Fanny Lewald - Jenny

  • Kurzmeinung

    Maesli
    Ein autobiographisch geprägter Roman (1843), der einer neue Frauenrolle zugedacht ist
  • Jenny ist die Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie und steht kurz vor ihrem siebzehnten Geburtstag. Eigentlich soll sie mit ihrem Cousin Joseph verheiratet werden, doch ihr Herz gehört Gustav, ihrem Hauslehrer und - noch dazu - einem katholischen Pfarrer. Nur eine Konvertierung kann diese Verbindung also möglich machen. Auch Jennys älterer Bruder Eduard hat mit Vorurteilen und offen ausgelebtem Antisemitismus zu kämpfen, der seine Karriere ausbremst und ihn ebenfalls nicht als Ehemann einer Christin in Frage kommen lässt.


    „Jenny“ erschien bereits im Jahr 1843 und wurde nun in der Reihe „Reclams Klassikerinnen“ mit einem Nachwort von Mirna Funk neu aufgelegt. Die Autorin, Fanny Lewald, war selbst eine jüdische Kaufmannstochter und setze sich aktiv für Frauenrechte ein. „Jenny“ ist ihr zweiter Roman und liest sich sehr modern und keinesfalls altbacken. Vermittelt werden die Ereignisse von einem allwissenden Erzähler, der den Überblick behält und schildert, was sich an unterschiedlichen Orten zwischen und in den Figuren selbst abspielt.


    Von Beginn an wird der in der Bevölkerung weit verbreitete Antisemitismus von Fanny Lewald klar benannt und gezeigt. Vor allem Jennys Bruder Eduard, der Arzt ist, bekommt zu spüren, dass er zwar durchaus Dienst an der Gesellschaft leisten darf, wenn es aber um die Leitung einer Klinik oder die Ehe mit einer Christin geht, wird ihm beides verwehrt. Seine Identität als Jude kann und will er dafür aber nicht aufgeben. Jenny hingegen ist für ihre Verlobten Reinhard zwar zur Konvertierung bereit, tut sich aber mit dem neuen Glauben und der Abkehr von allem, womit sie aufgewachsen ist, schwer. Nach und nach spitzen sich die Ereignisse rund um die Familie zu und drohen zu eskalieren.


    „Jenny“ wird als „die jüdischen Buddenbrooks“ vermarktet und das ist durchaus zutreffend. Meiner Meinung nach ist der Roman aber noch so viel mehr, denn er zeigt schonungslos eine Gesellschaft, in der Antisemitismus tief verwurzelt ist und in der gerade junge Frauen die Verliererinnen sind. Ein wunderbarer Roman, der nachdenklich macht und leider wieder nur allzu aktuell ist. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Jenny Meier vs. Effi Briest - Ein Emanzipationsroman

    Die temperamentvolle Jenny Meier ist die geliebte Tochter einer vermögenden jüdischen Kaufmannsfamilie, Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie verliebt sich in ihren Hauslehrer, den angehenden Pfarrer Gustav Reinhard. Die Liebe steht unter keinem guten Stern, die unterschiedlichen Religionen und die allgemeine Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung in der Gesellschaft scheinen die Verbindung der beiden auszuschließen. Jenny kämpft jedoch für ihr Glück und will zum christlichen Glauben konvertieren. Gleichzeitig verliebt sich ihr Bruder Eduard in die Clara, eine Christin. Für Eduard jedoch kommt eine Abkehr von seinem Glauben nicht in Frage, seine ganze Identität fusst auf seiner Religion.


    Im Zentrum des Romans steht die titelgebende Jenny, die wir über einen Zeitraum von ca. zehn Jahren begleiten. An ihrem Schicksal sowie an dem der ihr nahestehenden Personen stellt die Autorin Fanny Lewald die Lebensumstände der wohlhabenden assimilierten jüdischen Bürgerinnen und Bürger im Deutschen Bund kurz vor der Märzrevolution dar. Die Geschwister Meier stehen beide für eine geforderte Verbesserung der Stellung innerhalb der Gesellschaft, einmal für ihre Glaubensrichtung und einmal für die Situation der Frauen. Anhand der unterschiedlichen Liebesbeziehungen werden die beiden Religionen gegenübergestellt. Es wird viel diskutiert, jeder versucht seinen Standpunkt deutlich zu machen. Darüberhinaus finden Jennys Emanzipationsbestrebungen nicht überall Anklang, aber sie bleibt sich treu, will sich nicht verbiegen.

