Helga Schubert - Der heutige Tag: Ein Stundenbuch der Liebe

  • Kurzmeinung

    drawe
    Ein Buch über die tiefe Verbundenheit zweier Menschen
  • Kurzmeinung

    Marie
    Stellenweise bewegend und einfach liebevoll. Andere Episoden unverständlich und wirr: S. 189-220
  • Inhalt:

    Über 50 Jahre lang lieben sie sich, teilen ihr Leben. Doch nun ist der Mann schwer krank. Seit Jahren palliativ umsorgt, wird sein Radius immer eingeschränkter, der Besuch weniger, die Abhängigkeit größer. Entlang der Stunden eines Tages erzählt Helga Schubert davon, wie man selbst den Verstand und der andere die Würde behält, wie es ist, mit einem todkranken Menschen durch dessen Zwischenwelten zu wandeln. Und davon, wie Liebe zu Erbarmen wird. Die Erzählungen mäandern in der gemeinsamen und der eigenen Vergangenheit, sind von zartem Humor und frei von Pathos.

    Eine rührende Liebeserklärung an den Mann an ihrer Seite und all die kleinen und großen Dinge, die das Leben inmitten der Widrigkeiten des Alters lebenswert machen. (Quelle: Verlag)



    Mein Eindruck:

    Ein Stundenbuch der Liebe, genau das ist es. Schon der Einstieg hatte mich sehr gepackt. Helga Schubert berichtet kurz davon, was alles für ihren pflegebedürftigen Mann gemacht werden muss. Man denkt, wie anstrengend das doch klingt. Und dann kommt dieser unglaubliche Satz: Ich liebe ihn sehr. Da wird man ruhig und mag wissen woher diese tiefe Liebe und Verbundenheit kommt. Diese Liebe, die alles trägt. Und erträgt.


    Helga Schubert erzählt ohne jedwede Beschönigung von der täglichen Pflege ihres schwerkranken und dementen Mannes. Von all den Schwierigkeiten die sie zu bewältigen hat. Man erfährt, warum sie ihn Derden nennt. Es ist der den sie liebt. Aus dieser Quelle schöpft sie die Kraft ihn -trotz aller Schwierigkeiten- weiterhin zu pflegen und so unfassbar viel auf sich zu nehmen.

    In kurzen Rückblicken erzählt sie von ihrem gemeinsamen Leben. Flechtet Anekdoten in ihrer Erzählung ein, von früher und heute. Gedanken über das Leben und den Tod.


    Es bleibt nichts unerwähnt. Keine Schwierigkeit, die eine Pflege mit sich bringt. Denn einfach ist das alles wahrhaftig nicht. Da sind die erwachsenen Kinder, die sich nicht mit in die Pflege einbringen möchten. Jeder hat da nun mal seine Grenzen und die gilt es zu respektieren. Lösungen zu finden, wenn man mal für ein paar Stunden oder ein paar Tage weg muss. Helga Schubert verschweigt auch nicht die dunklen Stunden. Wenn sie verzweifelt oder keine Lösung für ein Problem findet. Man sollte es sich klar machen, auch sie ist nicht die Jüngste. Was sie da auf sich nimmt, ist ein hartes Stück Arbeit.

    Aber es gibt auch die Momente des Glücks und der Ruhe. Der unerwarteten Funde, in einem Einmachglas beispielsweise, die einem neue Blickwinkel bieten können.


    Helga Schubert beschreibt das alles auf ihre ehrliche, feinfühlige und so menschenfreundliche Weise. Sogar ein Hauch von Humor blitzt mal durch die Seiten. Mich hat das alles sehr gepackt und berührt.


    Das Hörbuch wurde von Ruth Reinecke eingelesen. Mich hatte ihre Stimme ausgezeichnet gut durch das Buch getragen.


    Fazit:

    Ein berührendes Buch über die Liebe, die Pflege eines Angehörigen, des Miteinanders, über den Tod und das Leben, ohne jedweden Pathos. Einfach wunderbar erzählt.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Ich habe mir auch das Hörbuch angehört.


    Helga Schubert wählt für ihr Buch den Untertitel „Stundenbuch“ und erinnert damit an die liturgischen Stundenbücher des Christentums, die dem Laien Gebete rund um die Uhr, meist beginnend ab Mitternacht, anbieten. Der Untertitel „Stundenbuch der Liebe“ wird dem Leser schnell klar: Die Ich-Erzählerin dient ihrem schwer kranken Mann rund um die Uhr, und das aus Liebe.

    Man kann wohl davon ausgehen, dass Ich-Erzählerin und Autorin in diesem Buch identisch sind. Sie beginnt mit dem Morgen und verschont ihre Leser nicht mit den Pflege-Handgriffen, die jeden Morgen zu erledigen sind. Sie verschont ihre Leser grundsätzlich nicht: wir erfahren harte Details ihrer Rund-um-die-Uhr-Pflege, die sie trotz ihres eigenen hohen Alters – 83 Jahre alt und selber nicht gesund - auf sich nimmt.


    Sie lernt, dass sie keine Dankbarkeit erwarten kann, z. B. in Form von Unterstützung bei der Pflege, und umgekehrt erlebt sie auch uneigennützige Hilfen, die sie nicht erwartet hatte. Sie erzählt auch vom Rat, ihrem Mann mit einer höheren Dosis Morphium aus dem Leben zu helfen, weil sein Leben doch nicht mehr lebenswert sei. Sie selber sieht durchaus die Vorteile, die sie von seinem Tod hätte: nicht nur das Ende einer Dauersorge, sondern auch der Rückzug in die Großstadt, Teilnahme an Sitzungen des PEN-Clubs, Lesungen in entfernteren Städten etc.


