der ich am liebsten ewig getrunken hätte. Ich wünschte mir, so zu denken und zu fühlen wie der Künstler in ihm." (S. 48)


    Die Freundschaft zwischen den beiden war wohl nicht ganz problemlos.


    "Ich lief vor Harry fort. Und seinetwegen ließ ich King zurück, ohne zu wissen, wann ich ihn je wiedersehen würde und ob überhaupt. Plötzlich fühlte sich die Freundschaft mit Harry, um die ich mich so bemüht hatte, wie ein Joch an. Die Heftigkeit, mit der ich es am liebsten abgeschüttelt hätte, überraschte mich." (S. 98)


    Er sah es nicht gerne, dass sie sich mit anderen Männern traf und legte ihr brieflich nahe, sich von ihnen zu trennen.


    Fenimore hatte Probleme mit den Ohren. Das artete in Abständen zu starken Kopfschmerzen aus. Bevor sie an einen Spezialisten geriet, der sich tatsächlich um ihre Ohren kümmerte, hatte sie schon viele Ärzte konsultiert, die tatsächlich von ihr verlangten, sich nackt auszuziehen, damit sie ihren Bauch abklopfen konnten, um die hysterischen Wurzeln ihres Problems herauszufinden.


    Auf dem Hügel von Bellosguardo in Florenz fand Fenimore ein Haus für sich. Es war noch gar nicht richtig fertig, da quartierte sich Henry James schon bei ihr ein. Als sie eines Tages von einem Spaziergang zurückkam, sah sie Henry auf der Terrasse, wie er sich vom Sohn des Koches "verwöhnen" ließ. Als sie ihn später darauf ansprach, gerieten sie in Streit und am nächsten Morgen war er weg.


    Henry James neidete ihr ihren Erfolg. In der Zeitschrift "Harper's" tat er so, als bewundere er ihr Werk, doch "ließ der Meister es in Wirklichkeit aber nur klein erscheinen, heimatverhaftet und - was am schlimmsten war - weiblich. [...] Denn Zeile um Zeile hatte er das hinterlistige Porträt nicht nur eines Werks, sondern auch seiner Schöpferin entworfen." (S. 145/146)


    Es war eine eigenartige Freundschaft. Fenimore hatte Henry gegenüber ihre Geheimnisse. So erzählte sie nichts über die Männer, mit denen sie sich traf oder über ihren Gesundheitszustand. Sie wusste, dass das Themen waren, die ihm unangenehm waren, andererseits nahm sie ihm so die Möglichkeit, sich als wahrer Freund zu erweisen. Aber nein, hier war sie egoistisch, weil sie weiterhin mit ihm zusammensein wollte.

    Ein Arzt, der sich anscheinend nicht weiter mit ihrer Krankheit befassen wollte, verschrieb ihr Laudanum. Dr. Baldwin, der Arzt, der sich als einziger für ihre Krankheit interessierte und ihr helfen wollte, half ihr, von der Droge wieder runterzukommen.

    Bei ihrem Ohrproblem konnte ihr anscheinend niemand helfen. Selbst die Spezialisten, die ihr Dr. Baldwin empfahl, entpuppten sich als unwillig, ihr tatsächlich zu helfen: "Die Begeisterung, mit der Ärzte einer fünfzigjährigen Frau Betäubungsmittel verschreiben, erstaunt mich immer noch. Ich glaube, sie würden alles tun, um uns zum Schweigen zu bringen. Unsere tatsächlichen Probleme langweilen sie offenbar zutiefst." (S. 230/231)


    Und dann eröffnete ihr ein Arzt, dass ihre Ohrenschmerzen von einem Tumor her stammen und er sich wundere, dass sie immer noch lebt.


    Bis zur letzten Seite ist mir Henry James nicht mehr sympathisch geworden.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)