    Der Text liest sich natürlich nicht so geschmeidig, ein "Klassiker" eben und doch finde ich, dass es sich lohnt, einmal wieder in diesen Sprachstil einzutauchen. In einen Roman, in dem viel gesprochen wird, wie z.B. auch gerne bei Fontane, einem Zeitgenossen Lewalds. Erfrischend wirkt, dass die Autorin gelegentlich aus dem Text hervortritt und die Leserschaft direkt anspricht. Im letzten Drittel des Romans bedient sie sich zur Auflockerung einiger Briefe, die besonders geeignet sind, die tiefen Gefühle der Charaktere wiederzugeben.

    Für die wörtliche Rede werden nur in Ausnahmefällen Anführungszeichen verwendet. Das alleine wäre nicht so schlimm, aber in diesem Druck ist der Zeilenabstand bei recht fetter Type sehr gering und das ist für die Augen kein Vergnügen. Die Hardcover-Ausgabe ist äußerlich jedoch sehr schön gestaltet und wird durch ein Lesebändchen abgerundet. Das gefällt mir immer sehr.


    "Jenny" wurde schon mit den Buddenbrooks verglichen, das erscheint mir aber unpassend. Bei den Buddenbrooks, und das sagt schon der Untertitel "Verfall einer Familie", geht es um den finanziellen und gesellschaftlichen Niedergang einer Kaufmannsfamilie über mehrere Generationen. Hier handelt es sich jedoch um einen Frauen- bzw. Emanzipationsroman und um eine Gesellschaftskritik aus jüdischer Sicht.

    Insgesamt eine anspruchsvolle Lektüre, die die Diskrimierung der jüdischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert ungewöhnlich scharf und deutlich herausstellt. Ich habe es so jedenfalls bisher noch nicht in einem Roman gelesen. Außerdem macht die Autorin sich für die Unabhängigkeit der Frauen stark. Mit Jenny Meier hat sie diesem Anliegen eine denkwürdige Figur geschaffen.

    In meiner Leserunde zu diesem Buch wurde angeregt, diesen Roman in Reclams Universal-Bibliothek aufzunehmen, um ihn auch als kostengünstige Schullektüre auf dem Markt anbieten zu können. Dem Wunsch kann ich mich nur anschließen, zumindest wäre damit eine Alternative zu Fontane etc. gegeben, es muss ja nicht in jedem Jahrgang "Effi Briest" sein.

  • In Zentrum der Geschichte, die 1832 beginnt, steht Jenny, zu diesem Zeitpunkt siebzehn Jahre alt, die Tochter der reichen jüdischen Kaufmannsfamilie Meier. Als lebenslustige, gebildete junge Frau verliebt sie sich in den angehenden christlichen Geistlichen Reinhard. Da eine Ehe ist nur möglich, wenn Jenny zum Christentum konvertieren, will sie für ihn diesen großen Schritt gehen.


    Sie könnte einem Manne unter anderen Verhältnissen gewiss viel, sehr viel sein, aber keinem Christen, keinem Geistlichen, der aus innerer Überzeugung seinen Beruf heilig hält.


    Doch schnell merkt sie, dass ihr Herz nicht über ihren Verstand siegen kann. Obwohl diese Zerreisprobe wird sie physisch und psychisch an ihre Grenzen bringt, kann sie die Beziehung nicht retten. Die Verlobung wird gelöst.

    Gezeichnet durch den schweren Schicksalsschlag kämpft Jenny dennoch mutig und selbstbewusst für eine neue gesellschaftliche Rolle der Frau und gegen den Antisemitismus ihrer Zeit, bis sie erkennen muss, das sie zum Scheitern verurteilt ist.


    Meine persönlichen Leseeindrücke

    Ich wusste nicht, dass es in Preußen zur Zeit als der Roman entstand, einen solch ausgeprägten Antisemitismus gab und diese Kenntnis revidiert dann doch mein geschichtliches Verständnis für die Vorgänge, die unter Hitler total ausgeufert sind. Ich fühle mich regelrecht überrumpelt, besonders weil diese Abneigung im Roman so offen dargelegt wird, als wäre es "normal" und die Autorin diesen Antisemitismus immer wieder schockierend klar herausarbeitet.


