Sineb El Masrar - Muslim Girls

  • Zum Inhalt (Booklet):

    Frau wacht nicht morgens auf und fühlt sich als Afghanin, nur weil die Eltern dort geboren sind. Setzen Sie eine Ukrainerin, eine Marokkanerin, eine Deutsche hinter eine Wand, fragen Sie sie, was sie vom Leben erwarten. Sie werden sie nicht unterscheiden können.


    In diesem Buch zum Thema Muslima in Deutschland, erzählt Sineb El Masrar welchen Vorurteilen Frauen aufgrund ihres muslimischen Glaubens und ihrem Migrationshintergrund noch immer ausgesetzt sind. Wie diese Frauen hierzulande aufgewachsen sind und heute ihr Leben erleben, wie sie um Unabhängigkeit kämpfen und wo sie ihren Platz in der Gesellschaft sehen. Ihre Botschaft an die Leser: "Augen auf, wir sind längst angekommen mit all unseren kleinen Absonderlichkeiten und Marotten!"


    Cover:

    Das Cover hat mir nicht so sehr gefallen. Das Cover ist hauptsächlich in lilafarbenen Tönen gehalten und zeigt die Skyline von Berlin sowie einen typischen muslimischen Mond und im Vordergrund drei Mädchen, die dem Betrachter entgegen blicken, wobei eines ein Kopftuch trägt. Das ist auf jeden Fall ansprechend und gibt einen Einblick, worum es sich bei diesem Buch hier handelt, aber leider ist es wirklich nicht mein Geschmack. Ich mag die Farbe nicht.


    Eigener Eindruck:

    Sie leben unter uns. Mädchen mit muslimischen Wurzeln, die ihre Religion mehr oder weniger ausleben. Aber wer sind sie eigentlich und ist wirklich jedes muslimische Mädchen radikalisiert? Müssen sie Kopftuch tragen? Warum sind sie eigentlich hier? Wie passen sie sich an? Wollen sie sich überhaupt anpassen? Was geht in einem Mädchen vor, was aus einer anderen Kultur stammt? Fühlt es sich als „Deutsche“ oder doch eher als „Afghanin“ etc.? Dieses buch gibt einen Einblick und soll die wichtigsten Fragen beantworten, was ein Muslim Girl ausmacht und was es für Deutschland bedeutet.


    Das Buch „Muslim Girls“ beschäftigt sich damit, was ein Muslim Girl ist und was es ausmacht, denn Muslim Girl ist nicht gleich Muslim Girl. Da haben wir Mädchen, die schon in der dritten Genration in Deutschland leben, aber wir haben auch jene, die erst nach Deutschland gekommen sind. Das Buch beleuchtet die Frage, warum sie hier sind, welche Hoffnungen sie haben und was sie erreichen wollen. Es beantwortet Fragen rund um die Religion, ihre Ansichten und wie die Eltern- oder Großelterngeneration auf sie wirken. Es werden Themen wie Ausländerfeindlichkeit und der Wunsch nach Dazugehörigkeit angesprochen. Es beleuchtet Themen wie Schulbildung, Karriere und einfach nur ganz normale Marotten, die ein Muslim Girl an den Tag legen kann. Dabei werden die Thematiken Ernst, aber auch humorvoll betrachtet. Ich persönlich fand den Einblick und die Sicht aus einer anderen Perspektive sehr interessant. Das Buch räumt mit Vorurteilen auf, lässt aber och die eine oder andere Frage offen. Dass natürlich nicht alle Lebensbereiche beleuchtet werden können, das ist mir vollkommen klar und dass dieses Buch nicht als Richtlinie für alle verwendet werden kann, das ist wohl auch klar. Aber doch sind da Dinge, die man so vielleicht noch gern gewusst hätte. Das Buch liest sich übrigens recht angenehm, auch wenn ich permanent das Gefühl hatte, dass die Autorin versucht Ausreden zu finden, warum das eine oder andere so ist. Das soll jetzt nicht verurteilend wirken, aber irgendwie ging es immer so „Das Muslim Girl ist strebsam, weil…“, „Das Muslim-Girl das neu ankommt hat es schwer, weil… das Schulsystem, wenn das Schulsystem anders wäre…“. Sicher ist da auch was dran, aber ich hätte ebne immer das Gefühl, dass die Mädchen empor gehoben werden, besser sind, sie noch mehr verteidigt werden müssen etc. Einige Themen fand ich auch etwas fad beschrieben, sodass ich recht schnell über dem Buch eingeschlafen bin, aber andere Themen wiederum waren so informativ, dass sie bei mir einen richtigen Aha-Effekt heraus gekitzelt haben. Fakt ist, dass das Buch Geschmackssache ist. Nicht jeder wird mit der Art klar kommen, nicht jeder wird die Ansichten teilen wollen. Aber ich persönlich finde, dass es durchaus einen aufklärenden Charakter hat und durchaus gelesen werden sollte!


