Matias Faldbakken - Wir sind fünf / Vi er fem

  • Matias Faldbakken - Wir sind fünf

    (Heyne Hardcore)


    - Ton weint nicht beim Zwiebeln schneiden -


    In dem kleinen verschlafenen Örtchen Råset, unweit von Norwegens Hauptstadt Oslo lebt Familie Blystad. Tormod Blystad, der Herr des Hauses, ist eigentlich ein feiner Kerl. Er ist groß, kräftig, handwerklich begabt, zuverlässig und eher introvertiert. Tormod liebt seine Frau Siv, sowie die beiden gemeinsamen Kinder Alf und Helene. Er scheut die Arbeit nicht und hat das Haus, in dem sie gemeinsam leben, mit seinen eigenen Händen aufgebaut. Doch Tormod war nicht immer so. Wenn er es damals in der Studienzeit mit seinem Kumpel Espen krachen ließ, veränderte sich der Hüne immer wieder zum Negativen. Die Divergenzen zwischen dem freundlichen, fleißigen Tormod und dem höhnisch grinsenden, gemeinen Trunkenbold der er werden konnte, wurden für sein Umfeld, wie auch letztlich für Tormod selbst immer extremer und unerträglicher. Seine extrovertierten Ausschweifungen gipfelten im stetig steigenden Konsum von Amphetaminen. Durch die Einnahme der Droge wurde Tormod zum einen zwar zu einer Art Genie im Bereich Informatik, Elektronik und Kinetik, das Speed ließ ihn auf der anderen Seite aber auch unkontrolliert, aggressiv und regelrecht irre werden. Weil er durch das Rauschmittel dauergeil wurde, vögelte er ständig mit seiner damaligen Freundin Siv. Bei ihr kam er runter und zur Ruhe. Doch anschließend wollte Tormod immer mehr von dem Zeug. Er verkackte sein Diplom, geriet in Streit mit seinem Vater und letztlich in einen Mahlstrom aus noch mehr Speed und Alkohol. Doch irgendwann zog Siv die Reißleine. Mit ihrer Unterstützung und Hilfe riss sich Tormod am Riemen und entsagte schließlich den Drogen. Auf Wiedergutmachung aus, schuftete er fortan doppelt so viel, ging seinem Vater auf dessen Baustellen zur Hand, baute das Haus für Siv und sich und heiratet sie ein wenig später. Dann kamen Alf und fünf Jahre später Helene zur Welt. Die beiden Kinder wollten jedoch unbedingt noch ein Geschwisterchen und auch Tormod war bezüglich eines fünften Familienmitglieds nicht ganz abgeneigt. Siv schloss dies jedoch kategorisch aus. Sie wollte nicht noch ein drittes Mal dieses Inferno einer Schwangerschaft durchleben müssen. Also wurde mit der Norwegischen Elchhündin Snusken ersatzweise ein Familienhund angeschafft. Nun waren alle zufrieden und die Blystads endlich zu fünft!


    "Wir sind fünf" ist ein nüchtern erzählter, merkwürdiger, bisweilen gar grotesk anmutender Unterhaltungsroman. Der 1973 in Hobro in Dänemark geborene und heute in Oslo lebende Schriftsteller und bildende Künstler Matias Faldbakken beschreibt in seiner, 2019 unter dem Originaltitel "Vi er fem" erschienenen Erzählung, das biedere, ja fast schon belanglose familiäre Zusammenleben der Kleinstadtfamilie Blystad. Lediglich die Eskapaden des heranwachsenden Tormods zu Beginn der Geschichte fallen dabei ein wenig aus dem Rahmen. Dem 256 Seiten umfassenden, saft- und kraftlosen Storyboard wohnt eine gedrückte, melancholische Stimmung inne, die wenig Spannung bietet. Es gibt aber auch wirklich nicht allzu viele Höhen und Tiefen im ereignislosen Leben der Blystads. Eine dieser Tiefen ist dem plötzlichen Verschwinden von Snusken geschuldet. Fortan lässt sich die Familie gehen und droht beinahe daran auseinanderzubrechen. Um der aufkommenden, negativen Dynamik entgegenzuwirken, entschließt sich Tormod mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und gemeinsam mit ihnen in seiner Werkstatt Figuren aus Ton zu formen, die sie anschließend in einem Ofen brennen. Als Tormod Blystad jedoch irgendwann damit beginnt, roten Ton mit Zutaten wie Dünger, Backpulver und Metallspänen miteinander zu vermischen, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Denn was daraus erwächst, hätten sich Tormod Blystad und seine ganze Familie selbst in ihren kühnsten Träumen nicht vorzustellen vermocht.


