Christian Torkler - Der Platz an der Sonne

  • Verlagstext

    Berlin, 1978: Die Hauptstadt der Neuen Preußischen Republik liegt in Trümmern, die Kinder klauen Kohlen und in der Politik geben sich die Halunken die Klinke in die Hand. In dieser Welt entfaltet sich die faszinierende Lebensgeschichte von Josua Brenner – ein wagemutiger Tausendsassa, der sich nicht so leicht unterkriegen lässt. Doch als ihn die Ereignisse überrollen, wird der Gedanke an eine Flucht ins reiche Afrika plötzlich real.

    Josua Brenner kennt sich aus im Leben der kleinen Leute. Im zerbombten Berlin fährt er Suppe aus, schachert auf dem Schwarzmarkt und holt sich Ratschläge fürs Leben bei Opa Lampbrecht. Eine Zeitlang scheint er die Nase vorn zu haben. Die Umstände sind ihm gewogen, seiner kleinen Familie geht es prächtig und auch die Geschäfte laufen gut. Die Strippenzieher in der Neuen Preußischen Republik versuchen zwar, ihm das Leben schwerzumachen, doch so leicht gibt Josua Brenner nicht auf. Ihn treibt ein unbezwingbarer Wille zum Glück, egal wie oft ihm der Teufel ins Handwerk pfuscht. Erst als es für ihn so richtig knüppeldick kommt, bricht er auf in Richtung Süden. Wie all die anderen vor ihm hat er vor allem ein Ziel: ein besseres Leben in einer besseren Welt. Wunderbar leichtfüßig erzählt Christian Torkler von einem modernen Helden, der sein Schicksal herausfordert und sich niemals geschlagen gibt.


    Der Autor

    Christian Torkler stammt gebürtig aus Greifswald und wuchs im Pfarrhaus auf. Sein Studium der Theologie, Philosophie und Kulturwissenschaften absolvierte er in Berlin. 2002 zieht er nach Afrika und lebt einige Jahre in Dar es Salaam in Tansania und bereist im Laufe der Zeit verschiedene Orte des Kontinents. Mittlerweile lebt er teils in Berlin und teils in Phnom Penh in Kabodscha.


    Inhalt

    Nach einem Dritten Weltkrieg in den 50ern gehört Berlin zur Neuen Preußischen Republik, die Teil der Afrikanischen Union ist. Die Stadt ist nie wieder auf die Füße gekommen, Verkehr und Energieversorgung sind ein einziges Chaos und die Berliner hangeln sich durch einen Verhau aus Korruption und florierender Schattenwirtschaft. In den Ruinen suchen elternlose Kinder nach Verwertbarem. Mancher Leser wird bis dahin nur geringe Unterschiede zur Gegenwart feststellen. Doch „die Bongos“ aus Kinshasa scheinen wie eine neue Kolonialmacht zu regieren, das Sagen im Land haben Partei und Militär. 1978 wird Joshua Brenner geboren als Sohn einer gottgläubigen Mutter. Joshua schuftet anfangs als Handlanger auf dem Bau, bis er sich zum Taxifahrer hocharbeitet und schließlich eine Bar eröffnet. Die Bar entsteht praktisch aus dem Nichts, weil viele Leute Joshua gern einen Gefallen tun. Er verkennt allerdings, dass jeder Gefallen eine Verpflichtung ist und er allen Helfern Gegenleistungen schuldet. Joshua arbeitet praktisch Tag und Nacht, sieht Frau und Kind kaum noch, kann den Kampf gegen die herrschende, leistungsfeindliche Parteidiktatur jedoch nur verlieren. Wie jemand in Behörden von Pontius zu Pilatus geschickt wird, haben Uderzo/Goscinny bereits unvergesslich dargestellt – und genauso ergeht es Joshua. Als er feststellt, dass seine Kosten für Miete, Gehälter, Schutzgelder + alle Gefallen, die er noch schuldet, weit über 100% betragen, hat Joshua endgültig die Nase voll. Einem nackten Mann sollte auch die korrupteste Diktatur nicht noch in die Tasche greifen. Eine Ansichtskarte seines Kumpels Roller von einem Strand irgendwo in Afrika hatte Joshua schon länger den Floh von einer Flucht in den Süden ins Ohr gesetzt. Auch im postapokalyptischen Berlin gibt es Vermittler für Schlepperleistungen – für Flüchtlinge aus Europa nach Afrika. Mitten im europäischen Winter macht Joshua sich gemeinsam mit Willi auf den Weg Richtung Westen, immer abhängig davon, dass Informanten und Helfer ihn nicht übers Ohr hauen. Als Kind seiner Zeit hat Joshua keine anderen Informationsmöglichkeiten, als das, was andere Menschen behaupten. Wenn der Roman auch sonst kaum etwas zu meiner Horizonterweiterung beigetragen hat, fand ich diesen Zusammenhang sehr einprägsam. Wer die Glaubwürdigkeit von Nachrichten selbst nicht überprüfen kann, wird zwangsläufig zum Spielball obskurer Interessen.