    Fazit:

    So ein Buch war wahrscheinlich schon längst überfällig, da es wirklich mit Vorurteilen aufräumt und ein völlig neues Bild über die „Einwanderer“ und „Muslim Girls“ schafft. Jedoch konnte es mich aber leider auch nicht wirklich überzeugen. Lesenswert ist es aber allemal.


    Gesamt: 3/5


    Daten:

    ISBN: 9783451814570

    Sprache: Deutsch

    Ausgabe: E-Buch Text

    Umfang: 256 Seiten

    Verlag: Verlag Herder

    Erscheinungsdatum: 14.05.2018

  • Verlagstext

    Sie sind sexy, sie sind selbstbewusst und sie sind muslimisch

    Muslimische Frauen begegnen uns fast überall, und doch wissen wir nur, dass sie unterdrückt, zwangsverheiratet und zwangsverhüllt sind. Stimmt nicht, sagt Sineb El Masrar: »Ich lebe selbstbestimmt, wie viele von uns«.

    Sie sind selbstbewusst, frech und lebensfroh. Tagsüber studieren sie BWL und abends sind sie Privatsekretärinnen ihrer in Behördenfragen oft unbeholfenen Eltern. Du triffst sie auf der Party eines Kommilitonen und sie flirten mit Mehmet, Christoph oder vielleicht auch Enrico. Sie sind Muslima 2.0, und sie sind keine Opfer, sondern eigenwillige Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Mit oder ohne Tuch auf dem Kopf.

    Die marokkanisch-stämmige Autorin Sineb El Masrar erzählt, wie die junge muslimische Frauengeneration hierzulande ihr Leben lebt, was sie beeinflusst, wie sie um Unabhängigkeit kämpft und wo sie ihren Platz in der Gesellschaft sieht. Das Bild der muslimischen Frau in der Öffentlichkeit trifft nicht die Lebenswirklichkeit vieler junger Musliminnen. Sineb El Masrar spricht aus, was viele von ihnen denken: Augen auf, wir sind längst angekommen!


    Die Autorin

    Sineb El Masrar, geb. 1981, als Tochter marokkanischer Einwanderer in Hannover. Sie ist Publizistin und Gründerin des multikulturellen Frauenmagazins »Gazelle«, das sie als Heraus-geberin leitet. Als Teilnehmerin der Arbeitsgruppe »Medien und Integration« saß sie 2006 im Kanzleramt und war von 2010 bis 2013 Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz. Zuletzt erschienen »Emanzipation im Islam« und »Muslim Girls«. Sie lebt als freie Autorin in Berlin.


    Inhalt

    "Wir zeigen gern, was wir können, wenn man uns lässt". Junge muslimische Frauen sind ehrgeizig, modebewusst, sie wollen sich stärker in den Medien und in der Werbung repräsentiert sehen, schreibt Sineb El Masrar, 1981 als Tochter marokkanischer Einwanderer in Deutschland geboren. Muslim Girls pauken für die Schule wie alle anderen Schülerinnen und verbringen einen Teil ihrer Freizeit in Online-Communities. Selbstverständlich gibt es unter muslimischen Mädchen Beauty Girls, It-Girls, Natural Muslim Girls, die pragmatisch Beruf und Familie miteinander verbinden möchten, und ehrgeizige High Potential Muslim Girls. Das Bild vom Leben muslimischer Frauen gründet sich bei Nichtmuslimen währenddessen noch immer auf klischeelastige Filme wie "Nicht ohne meine Tochter" und auf Abbildungen in vermeintlich kritischen Magazinen, die vollständig schwarz verschleierte Frauen in der Ansicht von hinten zeigen. Dass muslimische Frauen nicht den ganzen Tag weinend und unterdrückt zu Hause herumsitzen, will El Masrar mit gezielt gesetzten Nadelstichen verdeutlichen.


    Die Gründerin des multikulturellen Magazins Gazelle stellt klar, dass ein Kopftuch für eine verheiratete muslimische Frau ein angemessenes Kleidungsstück ist, NUR ein Kleidungsstück und deshalb deren persönliche Angelegenheit. Wir erfahren, was genau eine Burka, ein Nijab, Hidschab und Tschador sind, die alle aus der Golfregion stammen. Deutlich wird, dass die als Rechtfertigung für Unterdrückung und Gewalttaten angeführte Angst um den Ruf muslimischer Familien nicht zu den Regeln des Islam gehört.


    Am Beispiel von Algerien schildert El Masrar, wie Vorbehalte gegen Schulsysteme generell entstehen konnten, weil in der Sprache der französischen Kolonialmacht unterrichtet wurde und deshalb viele Kinder Analphabeten in ihrer Muttersprache blieben. Die Zuwanderung hochqualifizierter Akademiker aus dem Iran nach Deutschland (und die erfolgreiche Integration ihrer Kinder) zeigt, dass nicht pauschal alle Muslime als Türken etikettiert werden dürfen, wie ja auch nicht alle Migranten aus den Nahen Osten Muslime sind. "Staatsangehörigkeit heisst, man will an der Gesellschaft teilnehmen, dort wo man sich befindet" stellt El Masri für sich fest und untersucht, warum nur 20% der Muslime in Deutschland sich als Deutsche betrachten. Der deutsche Pass allein genügt dazu offenbar noch nicht.