    Die gelangweilten Szenerien der Niederschrift "Wir sind fünf" plänkeln ebenso geistesabwesend vor sich hin, wie das unspektakuläre, ja fast schon monotone Leben der Blystads. Die dürftige Konversation ist hierbei der Erzählung über eine auseinanderbrechende oder gar sterbende Familienbande geschuldet. Daher ringt mir die skurrile Geschichte auch nicht viel mehr als ein müdes Lächeln ab. Wie man sich seitenweise über einen Tonklumpen auslassen kann, um ihn von allen nur erdenklichen Seiten her zu "beleuchten", ist mir ohnehin ein Rätsel. Matias Faldbakken trifft dabei auch leider nicht so ganz meinen Humor. Als Leser wartet man die ganze Zeit gespannt darauf, dass etwas passiert, aber es passiert nichts. Irgendwann dann schon, aber bis dahin hat man sich bereits drei mal rumgedreht und ist eingeschlafen. Tormods Leben dreht sich nur noch um den Ton und das von Siv um Cola, Süßigkeiten und TV-Programme. Alf verblödet vorm Computer und Helene ist irgendwie einfach nur da. Wenn dieser Roman, wie auf der Vorderseite des Schutzumschlags angepriesen "Der Beste norwegische Roman des Jahres." ist, na dann gut Nacht Norwegen. Wer Titel wie "Wir sind fünf" tatsächlich als Muse oder hohe Kunst der Belletristik bezeichnet, dem ist bei Gott nicht mehr zu helfen. Es wird sicherlich Leser geben, die an solchen Geschichten Gefallen finden. Ich für meinen Teil gehöre allerdings nicht dazu.


    https://www.randomhouse.de/Aut…as-Faldbakken/p109288.rhd


    Brutalität: 18/100

    Spannung: 59/100

    Action: 40/100

    Unterhaltung: 61/100

    Anspruch: 26/100

    Humor: 13/100

    Sex/Obszönität: 4/100


    LACK OF LIES - Wertung: 61/100


    Link zur Buchseite des Verlags: https://www.randomhouse.de/Buc…eyne-Hardcore/e572353.rhd


    Matias Faldbakken - Wir sind fünf

    Aus dem Norwegischen von Maximilian Stadler

    Originaltitel: Vi er fem

    Originalverlag: Oktober

    Hardcover mit Schutzumschlag, 256 Seiten, 12,5 x 20,0 cm

    ISBN: 978-3-453-27299-6

    Hardcover

    € 22,00 [D] inkl. MwSt.

    € 22,70 [A] | CHF 30,90 * (* empf. VK-Preis)

    Erschienen am 31. August 2020

    Lieferstatus: Dieser Titel ist lieferbar.


    Leseprobe: https://www.bic-media.com/mobi…se.de/cart/add/572353.rhd

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Matias Faldbakken - Wir sind fünf“ zu „Matias Faldbakken - Wir sind fünf / Vi er fem“ geändert.
  • Was soll man dazu sagen?


    Tormod lebt mit Frau und 2 Kindern in einem kleinen norwegischen Ort. Nach schweren Turbulenzen durch Drogenmissbrauch in der späten Jugend hat er hier einen vermeintlich sicheren Hafen gefunden. Das ändert sich, als das Verschwinden des Familienhundes das zarte Gebilde Familie ins Schwanken bringt. Mithilfe seines ehemaligen Drogenkumpans Espen experimentiert er mit einem Tonklumpen, der bald ein gewisses Eigenleben entwickelt. Mehr möchte ich ungern von der weiteren Story verraten, um nicht zu spoilern.


