Jaro Zohar - Berge des Winters: Flammende Zeichen

  • Kurzmeinung

    Amalia Zeichnerin
    starker Debütroman - epische, düstere High Fantasy
  • Klappentext:

    Ein Fürst, dessen Reich zersplittert ist.

    Eine Magierin, die ihre Macht nicht kennt.

    Eine Bedrohung, der sie nur gemeinsam begegnen können.


    Über dem Gebirge ziehen düstere Wolken auf. Elija soll einen erbarmungslosen Feind aufhalten, der alle Menschen bedroht. Elijas Weg führt ihn in die Wirren eines uralten Konflikts, der die drei Sippen der Berge entzweit hat. Visionen leiten ihn, doch sein eigener Vater stellt sich ihm in den Weg.

    Chenka hat alles verloren. Eine mysteriöse Lehrmeisterin nimmt sie auf, doch ihre Beweggründe sind ungewiss. Chenka kann sich nur behaupten, wenn sie lernt, ihre Fähigkeiten zu beherrschen. Doch diese Magie ist mächtig und unkontrollierbar.

    Die Sippen müssen sich vereinen, um der herannahenden Gefahr zu trotzen. Doch Misstrauen und Hass erschweren die Zusammenarbeit. Während Elija verzweifelt versucht, die Pruzzen, eine stolze Kriegergemeinschaft, zu überzeugen, zeigt sich Chenkas wahres Potenzial im Kampf gegen den Feind.

    In einem epischen Finale offenbart sich die eigentliche Bedrohung.

    Wird Chenka die unheimlichen Glyphen meistern?

    Wird es Elija gelingen, sein Volk zu vereinen?

    Können Chenka und Elija den Dreiklang des Schicksals - Glaube, Magie und Stahl - meistern?


    Rezension:



    Vorab möchte ich gern sagen, bei diesem Debütroman hatte ich gleich von Anfang an den Eindruck, dass dieser Autor
    ein großes Talent fürs Erzählen besitzt, mit einer schönen Bandbreite, was den Stil, die Figurenentwicklung, den Weltenbau und
    noch mehr betrifft. Mich hat diese Geschichte direkt gepackt, ich fühlte mich bereits auf den ersten Seiten direkt in die Handlung
    gezogen.


    Der Aufbau

    Der Roman wird größtenteils in der Gegenwartsform erzählt, manche Rückblenden in der Vergangenheitsform. Die vier perspektivtragenden Figuren, die abwechselnd eigene Kapitel erhalten, sind der Bergschmied Ignati, das junge Mädchen Chenka, die magische Fähigkeiten hat, Elija, ein Prinz aus der Sippe der Dovrac, der auch ein Priester und Anführer ist, sowie Anuscha, eine Jägerin und Waldläuferin.


    Jedes Kapitel wird eingeleitet mit einem kurzen Text aus dem Kalevala (finnisches Epos auf Basis der finnischen Mythologie). Das fand ich persönlich etwas irritierend, da es sich hier letztendlich um historische Texte aus unserer realen Welt handelt. Der Autor hätte sich stattdessen eigene Verse überlegen können, die in seiner Fantasywelt angesiedelt ist. Aber das ist vermutlich eine Geschmacksfrage.


    Der Weltenbau

    Der Weltenbau in diesem Roman ist gut durchdacht, mit vielen interessanten Details, z.B. der Religion und Ahnenverehrung, gefährlichen Monstern, verschiedenen miteinander verfeindeten Stämmen – die Pruzzen und die Dovrac – und noch so einiges mehr. Gleichzeitig ist der Weltenbau so geschickt in die Handlung oder auch die Gedanken der Figuren eingebunden, dass es keine größeren, störenden »Infodumps« gibt.


    Die Figuren und ihre Entwicklung

    Ignati, Elija, Chenka und Anuscha sind sehr unterschiedliche Figuren, die durch harte Ereignisse und Schicksalsschläge, aber auch durch Positives, verschiedene Entwicklungen durchmachen. Mit Anuscha wurde ich nicht warm (mehr dazu weiter unten). Mit den anderen Hauptfiguren konnte ich dagegen sehr mitfiebern, da ich sie zum einen sympathisch fand, zum anderen konnte ich ihre Gedanken,
    Motivationen und Gefühle besser nachvollziehen als die von Anuscha.