    Viel später wird Joshua irgendwo auf der anderen Seite des Planeten geraten, sein Leben niederzuschreiben, um seinen Frieden damit zu machen.


    Fazit

    Joshua ist es nicht gegeben, in seinem Erlebnisbericht Ereignisse zusammenzufassen, Wichtiges hervorzuheben und seine eigenen Fehler zu erkennen. Dass die „Neue Preußische Republik“ jeden Respekt vor ihren Bürgern vermissen lässt und das Fass irgendwann überlaufen muss, wäre in kürzerer Form vermutlich wirkungsvoller dargestellt. Wer sich unter der Redensart „Von Pontius zu Pilatus laufen“ etwas vorstellen kann, muss Joshuas Marathon um eine Kneipenlizenz nicht wörtlich nacherzählt bekommen. Allein die Vorgeschichte, die zu Joshuas Flucht führte, umfasst mehr als die Hälfte der knapp 600 Seiten. Die Idee, den Istzustand der Armutsflucht umzudrehen, finde ich zwar pfiffig, Christian Torklers Kombination aus Postapokalypse und alternativer Weltgeschichte gerät durch die Ichperspektive allerdings sehr schlicht nacherzählt und entschieden zu weitschweifig.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Christian Torkler - Der Platz an der Sonne

    Verkehrte Welt


    Dieses Buch von Christian Torkler ist eine Fiktion über eine Welt, die der unseren sehr nahe stehend angelegt wurde. Nur das das Geld anders herum verteilt wurde. Und man aus der europäischen, hier der armen Seite, sieht, was es bedeutet in Ländern zu leben, in denen man keine Chance hat, jemals ein etwas wohl situiertes Leben zu führen. Der Protagonist bricht aus der Verzweiflung darüber auf, zur Suche nach dem Platz an der Sonne, der in dieser Geschichte in Afrika liegt, da wo das Geld ist. Und dann wird eine Flüchtlingsgeschichte gezeichnet, in der dem Leser klar gemacht wird, was eine Flucht bedeuten kann. Man hat mit den positiven und negativen Eigenschaften des Menschen zu tun. Es wird klargemacht, was es bedeutet, fremden Menschen ausgeliefert zu sein, vertrauen zu müssen, weil es gar nicht anders geht. Unbilden der Natur zu ertragen und auch zu sehen, dass es nicht jeder schafft, dem Tod zu begegnen, und darüber nicht verrückt zu werden. Den Flüchtlingen begegnen Menschen, die sich an deren Not noch bereichern, und man ist erschüttert. Und dann kommen sie an den Platz an der Sonne und begegnen der Bürokratie und Menschen, die sich dahinter verstecken.


    Die ganze Zeit beim Lesen drängen sich dem Leser Vergleiche/Parallelen zu Geschehnissen in der heutigen Zeit/in der heutigen Welt auf. Aber dies geschieht teils recht platt, was mir nicht so ganz gefallen hat. Es wird auch nicht erklärt wieso diese Welt so ist, wie sie ist. Warum z.B. Afrika reich ist. Da wären meiner Meinung nach noch viele interessante Möglichkeiten offen gewesen. Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist die Darstellung der Charaktere, der Hauptcharakter ist ein junger Mann aus einer bildungsferneren Schicht, der in einer recht emotionslosen Art seine Geschichte erzählt und dabei für meine Begriffe recht blauäugig daherkommt, alle anderen Charaktere des Buches sind nur bruchstückhaft dargestellt, die weiblichen Charaktere kommen in diesem Buch besonders schlecht weg, man kann schon sagen klischeehaft. Etwas mehr Differenzierung der Hauptcharaktere hätte dem Buch sicher gut getan.


    Die Handlung empfand ich als Parabel auf die heutige Welt. Der Grundgedanke ist wirklich nicht schlecht. Meiner Meinung nach soll uns das Buch daran erinnern was Humanität eigentlich bedeutet, und was daraus gemacht wird. Ein Thema das gerade in heutiger Zeit eine gute Sache und geradezu notwendig ist, wie mir scheint. Weil viele in der westlichen Welt vergessen, das es nur Glück ist, in der richtigen Welt geboren zu werden. Aber leider ist dieses Buch insgesamt nicht ganz so gut gelungen. Das Positive ist, es ist spannend geschrieben und hat einen wirklich spürbaren Sog, und auch einige ganz nette Abschnitte.