Johannes Zenker - ... und plötzlich Pilger

  • Kurzmeinung

    Aleshanee
    Offen und ehrlicher Bericht über eine gewagte Pilgerreise
  • Ich hoffe, ich hab es in die richtige Kategorie eingeordnet ...


    Klappentext


    Einsame Buchten, endlose Strände und eine traumhafte Steilküste - der Camino del Norte im Norden Spaniens ist einer von zahlreichen Jakobswegen, die nach Santiago de Compostela führen.

    Johannes Zenker hat sich 2019 ziemlich blauäugig und ohne jede Wandererfahrung auf diese 830 km lange Reise begeben. Im Gepäck hat er die großen Fragen: Er möchte herausfinden, was er wirklich im Leben braucht. Und was ihn langfristig zufrieden macht. Also tauscht er die Bequemlichkeit seiner gewohnten All-inclusive-Urlaube gegen den rauen Pilgeralltag ein und findet unterwegs die Antworten, nach denen er gesucht hat - und sogar noch einige mehr. Eine unglaublich amüsant geschriebene, mitreißende Reise voller verrückter, kurioser Erlebnisse und überraschender Erkenntnisse, bei der alles, was man zum Leben braucht, in einen Rucksack passt.


    Meine Meinung


    Das Buch hat mich direkt neugierig gemacht - zum einen, weil ich selber gerne mal so eine "Rucksack-Wanderung" machen möchte, und zum anderen, da im Klappentext steht, dass sich Johannes Zenker "bläuäugig und ohne jede Wandererfahrung" dieser Herausforderung stellt. Das hätte ich mich nicht getraut, da ich vor so einer Unternehmung echt Respekt habe.


    Es geht dann auch sehr schnell los und gleich auf den ersten Seiten erfolgt nach der Ankunft der langen Busreise die Ernüchterung. Denn so leicht, wie man sich das vorstellt, ist es natürlich nicht. Gerade wenn man wenig Ausdauer hat stelle ich mir das ganze enorm anstrengend vor, und auch frustrierend. Ich denke, ich würde da definitiv vorher ein paar Monate regelmäßig lange Spaziergänge machen, um mich darauf vorzubereiten.

    Allerdings bemerkt der Autor auch im Laufe der Wanderung, dass es besser wird. Die anfängliche Kilometerzahl steigert sich pro Tag und trotz ausgelatschter Schuhe kommt er gut voran.


    Johannes Zenker schreibt sehr offen und ehrlich. Die Zweifel an der ganzen Mission, die immer wieder aufkommen - vor allem, als er ins schlechte Wetter gerät und für Dauerregen nicht so wirklich ausgerüstet ist. Umso imponierender, wie er weiterkämpft und sich nicht unterkriegen lässt und die Zeit letztendlich auch richtig genießen kann.

    Die Landschaft wird sehr schön beschrieben und auch die Herbergen / Klöster, in denen man als Pilger einkehren kann. Manchmal sehr herzlich begrüßt, manchmal aber auch abgefertigt, aber immer mit anderen Menschen zusammen in einem Raum, teils auf alten fleckigen Matratzen ... das muss man schon abhaben können.

    Auch die Wäsche mal nicht waschen zu können oder mit nur halb getrocketen Klamotten weiter zu marschieren, klingt nicht gerade motivierend ...solcher Details sollte man sich vorher bewusst sein.

    Allerdings wiegt die Erfahrungen, die man macht, diese Strapazen auf. Denke ich. Und kommt auch von Johannes Zenker so rüber, der mit jedem Hinternis weiter über sich hinauswächst.


    Die Menschen die man trifft, sind überwiegend freundlich und hilfsbereit - und nehmen jeden so an, wie er ist. Natürlich gibts Ausnahmen, die gibt es ja immer, aber intensive Gespräche bei so einer außergewöhnlichen Erfahrung sind sicher extrem anregend und können viel zum Nachdenken anregen. Und natürlich für andere Denkweisen öffnen.

    Dieser Punkt war mir allerdings zu wenig. Es gab zwar immer wieder kleine Anekdoten, Gedankenspiele und Ausschnitte aus Gesprächen, aber grade zu der Frage, oder den Zweifeln, die den Autor umgetrieben und schließlich zu dieser Reise animiert haben, waren mir etwas dürftig. Dass man nicht alles öffentlich in einem Buch mit anderen Menschen davon teilen möchte ist mir klar, aber erhofft hätte ich mir doch etwas mehr Einblicke. Im Epilog geht er darauf zwar nochmal ein:


    Und wie ist es um den Sinn des Lebens bestellt? Ich fürchte, dass die Lösung dieser Frage sehr davon abhängt, ob es einen Schöpfer gibt oder nicht.

    Zitat Seite 249


    Diese Sichtweise ist mir zum Beispiel zu einengend. Warum hängt es von dieser Frage ab? Ich hab darüber natürlich auch schon nachgedacht und mit einem Schöpfer oder ohne gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Auch die beiden Möglichkeiten nach dem Tod: Paradies oder das Nichts - auch hier gibts noch die verschiedensten anderen Szenarien. Da sind der Phantasie an sich ja keine Grenzen gesetzt :) Das ist für mich auch einer der Punkte die für so eine Wanderung sprechen: um mich von all dem belastenden Alltagsdingen freizuschaufeln und eine zeitlang nur mit mir und meinen Gedanken beschäftigt zu sein.


    Ein sehr guter Punkt war (ich weiß nicht mehr, ob es Johannes Zenker oder ein Mitpilger war) dass man auf diesem Weg irgendwann mal alle Probleme so lange gewälzt und alle Möglichkeiten durchdacht hat, dass man an einem Ende angekommen ist. Und das wiederum enthält die Chance, auf Null zu gehen und neu anzufangen. Wie und mit was auch immer.


    Eine Frage, die auch aufkam, war, ob man den Weg lieber alleine geht, von Anfang an, oder mit einem Partner. Ich muss gestehen, dass ich tatsächlich lieber eine Begleitung hätte. Die Sprachbarriere alleine wäre für mich schon abschreckend. Spanisch kann ich nicht und mein englisch ist leider auch sehr dürftig ... da wäre ich froh um jemanden, der mich unterstützt.

    Natürlich trifft man andere und kann sich anschließen, aber man merkt an den Beschreibungen hier, dass viele auch Pausen brauchen oder einfach ein unterschiedliches Tempo angehen - und grade auch die Zeit alleine genießen. Was aber nicht heißt, dass auch mal 1-2 Tage zusammen gewandert wird und man viel Spaß dabei hat :)


    Übrigens gibts auch ein paar tolle farbige Fotos, die den Eindruck der tollen Landschaft großartig widerspiegeln!


    Mein Fazit: 4 Sterne


    Weltenwanderer

  • Johannes Zenker hat mich von der ersten Seite an mit seiner Erzählung gefesselt. Ganz besonders wollte ich wissen, ob er es tatsächlich auf seinen Turnschuhen die 800 km durch die Berge schafft. Ich war da ganz auf Julias Seite. Hat er es geschafft? Das müsst ihr selbst lesen!


    Johannes erzählt sehr lebendig von seinen Begegnungen mit den verschiedenen Menschen, aber auch von der Landschaft und von dem, wie es in seinem Inneren aussieht. Er ist irgendwie auf der Suche nach Gott, denn auch wenn er nicht an ihn glaubt, so weiß er, dass es ihn gibt. Klingt wirr? Ist es vermutlich auch. Ich konnte Johannes Gedanken zu diesem Thema aber ganz gut nachvollziehen.


    Was habe ich aus diesem Buch noch gelernt? Das ist nichts für mich! Ich bin selbst vor einigen Jahren allein den Harzer-Hexen-Stieg gegangen und auch dieser Weg hat mir viel über mich beigebracht und mich persönlich gestärkt. Gegen das, was Johannes erlebt hat, ist das allerdings gar nichts. Der Camino fordert einen körperlich wirklich extrem. Immer mal wieder spukte mir tatsächlich auch im Kopf herum, ob man ihn mal gehen sollte. Aber ehrlich gesagt, ich glaube, mir würde das zu viel werden. Das fand ich sehr angenehme, dass Johannes nicht so tut, als wäre er die 800 km leicht und locker gelaufen. Er nimmt uns mit zu den schmerzenden Knien und der sengenden Sonne, die ihm auf den Kopf brennt.


    Ich kann gar nicht so eine sehr lange Rezension schreiben. Dieses Buch muss man wirklich selbst lesen. Sei es, weil man sich für den Camino interessiert oder für einen Menschen, der definitiv über sich hinaus wächst und seine körperlichen Grenzen mindestens ausreizt, das eine oder andere Mal aber auch sicher übersteigt. Der Schreibstil ist total eingängig, spannend und flüssig, so dass man an Johannes Reise einfach nur dran bleibt. Die rund 250 Seiten lesen sich wie im Flug.


    Ganz besonders berührt haben mich seine Erfahrungen mit den Menschen auf dem Camino. Man begegnet völlig unterschiedlichen Typen von Menschen. Tolle und weniger tollen Herbergen und Herbergseltern und guten und weniger guten Gesprächen. Allerdings bringen, so hatte ich das Gefühl, Johannes alle Gespräche weiter. Sei es, weil man einfach Spaß zusammen hat, weil man tolle Menschen und ihre Geschichten kennenlernt, aber auch obwohl man Menschen kennenlernt, die vielleicht ein kleines bisschen merkwürdig sind. Jeder wird so genommen, wie er oder sie ist.


    Von mir gibt es gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)