    Der Spannungsbogen

    Spannend wird es schon früh in dieser Geschichte, denn es gibt allerhand Gefahren, mit denen sich die verschiedenen Charaktere konfrontiert sind, bis hin zur Lebensgefahr. Und diese Spannung nimmt immer weiter zu im Verlauf des Romans, auch wenn es hin und wieder (notwendige) »Verschnaufpausen« gibt. Finde ich sehr gelungen.


    Meine Kritikpunkte:


    Ein Detail fand ich etwas unglaubwürdig. Es zieht sich durch die Handlung, dass verschiedene Figuren etwas bei anderen spüren, obwohl sie deren Gedanken nicht lesen können und auch sonst keine übernatürlichen Fähigkeiten haben, die dieses Erspüren erklären würden. Sie könnten höchstens aus Beobachtungen heraus erahnen oder vermuten, was in der anderen Figur vor sich geht. In anderen Fällen erspürt eine Figur mehrmals etwas in einer bestimmten Gegend, ohne dass jemals klar wird, woher sie dieses Gespür hat.


    An einigen Stellen gibt es unnötige Wiederholungen in den Beschreibungen, zum Beispiel werden immer wieder die Augenfarben der Hauptfiguren beschrieben.


    Hier und da wird die personale Erzählperspektive durch einen Wechsel zu den Gedanken anderer Personen unterbrochen.


    Eine der Figuren, Anuscha, ist eine Art Tierwandlerin und wird als »starker Frauencharakter« dargestellt, wirkte aber auch mich teilweise wie eine kalte Kampfmaschine. Oder anders ausgedrückt: Eine Person mit mehreren Eigenschaften, die als typisch männlich gelten. Nicht mal, als ihr Gewalt angetan wird, zeigt sie so etwas wie Verletzlichkeit, auch nicht insgeheim, und das fand ich ein bisschen unglaubwürdig. Immerhin gibt es später eine Szene, in der sie dann doch Angst empfindet, das fand ich passender. Leider wird mehrfach aus Sicht anderer Figuren geschildert, wie andersartig und tierhaft Anuscha wirke. Das fand ich ungünstig, zumal sie sowieso schon eine Außenseiterrolle einnimmt, wie auch in einem Rückblick deutlich wird.


    An einigen Stellen hätte ich mir vorab Inhaltswarnungen gewünscht. Am Ende dieser Rezension schreibe ich daher welche.


    Weiteres:


    Der Autor hat mir gegenüber erwähnt, er sei unter anderem inspiriert worden von George RR Martins »Ein Lied von Feuer und Eis«, hat aber natürlich in seinem Roman eine andere Geschichte, andere Figuren und Themen. Da ich weder Martins Buchreihe noch die Verfilmung »Game of Thrones« kenne, kann ich hier keinen Vergleich ziehen.


    Mein Fazit:

    Wer epische und düstere High Fantasy mit Magie, vielen blutigen Kämpfen, übernatürlichen Kreaturen und einem sehr gut ausgearbeiteten Weltenbau mag, sollte sich dieses Buch auf jeden Fall näher anschauen.


    Es folgen Inhaltswarnungen. Wer diese nicht lesen möchte, bitte ignorieren.

    sehr viel blutige, explizit geschilderte Gewalt, Tod, Blut, viele Kampfhandlungen, Body
    Horror (Verwandlung), Vergewaltigung

  • “Berge des Winters - Flammende Zeichen” ist das Erstlingswerk von Jaro Zohar und der Auftakt zu einer epischen Reise in die von Grossmutter Winter erträumte Welt der Bojaren. Ein alter Feind regt sich und bedroht die Heimat der drei entfremdeten Sippen. Doch um ihn zurückzuschlagen, bedarf es vereinter Kräfte. Und des geeinten Wissens um die gemeinsamen Legenden. Und um zu retten, was ihnen am Herzen liegt, müssen Elija, Chenka, Anuscha und Ignati erst ihre ganz eigenen Wege gehen - und jeder den persönlichen Preis dafür bezahlen.