    Die Geschichte an sich bietet reichlich Potential für Entwicklungen in jede Richtung, egal ob Comedy, Mystery oder handfester Thriller. Aber nichts von alldem trifft auf diesen Roman zu. Es ist eine etwas eigenwillige Mischung aus Drama mit einem Hauch Mystery. Wohin die Reise grob geht, ist relativ überraschungsarm. Was mich jedoch am meisten störte, ist das starre Korsett, in das Faldbakken seine Protagonisten bindet. Noch dazu ohne nachvollziehbare "Entwicklung". Steht seine spätere Frau Siv in frühen Jahren immer zu ihm und bringt ihn durch seine schwierigste Lebenszeit, ja rettet ihn quasi vor seiner Selbstzerstörung, ist sie nach der Hochzeit plötzlich uninteressiert, phlegmatisch, will ständig ihre Ruhe haben und faulenzt allabendlich nur vor dem Fernseher. Man spürt an keiner Stelle mehr die Zugehörigkeit zu ihrem Mann.

    Auch die Kinder haben ihre festen Rollen von Beginn an. Der Junge ist etwas feist und will nur daddeln, ist ansonsten untalentiert bei nahezu allem außer seinen Games. Die Tochter hingegen ist quirlig, hochintelligent, wissbegierig und ausgesprochen talentiert bei nahezu allem. Lediglich Tormod darf sich den Luxus einer geteilten Persönlichkeit leisten, und die auch nur wenn er ausreichend Alkohol und Amphetamine konsumiert. Dann erst kommt seine Genialität zum Vorschein und er übertrifft auch seine Lehrer um Längen. Und Freund Espen ist auch nach etlichen Jahren immer noch der gleiche Vollhonk, der er immer schon war. Mit einer unerklärlichen Macht über Tormod, der sozusagen willenlos alles schnieft und schluckt, was Espen ihm anbietet. Auch er machte keinerlei Entwicklung durch.

    Mit anderen Worten: Die Grundpfeiler dieser Story sind in meinen Augen schon mehr als fragwürdig. Der einzige Protagonist mit Entwicklungspotenzial ist der Tonklumpen und dessen Entwicklung ist leider nur zu vorhersehbar.


    Nun aber das Positive dieses Buches, wobei da leider ausschließlich der Schreibstil übrig bleibt. Faldbakken schreibt mit leichter Hand. Keine endlos verschachtelten Satzkonstrukte sondern sachlich und konkret, sogar schon schlicht zu nennen. Etwas gewöhnungsbedürftig waren die wiederkehrenden Erläuterungen - teils in Klammern - als ob der Leser etwas zu schlicht wäre, um ohne diese zu verstehen, von was er schreibt.

    Durch den auktorialen Erzählstil erfährt der Leser auch, was andernorts geschieht und die jeweils Handelnden denken. Allerdings wird derart distanziert erzählt, dass bei mir keinerlei Empathie mit irgendeinem Protagonisten entstehen konnte - nicht einmal mit dem Tonklumpen.

    Dann noch das Ende, wenn man es denn überhaupt so nennen kann. Denn im Grunde erfährt der Leser nicht, wie es ausgeht. Mitten in der spannendsten Stelle der Geschichte endet alles im Nichts. Ich brauche wirklich kein HappyEnd bei einer guten Story, aber zumindest eine einigermaßen abgeschlossene Handlung des Romans. Gerade komme ich ins wanken, ob ich tatsächlich noch 3 Sterne vergeben soll oder noch einen abziehe. Aber dafür war er mir zu ernsthaft, der Roman und zu gut geschrieben.


    Fazit: Wenn man nicht unbedingt Mainstream lesen muss, kann man dieses Buch gut lesen.