    Armer Meier, dir hilft ja all dein Lernen nichts, du kannst ja doch nichts werde, weil du nur ein Jude bist.


    Die Hauptromanfigur Jenny ist eine aufgeschlossene und lebenslustige junge Frau. Als verwöhnte Tochter des wohlhabenden und angesehenen jüdischen Kaufmanns Meier wächst sie behütet im Kreise ihrer Familie auf. Sie liebt die Gesellschaft und besticht stets durch ihren kritischen, wachen Verstand und durch ihre Schönheit, deren nicht nur Reinhard verfallen scheint.


    Die Meier ist hübsch und pikant.


    Der junge Mann, der eine Verbindung zu Jenny wünscht, strebt den Beruf eines christlichen Geistlichen an und lebt nach strengen Prinzipien, die er auch von seiner künftigen Frau erwartet.

    Damit eine Ehe möglich wird muss sie als Jüdin zum Christentum konvertieren. Bevor Jenny getauft werden kann, wird sie im christlichen Glauben gelehrt, doch anstatt dass sie sich in der neuen Religion wiederfindet, wachsen in ihr Zweifel, die sie an ihre psychischen und physischen Grenzen bringen. Reinhard scheint davon nichts merken zu wollen. Seine Borniertheit gibt bald Anlass zu größter Besorgnis, denn schnell wird klar, dass Jenny freiliebender Charakter sich schlecht mit Reinhards Dogmen vereinen lässt.


    Er wird eine schlechte Christin aus ihr machen…


    Es kommt, wie es kommen muss: es endet in der ersten Katastrophe des Buches.

    Der Katastrophen gibt es dann bald mehrere, u.a. als Jenny Bruder sich in eine Christin verliebt, er jedoch nicht bereit ist, dafür auf seinen Glauben zu verzichten.

    Mit dem Ende dieses ersten Abschnittes, wenn ich das mal so formulieren kann, endete auch meine große Freude an diesem Buch. Bis dahin fand ich den Roman stellenweise sehr ansprechend und ich mochte den subtilen, feinen Erzählstil der Autorin sehr. Ihre schön gezeichneten Gesellschaftsszenen mit den Gleichzeitig war ich bereit, mich beim Lesen anzustrengen und widmete mich diesem Klassiker, der Konzentration erfordert und es nicht zulässt, schnell durchs Buch zu fliegen, mit großer Aufmerksamkeit.

    Dann jedoch überwog eine arg gefühlsbetonte Erzählweise, gepaart mit ausschweifenden, fast schon pathetischen Szenen. Es mag sein, dass es damals so war, es mag auch der damaligen Literaturmode zuzuschreiben zu sein, oder auch der Romantik, wie auch immer, ich kam damit nicht so gut zurecht. In diesem Zusammenhang verstehe ich auch das Ende des Buches, ein Paukenschlag mit dem ich nicht gerechnet hatte und der für mich auch keinen Sinn machte.


    Fazit

    Jenny ist ein außergewöhnlicher, autobiographisch geprägter Roman der Autorin Fanny Lewald über eine außergewöhnliche Frau in Preußen, die durch Bildung, selbstsicheren Gebrauch von Verstand und einem starken Freiheitsdrang eine neue Frauenrolle darstellt. Und gleichzeitig ist es ein Roman, der die christlich- jüdische Gesellschaft aus weiblicher Sicht betrachtet. Wie es im Nachwort geschrieben steht, ist Jenny ein großes Buch über die Diskrepanz der jüdischen Identität und der christlichen Welt. Aus diesem Grund finde ich den Roman lesenswert.


    Man wundert sich, dass die Juden noch immer die Geburt eines Messias erwarten und die göttliche Sendung Jesu weder anerkennen noch begreifen. Aber von ihrem Standpunkt aus muss das ganz natürlich erscheinen. Wie sollten sie an eine Lehre glauben, deren missverstandene Grundsätze ihnen bis auf den heutigen Tag die blutigsten, widersinnigsten Verfolgungen zugezogen haben? Wie an einen Erlöser, der sie bis jetzt nicht von Schmach und Unterdrückung erlöset hat? Von der Liebe, die Jesu der Menschheit gepredigt hat, haben die Juden bei den Christen seit jener Zeit wenig zu bemerken Gelegenheit gehabt.