    Die Biografie der Autorin ist ein Paradebeispiel für den Bildungserfolg junger muslimischer Frauen, der häufig erst auf Umwegen erreicht wird. Sie lobt ihren weltoffenen Vater, stellvertretend für viele ehrenamtliche Hausaufgabenhelfer die Mutter einer Klassenkameradin, die mit beiden Mädchen für die Schule übte, Öffentliche Bibliotheken, die den Wissenshunger ihrer Generation stillten, und nennt ihren eigenen Ehrgeiz, zur Realschule zu gehen, um Französich zu lernen. Sparmaßnahmen zu Lasten der Einrichtungen, die Bildung und Chancengleichheit von Kindern mit Migrationshintergrund fördern, widersprechen der derzeit von Politikern vehement eingeforderten Verpflichtung zur Integration.


    Eine klare Stellungnahme gibt Sineb Al Masrar für Deutsch als gemeinsame Sprache aller in Deutschland lebenden Menschen ab. Öffentliche Mittel sieht sie am Sinnvollsten in die frühkindliche Erziehung investiert, wo alle Kinder davon profitieren können, statt sie direkt den Eltern in die Hand zu geben.


    Mit ansteckendem Humor, teils auch erfrischend respektlos, teilt die Autorin eine Fülle wissenswerter Details aus dem Alltag muslimischer Familien mit. "Unsere Eltern verwiesen uns auf die Gesetze des Islam, doch in Wirklichkeit wussten sie selbst nicht, von was sie sprachen" (Beispiel Sure 24Al-Nur, Vers 30), die die männliche Keuschheit betrifft. Sie nimmt zum Klassenfahrtsverbot für muslimische Mädchen Stellung, lobt muslimische Frauen als Wirtschaftsfaktor (173 000 Betriebe werden in Deutschland von Frauen mit Migrationshintergrund geführt), informiert über Mode, Kosmetik und türkische Web-Communitys. Eine mediale Parallelwelt, die aktuell als Ursache misslungener Integration beklagt wird, sieht El Masrar nicht, da Migranten laut einer aktuellen Befragung mehrere Fernsehsender nutzen, auch deutsche. Unerwartet für mich war, wie hier eine junge Muslimin offen beschreibt, dass es wegen der Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen in muslimischen Familien heftigen Streit geben kann.


    Fazit

    -- El Masrar schreibt ironisch-humorvoll über ein ernstes Thema und scheut sich nicht, Deutschland als eine von Männern dominierte Welt zu zeichnen. Man empfindet großes Verständnis dafür, dass sich junge Frauen aus dieser von ihnen als patriarchalisch empfundenen Gesellschaft heraus nur ungern die eigene "Unterdrückung" vorhalten lassen.

    -- Die Autorin bewirkt bei ihren Lesern eine differenzierte Wahrnehmung junger muslimischer Frauen.

    -- Bildungschancen von Migranten bewertet die Autorin m. A. nach zu optimistisch und stark von ihrer eigenen Biografie beeinflusst. Wer selbst in keiner Parallelgesellschaft lebt, dem fällt es offenbar schwer, sich die Auswirkungen auszumalen, wenn bildungsferne Schichten sich durch Zuzug immer neuer Ehepartner ohne Deutschkenntnisse etablieren. El Masrar selbst war in der zweiten Generation in Deutschland weitgehend integriert. Die PISA-Studie und Erfahrungen von Lehrern zeigen jedoch, dass in einigen Bevölkerungsgruppen Deutschkenntnisse und Schulleistungen in der dritten Generation schlechter sind als die der Eltern der Schüler, die zur 2. Generation gehörten.

    -- Einige der im Prinzip sinnvollen Forderungen klingen nicht konsequent durchdacht. Die geforderten Gesundheitsprogramme für Migranten mithilfe muttersprachlicher Multiplikatoren z. B. gibt es längst, es fehlen nur die muslimischen Mütter, die (mit ihren Kindern gemeinsam) daran teilnehmen.

    -- "Nur" 36 Ehrenmorde an Frauen und 12 an Männern, die im Lauf von 10 Jahren in Deutschland begangen wurden, werden m. A. durch den Vergleich mit deutschen Straftätern verharmlost. Eine Tat wird nicht akzeptabler, weil in anderen Bevölkerungsgruppen ebenfalls Gewalttaten begangen werden.

    -- Einige Behauptungen sind leider noch Wunschvorstellungen. Ein Kopftuch kann kein beliebiges Kleidungsstück sein, wenn wegen seines Nichtvorhandenseins getötet wird.

    Ein Buch, das das Lebensgefühl junger muslimischer Frauen in flotter Sprache vermittelt und das ich trotz der genannten Kritikpunkte mit Gewinn gelesen habe.


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    (16.10.2010)

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    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :study: -- Landsteiner - Sorry, not sorry

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow