Klappentext/Verlagstext
Montreal, heute: Am Tag vor Weihnachten wird Judith Harper, eine renommierte Psychologin, auf grausame Weise umgebracht. Zur gleichen Zeit verschwindet Nathan Lawson, ein angesehener Anwalt, nachdem er in Panik Dokumente auf einem Friedhof vergraben hat. Wenig später stürzt sich ein Obdachloser von einem Wolkenkratzer. Im Mantel des Obdachlosen: die Brieftaschen von Harper und Lawson. Als Sergent-Détective Victor Lessard, der selbst ein Getriebener ist, gemeinsam mit seiner Partnerin Jacinthe Taillon die Ermittlungen aufnimmt, wird den beiden eine verstörende Aufnahme zugespielt, auf der die Stimme von Lee Harvey Oswald zu hören ist, dem Mann, der einst J. F. Kennedy erschoss und der jetzt aus dem Grab zu ihnen spricht. Lessard und Taillon stehen vor einem Fall, der sie in die dunkelsten Abgründe sowohl der menschlichen Seele als auch der amerikanischen Geschichte führ
Der Autor
Martin Michaud wurde in Québec geboren und ist Musiker, Schriftsteller und Drehbuchautor. Er war zwanzig Jahre lang als Wirtschaftsanwalt tätig, bevor er sich 2012 ganz dem Schreiben widmete. Seine Romane haben in Québec und Europa eine breite Leserschaft gewonnen und wurden mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. (Quelle VLB via Lovelybooks)
Die Serie
1. Il ne faut pas parler dans l'ascenseur (2010)
2. La Corale du Diable (2011)
3. Aus dem Schatten des Vergessens (2020)
angekündigt:
4. Durch die Tore des Todes (2021)
5. In die Fluten der Dunkelheit (2021)
Inhalt
Im vorweihnachtlichen Montreal wird die pensionierte Professorin für Psychiatrie Judith Harper in einer Lagerhalle auf perfide Art ermordet. Wenig später veranlasst eine Nachricht mit einer verräterischen Zeichnung den ebenfalls schon betagten Anwalt Nathan Lawson dazu, hastig eine Akte aus dem Archiv holen zu lassen und sofort unterzutauchen. Als sich ein Obdachloser von einem Hochhaus stürzt und die Brieftaschen der beiden Todesopfer zurücklässt, sucht das Team von Victor Lessard bei der Montrealer Kriminalpolizei natürlich nach einem Zusammenhang. Die beiden Opfer, beide über 70 Jahre alt, sind auf bestialische Art mit einem antiken Folterinstrument zu Tode gekommen. Der obdachlose André Lortie war eine Generation zuvor Opfer der sog. Drehtürpsychiatrie geworden. Er wurde immer wieder in die Psychiatrie eingewiesen, dort „behandelt“, setzte seine Medikamente irgendwann ab, um daraufhin wieder aufgegriffen und eingewiesen zu werden. Die Frage liegt nahe, welche Botschaft die ungewöhnlichen Taten vermitteln sollen und ob der bemitleidenswerte Lortie nur ein Werkzeug eines perfiden Täters sein könnte. Spannung entsteht einerseits durch raffiniert ausgelegte Spuren und Beweismittel, die Krimileser natürlich auch auf falsche Fährten führen können, und die Frage, ob die Taten bei Victor Lessard eine Triggerwirkung zeigen könnten, die ihn dienstunfähig machen würde.
Michauds dritter Band einer Serie von bisher 5 Titeln spielt, mit zahlreichen Handlungsfäden und Rückblenden, zum großen Teil im Montreal der Gegenwart. Die Ermittler stoßen auf Bezüge zu Ereignissen der 60er und 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts (Im November 1963 wurde der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy ermordet, 1995 fand ein zweites Referendum zur Unabhängigkeit der Provinz Québec statt). Ein zeitlich lange Zeit schwer einzuordnender Handlungsfaden erzählt von zwei Kindern, von denen eins geistig behindert gewesen sein muss. Interesse an den historischen Ereignissen kann das Vergnügen an einer komplexen wie originellen Handlung deshalb erheblich steigern. Victor Lessard (als bereits einige Jahre trockener Alkoholiker und offensichtlich mit noch unbearbeiteten traumatischen Erlebnissen im Beruf) verkörpert den Typ des ausgebrannten, problembeladenen Ermittlers, den die Ermittlungen persönlich treffen und wieder aus der Bahn werfen könnten. Lessards erwachsener Sohn Martin, der schon immer ein schwieriges Kind war, erleichtert das Sorgenpaket seines Vaters nicht gerade, doch fehlt dem Ermittler gerade die Ruhe, sich mit Martin intensiver zu befassen. Einziger Lichtblick im Privatleben scheint Victors innige Beziehung zu seiner Kollegin Nadja zu sein, an die er nach schweren Zeiten noch immer nicht zu glauben wagt. In Lessards Team versammeln sich einige skurrile Gestalten und Michauds Leser können sich darüber hinaus auf weitere liebevoll gezeichnete Nebenfiguren freuen. Mehr als ein traumatisierter, beladener Ermittler, verschiedene Süchte im Team, die Quoten-Lesbe, die Figur eines begabten jungen Kollegen, dem mehr Beachtung zustehen würde, Schnee und Eis als Helfer und Widersacher, sowie ein pikanter historischer Hintergrund sind bewährte Krimi-Zutaten, die nicht neu sind. Preiswürdig bei Michaud finde ich allerdings, wie sorgfältig er im Laufe der Ermittlungen das Spezialwissen in die Köpfe seiner Ermittler leitet, ohne das ihre Vermutungen nicht denkbar wären. Die Auflösung der Zusammenhänge schließlich war für mich so originell wie überraschend.
Fazit
Ein exzellenter Krimi. Ärgerlich finde ich die - anfängliche - Vermarktung des Buches mit ungeschicktem Klappentext und falscher Bandzählung, die manche Leser lieber zum Original greifen lassen wird. Obwohl der Plot absolut logisch und konsequent zu Ende geführt wird, habe ich mich ab und zu doch gefragt, ob ich aus den beiden ersten Bänden mehr über Victor Lessard wissen sollte.