Julia Kelly - Weil du meine Tochter bist /The Lost English Girl

  • Kurzmeinung

    claudi-1963
    Interessante Thematik beginnt gut, flacht dann leider ab, um am Ende viel zu schnell und oberflächlich abzuschließen.
  • "Wenn sie ihre Tochter nicht sehen konnte, würde sie diesen Krieg nicht überleben." (Buchauszug)

    Liverpool 1935:

    Beim Tanzen lernt die junge Viv Byrne, den Musiker Joshua Levinson kennen. Schnell kommen sich die beiden näher und als Viv bemerkt, dass sie schwanger ist, heiraten sie. Doch Vivs streng katholischem Elternhaus ist die Beziehung ein Dorn im Auge. Besonders ihre kaltherzige Mutter sorgt dafür, dass Joshua nach der Hochzeit verschwindet. Allein zurückgeblieben muss Viv nach der Geburt ihrer Tochter Maggie noch immer bei den Eltern leben. Als 1940 erlassen wird, dass Eltern ihre Kinder aus der Stadt in die Dörfer evakuieren sollen, fällt dies Viv sehr schwer. Soll sie wirklich zustimmen, ihre geliebte kleine Maggie wildfremden Menschen anzuvertrauen? Mit der festen Überzeugung, dass der Krieg schnell vorbei ist, gibt sie ihre Tochter zu Familie Thompson in Obhut. Der Schock kommt, als sie erfährt, dass von Maggie nach einem Bombenangriff jede Spur fehlt. Doch kann das sein, dass ihre geliebte Maggie nicht mehr lebt?

    Meine Meinung:

    Unsere Geschichte beginnt mit der Hochzeit von Viv und Joshua und der Feststellung, das er sie zwar heiraten wird, ihm jedoch seine Karriere als Musiker wichtiger ist als Familie und Kind. Wer dabei jedoch nicht unschuldig ist, das ist Vivs kaltherzige Mutter. Denn der passt eine Ehe mit einem Juden ganz und gar nicht. Mit viel Geld bestechen sie Joshua, damit dieser seinen Traum in Amerika ausleben kann. Zum Entsetzen Vivs und seiner Eltern nimmt er das Geld und verschwindet. Für mich war dieses Erlebnis nichts Neues, besonders in strenggläubigen katholischen Familien sind zu dieser Zeit Mischehen eine Sünde. Doch das man deshalb sogar den Schwiegersohn besticht, fand ich dann wirklich dreist und schockierend. Ich hätte nicht gedacht, dass selbst die Juden in England solche Schwierigkeiten haben. Ebenso überrascht bin ich von der Evakuierung der Kinder aus den Städten, die man extra aufs Land geschickt hat. Dies ist für eine Mutter sicher eine extrem schwierige Entscheidung, sich von der 4-jährigen Tochter zu trennen. Besonders wenn man nicht weiß, wie lange sie dortbleiben muss und ob sie ihr Kind zwischenzeitlich sehen darf. Hier zeigt die Autorin sehr gut, in welchem Zwiespalt sich die damaligen Mütter befanden. Es wird ein Kampf zwischen Liebe und Vernunft, wobei die Vernunft dann doch siegt, weil sie Angst um ihr Kind hat. Ebenso gut zeigt sie uns die Probleme zwischen den einzelnen Religionen, die selbst vor England nicht haltmachen. Zwar ist es nicht so schlimm wie im Nazideutschland, doch Konflikte gibt es auch dort. Joshuas Eltern dagegen sind das krasse Gegenteil, sie nehmen Viv an wie eine Tochter und unterstützen sie, wo sie können. Besonders nachdem Maggie weg ist und Viv Hilfe benötigt, weil sie von zu Hause auszieht. In wechselnden Handlungssträngen bekomme ich Einblick in das Leben von Viv, Maggie, so wie von Joshua in Amerika und als britischer Soldat bei der Royal Air Force. Ich erlebe eine emotionale Achterbahn zwischen Liebe, Ängsten, Zwiespalt, Trauer und Hoffnung und dazu interessante Charaktere. Was so ausführlich, gut und emotional beginnt, flacht zusehends gegen Ende viel zu schnell und extrem ab. Mitunter kommt mir besonders die 4-jährige Maggie zu verständnisvoll und erwachsen vor. Doch gerade das letzte Drittel, welches der Autorin so wichtig scheint und ihr am Herzen liegt, wird hier viel zu kurz abgehandelt. Verschwunden sind die Emotionen, ich erlebe nichts vom Zwiespalt der Kinder. Kein Trennungsschmerz, wenn sie ihre Pflegeeltern wieder verlassen müssen. Zwar wird dies alles im Nachwort beschrieben, doch in der Geschichte selbst bekommt es kaum mehr einen Raum. Meiner Ansicht nach hätte die Autorin lieber bei anderen Szenen abkürzen sollen. So jedoch kann ich dem Buch nur 4 von 5 Sterne geben. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :thumleft:

  • Die Liebe einer Mutter ist unendlich


    Ein mitreißender und ergreifender Roman über Schutzmaßnahmen für Kindern im England des Zweiten Weltkriegs, die mir bisher noch nicht bekannt waren. Bekannt war mir die Evakuierung von deutschen Kindern in andere Länder, um sie vor den Gefahren des Krieges zu schützen bzw. ihr Leben zu retten. Dass es solche Maßnahmen auch in England gab, war für mich völliges Neuland.


    Die in einem streng katholischen Elternhaus aufgewachsene knapp 18jährige Viv wird bereits nach wenigen Treffen mit ihrem ersten Freund ungewollt schwanger. Der sich daraus zur damaligen Zeit und gesellschaftlichen erforderlichen Heirat mit dem Vater des Kindes können sich weder Viv noch Joshua entziehen. Doch Joshua stellt in den Augen der alle und alles dominierenden Mutter von Viv auf Grund seiner jüdischen keinen passenden Schwiegersohn dar. Wohlwissend um den Traum des jungen musikalisch sehr talentierten Joshua, nach Amerika zu gehen, reicht der von ihr angebotene Geldbetrag gepaart mit sehr deutlichen Worten aus, dass Joshua dieses Angebot annimmt. Viv bleibt eher "geduldet" mit ihrer kleinen Tochter bei ihren Eltern wohnen, bis sie dem Druck von Familie, Kirche und Nachbarschaft nicht mehr standhält, und sich im Rahmen eines Evakuierungsprogramms von ihrer Tochter trennt. Ihre Hoffnung, dass ihre kleine Tochter Maggie in Sicherheit lebt, wird durch eine Bombe, der auch des Hauses der Pflegeeltern zum Opfer fällt, zerstört.


    Die Autorin vermittelt auf eine sehr empathische Weise die Entwicklung der jungen und sich unterordnenden Viv zu einer starken und selbstbewussten jungen Frau, die den Kampf um Selbstbestimmung und Unabhängigkeit aufnimmt und der es gelingt, sich aus den Zwängen von Familie und Gesellschaft zu lösen, ihr Leben frei und unabhängig zu gestalten.


    Das gleiche gilt für den von seinem musikalischen Talent vollkommen überzeugten Joshua, den – auch im fernen Amerika – bruchstückhafte Informationen nicht nur über die aktuellen Kriegsereignisse, sondern auch die zunehmende Lebensgefahr für Menschen jüdischer Abstammung erreichen. Seine gedankliche Auseinandersetzung zu diesen Themen und sein Entschluss, sich als Soldat dem zu stellen – auch hier eine überzeugende und nachvollziehende Darstellung.


    Und dass es neben der überaus gelungenen Darstellung einer äußerst unsympathischen Mutter, deren ganze Liebe, Fürsorge und auch Angst sich nur um die älteste Tochter Kate und deren Familie dreht, stellen die Eltern und die Schwester von Joshua das genaue Gegenteil dar. Offen für jeden, ohne Ansehen von Herkunft oder Religion, liebevoll und fürsorglich nehmen sie Viv in ihre Familie auf und vermitteln ihr eine herzliche Wärme und Anteilnahme, die mich teilweise zu Tränen rührte. Ganz besonders beim Ausüben der mehrtägigen jüdischen Trauerzeremonie für verstorbene Familienmitglieder. Ohne ihre Enkeltochter Maggie lebend gekannt zu haben, wird sie auf diese Weise als Familienmitglied geehrt und wertgeschätzt.


    Sehr geschickt gelingt es der Autorin, einen kleinen Hinweis auf einen möglichen Aufenthaltsort der vermeintlich verstorbenen Maggie in den Handlungsverlauf aufzunehmen und es beginnt ein sehr spannender Romanverlauf, bei dem auch Joshua eine nicht unbedeutende Rolle zufällt.


    Das für mich zunächst etwas überraschende Ende, stellt jedoch einen überzeugenden Abschluss dar. Setzt es doch einen nachvollziehbaren Schlussstrich unter die Entwicklung, die Viv und Joshua durchlebt haben und die bei beiden zu Veränderungen in der Lebenseinstellung führten.