    Obwohl die Rahmenhandlung und damit die Ereignisse von aussen, also vom Feind, angestossen und oft von diesem gelenkt sind, ist “Berge des Winters” für mich ein zutiefst charaktergetriebenes Werk. Die vier Perspektivfiguren sind detail- und facettenreich ausgearbeitet und dargestellt. Persönlichkeiten, Motive, Entscheidungen und Handlungen greifen kongruent ineinander und erwecken bei mir das Bild authentischer und eben menschlicher Figuren. Ich habe den Eindruck, dass ich während der Geschichte tief in die Gedanken- und Gefühlwelt aller Perspektivfiguren abgetaucht bin und sie auf eine sehr persönliche Art und Weise kennenlernen durfte.


    Und weil diese Auseinandersetzung der Figuren mit sich selbst und den Umständen in ihrer ganzen Komplexität zugänglich gemacht wird, dauert es eben seine Zeit, bis der Eindruck entsteht, dass die PortagonistInnen allmählich Kontrolle über die Ereignisse erlangen. Dies mag stellenweise zu etwas zähen Momenten führen, wenn man auf rasantes Pacing aus ist. Dafür wird man mit Geheimnissen entschädigt, die in vielerlei Gestalt - als Mythen und Legenden, Visionen und Träumen - in den Plot verwoben sind und zum Mitdenken und Spekulieren einladen.


    Das Mitleiden und -Denken lohnt sich dann schlussendlich auch. Während die verschiedenen Haupt- und Nebencharaktere allmählich zueinanderfinden, fallen die einzelnen Puzzlestücke an ihren Platz und enthüllen das gut durchdachte Gesamtbild. Die Perspektiven ergänzen sich, verleihen den jeweils anderen noch mehr Tiefe und Eindringlichkeit. Die Dynamik der Geschichte verändert sich, die Handlung nimmt rasant Fahrt auf. Der Autor belohnt das Publikum mit geschickt eingefädelten und gut vorbereiteten Plottwist und Enthüllungen und einem überzeugenden Zusammenspiel der aufgebauten Perspektiven. Einzig die Beschreibungen von Gewalt und Kampfhandlungen - die Bilder des Leidens - sind für mich in ihrer Ausführlichkeit etwas grenzwertig dargestellt.


    Eingebettet sind Handlung und Charaktere in ein imposantes Berglandsetting und eine interessante Sippenkultur. Die allgegenwärtige Magie der Ahnen, die diese Welt durchdringt, zeigt sich auf unterschiedliche - teils subtile, teils offensichtliche - Weise in verschiedenen Formen und Personen. Und bleibt trotz dieser Diversität ein stimmiges Gesamtkonzept. Dadurch entstand bei mir beim Lesen dieses Gefühl, in ein mystisches Zeitalter eingetaucht zu sein, vielleicht sogar die Entstehung einer Legende zu verfolgen. Zu diesem Eindruck trägt auf jeden Fall auch der Schreibstil bei. Zugegeben, etwas gewöhnungsbedürftig war dieser beim Einstieg schon. Die Sprache, die Jaro Zohar für dieses Buch erschafft, ist stilistisch markant und wirkt auf mich äusserst atmosphärisch. Obwohl der Stil altertümlich anmuten mag, wirkt er nicht gekünstelt oder aufgesetzt - und wird vor allem konsequent angewendet.


    “Berge des Winters - Flammende Zeichen” bewegt sich in vielerlei Hinsicht eher abseits des Mainstreams. Das soll dem Buch aber nicht zum Nachteil gereichen. Zohars Debüt überzeugt in meinen Augen mit einem originellen und mystischen Setting, schreibhandwerklichem Geschick und vor allem durch bewegende und berührende Figurenentwicklung. In mir hat es die Lust auf epische Abenteuer entfacht.


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