    Und der Leser fragt sich, was es ist, dass sie die Pflege ihres Mannes auf sich nimmt. Diese Frage beantwortet die Autorin mit vielen Rückblenden in das gemeinsame Leben, angefangen vom ersten Kontakt an der Universität bis zum Umzug aufs mecklenburgische Land. Diese Rückblenden lassen manchmal den Zusammenhang vermissen und wären überflüssig. Viele sind aber von Verzicht geprägt (z. B. dem Verzicht auf die Ausreise in den Westen), und sie zeigen die tiefe Verbundenheit dieser beiden Menschen.


    Und so wird dem Leser klar, wie sehr es Helga Schubert schmerzen muss, dass ihr Mann sich nun alleine aufmacht in eine andere Welt. Und sie erkennt ihre neue Lebensaufgabe: das Annehmen dieses Weggangs und das Loslassen. Dabei hilft ihr das Schreiben, sagt sie: „Ich rette mich durch Schreiben.“


    Sie begleitet ihn, und sie ist dankbar für die kleinen gemeinsamen Freuden, die ihnen bleiben: der Vogelgesang, die Sonnenstrahlen im Garten und vor allem die Freude an jedem kleinen gemeinsamen Moment.


    Ruth Reinecke, die das Hörbuch eingelesen hat, spricht sehr deutlich, eher langsam und sehr prononciert, ihre Stimme habe ich als hart, fast hölzern empfunden. Mir hätte eine wärmere und flexiblere Stimme besser gefallen. Geschmackssache.


    Der unerwarteten Funde, in einem Einmachglas beispielsweise, die einem neue Blickwinkel bieten können.

    Ich nehme an, dass Du die Sache mit dem Quittengelee meinst? Das war für mich die beeindruckendste Stelle im Buch, da habe ich etwas in mein Leben übernommen!


    Für mich :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich nehme an, dass Du die Sache mit dem Quittengelee meinst?

    Genau, die meinte ich. Das war mit eine beeindruckende Stelle gewesen, die ich auch in mein Leben übernommen habe.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • eine beeindruckende Stelle gewesen, die ich auch in mein Leben übernommen habe.

    Wobei ich mir natürlich wünsche, dass sich unsere Kinder verantwortlicher zeigen.

    Es ist schon bitter, wenn sie einen so alleine lassen!

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Das ist ein wirklich schwieriges und sehr umfangreiches Thema, dass du ansprichst drawe Die Pflege, die Helga Schubert da leistet ist nicht für jeden machbar. Da kommt man als Mensch schon an seine Grenzen und muss sich gut überlegen was man leisten kann und was nicht. Eine derartige Pflege scheint mir sehr intensiv zu sein. Der Mensch wächst zwar an seine Aufgaben, aber muss gut darauf achten seine Grenzen nicht zu überschreiten. Wenn es wenigstens leichter wäre fachliche Hilfe zu bekommen. Das war ja grauselig was Helga Schubert da beschrieb.


    Da ist es überhaupt auch mal gut, wenn man sich schon vorab in der Familie abspricht. Bei uns ist es der Fall. Das erleichtert einiges. Ich hoffe natürlich im stillen, dass der schlimmste Fall niemals eintreffen möge, aber wer hört schon auf solche Wünsche :( Und dann muss man schauen was man umsetzen und leisten kann.


    Was ich allerdings nicht nachvollziehen konnte war, warum die Kinder noch nicht mal für ein paar Stunden ihrem Vater Gesellschaft leisten können, damit Helga Schubert wenigstens zu einer Beerdigung oder gar Lesung hätte fahren können. Dieser Punkt wurde sehr ausgespart. Vielleicht gab es Streitigkeiten im Vorfeld? Habe ich da was überhört?

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Da kommt man als Mensch schon an seine Grenzen und muss sich gut überlegen was man leisten kann und was nicht.

    Genau das habe ich mir auch überlegt ... Es gibt verschiedene Arten von Demenz, und Helga Schuberts Mann ist offenbar nicht aggressiv, das macht es leichter. Trotzdem: Tag und Nacht, jede Stunde in Verantwortung...

    Was ich allerdings nicht nachvollziehen konnte war, warum die Kinder noch nicht mal für ein paar Stunden ihrem Vater Gesellschaft leisten können, damit Helga Schubert wenigstens zu einer Beerdigung oder gar Lesung hätte fahren können. Dieser Punkt wurde sehr ausgespart. Vielleicht gab es Streitigkeiten im Vorfeld? Habe ich da was überhört?

    Sie thematisiert es durchaus und berichtet auch von den ablehnenden Begründungen der Kinder und ihrem eigenen Hader mit der Ablehnung. Sie und "Derden" haben sich um die Kinder gekümmert, sie haben alle eine Zeitlang bei ihnen gewohnt, es gab gemeinsame Urlaube, und auch das Verhältnis zur Mutter der Kinder (seiner Ex-Frau) war offensichtlichtlich freundschaftlich. Keine Streitigkeiten, gemeinsame Weihnachntsfeiern etc.

    Sie, H. Sch. , ist der Auffassung, dass die Kinder nun ein bisschen "zurückzahlen" könnten, aber die betrachten das voll und ganz als ihre Ehefrau-Aufgabe (sie ist 83!). Und da kommt das mit dem Quittengelee: keine Dankbarkeit erwarten.

    Trotzdem: es ist das Eine, Dankbarkeit zu erwarten. Aber nicht zu helfen, wenn man in dieser Situation um Hilfe gebeten wird - das ist eine andere Sache, und zwar eine üble.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Danke für deine ausführliche Antwort drawe Also doch nichts überhört. Nein, da hätte man wirklich mal ein paar Stunden Zeit erübrigen können um zu helfen.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • drawe Magst du noch deine Sternchen-Bewertung eintragen? :winken:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024