Rochus Hahn - Eine Vorzeigefamilie

  • Rochus Hahn ist ein deutscher Comic-, Drehbuch- und Romanautor. Mit diesem Buch veröffentlicht er im Gegensatz zu seinen vorherigen Werken ein biographisches Portrait und geht mit seiner Kindheit und seiner Familie ins Gericht. Nach außen hin eine Vorzeigefamilie, der Vater ist studierter Chemiker während die Mutter sich in Vollzeit um die drei Söhne kümmert. Aber der Schein trügt - in der Vorzeigefamilie geht so einiges schief - Diktatur und Schläge für die Söhne sind an der Tagesordnung. Wir verfolgen den Autor über fünf Jahrzehnte - erleben seine erschütternde Kindheit und seinen späteren Umgang mit den Spätfolgen.


    Das Cover ist eindrucksvoll und sehr gut gewählt, auch der Titel und der Klappentext laden zum Lesen ein und haben mich neugierig gemacht. Aber beim Lesen wurde ich dann enttäuscht. Die Seiten des Buches sind relativ eng beschrieben, kurze Kapitel in allerdings recht trockenem Schreibstil. Dadurch war das Buch für mich recht zähflüssig zu lesen. Die Hauptprotagonisten sind Rochus Hahn und sein Vater - allerdings sind sie für mich weitestgehend im Dunkeln geblieben. Trotz der doch recht verschreckenden Ereignisse hat mich die Geschichte nicht wirklich tangiert. Ich kann es nicht wirklich erklären aber mir kam es vor, als wenn der Autor aus Sicht eines Zuschauers erzählt und nicht als jemand, der es selbst erlebt hat. Vielleicht ist er inzwischen so reflektiert, dass er die schrecklichen Dinge der Kindheit wirklich inzwischen verarbeitet und verziehen hat. Was mich aber am meisten gestört hat sind die vielen Rechtschreib- und Ausdrucksfehler (Bsp.: Und ich denke, es hätte es ihm gefallen...S.255) oder (Die nächsten Tage verliefen ohne Komplikationen für den Sterbenden ab... S. 246).


    Mein Fazit: man kann es lesen - muss aber nicht.

    "Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten." Aldous Huxley

  • Nichts für ungut, Jungs


    Durch die Inhaltsangabe auf dem Umschlag war ich gefasst auf Abgründiges, Misshandlung und Gewalt, doch die ersten hundert Seiten erstaunten mich nur ob ihrer gähnenden Banalität. Den Vater hat es während seiner Kindheit und Jugend viel Mühe gekostet, seinen Status im Leben zu erarbeiten. Von seinem Hamsterrad aus gelingt es ihm nicht, ausreichend Empathie für die drei Söhne zu entwickeln, denen aus seiner Sicht alles in den Schoß fallen würde, wenn sie sich ihren Chancen nicht aus einer unverständlichen Trägheit heraus verschlössen. Ab und an eskaliert sein Frust dann in häuslicher Gewalt, die aufgrund ihrer Unberechenbarkeit umso mehr Angst und Schrecken verbreitet.


    Aber an was sich Hahn auch alles erinnert! Meiner Ansicht nach sind die meisten Dinge typisch für die Nachkriegsgeneration, die von den 68er Rebellen als Spießer beschimpft wurde. Vielleicht liegt der Wert des Buchs aber auch gerade im Exemplarischen für die damalige Ödnis.


    Bei all der Kritik am Vater nehme ich beim Sohn ungeniertes Anspruchsdenken wahr: wenn dieser ihm auch das versprochene Auto zum gerade so bestandenen Abi verwehrt, zahlt er ihm aber wenigstens den Führerschein und unterstützt ihn während seines Studium in München sehr großzügig.


    Direkt tragisch erscheint mir das Buhlen um Anerkennung, die der Vater nicht in der Lage ist ihm entgegenzubringen. Mit dem Kapitel über seine Tätigkeit bei RTL dokumentiert der Autor dann seine späteren Erfolge im Leben, doch sie handeln ausführlich von Sendungen, die mich überhaupt nicht interessieren.


    Niemals soll man den Tag vor dem Abend tadeln, und so beginnt der Umschwung meiner Akzeptanz mit der Versöhnungsbereitschaft Hahns. Daraus kann ich direkt eine Botschaft entnehmen - mit zunehmender Reife öffnen wir uns bisherigen Kontrahenten, die uns als Konsequenz daraus auch Schritt für Schritt entgegenkommen.


    Die Erinnerungen an die Mutter mit ihrer bigotten Religiosität stellt einen eigenen Abschnitt dar, meines Erachtens zu wenig verflochten mit dem Rest.


    Das Ganze liest sich flüssig und flott, da spürt man den Routinier, und manche ironischen Wendungen kommen dem Lesespaß zugute.


    Ich denke, Hahn hat mit der Niederschrift dieser Erinnerungen therapeutische Zwecke verfolgt, wie man es schon den vorangestellten Dankesworten entnehmen kann. Das muss aber noch lange kein Grund sein für den Verlag, das zu drucken und zu publizieren, und erst recht nicht für mich, es zu lesen. Es gibt zu viele dieser Ergüsse.

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