Christoph Fromm - Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

  • Ich bin Christoph Fromm, am 17.7. 1958 in Stuttgart geboren und habe nach dem Abitur an der Hochschule für Film und Fernsehen in München studiert. Seit 1983 arbeite ich hauptberuflich als Drehbuchautor und habe unter anderem die Filme „TREFFER“, „SPIELER“, „DIE KATZE“ für Dominik Graf geschrieben, sowie für meinen Bruder Friedemann Fromm die Mehrteiler „DIE WÖLFE“ und „DIE STADT UND DIE MACHT“.



    2006 habe ich gemeinsam mit Tina Lizius den Primero Verlag gegründet, in dem ich meine Bücher veröffentliche.



    An dieser Stelle möchte ich meinen Roman STALINGRAD – DIE EINSAMKEIT VOR DEM STERBEN vorstellen, der mir ganz besonders am Herzen liegt..


    Warum schreibt man heute noch ein Buch über Stalingrad? Weil es eine der größten und erbittertsten Schlachten war, die jemals stattgefunden haben, mit über zwei Millionen Toten und Verwundeten auf beiden Seiten? Weil in Stalingrad nicht nur auf dem Schlachtfeld gestorben wurde, sondern die Soldaten vor allem in den Ruinen unversorgt bei bestialischer Kälte dahinsiechten? Weil es wohl kaum apokalyptischere Bilder gibt als diejenigen, die Stalingrad hervorgebracht hat? Man denke an das Flugzeug, das beim Landeanflug die Kontrolle verlor und in die Reihen der Schwerverwundeten krachte, die man bei minus 40 Grad zum Abtransport neben das Rollfeld gelegt hatte. Oder den Soldat, der wahnsinnig vor Hunger, den Kopf eines Pferdekadavers aufschlug, um an die Hirnmasse zu gelangen. Oder die Beinamputierten, die sich nach Zusammenbruch des Kessels an Stöcken über das Eis in die Ruinen der Stadt zurückzogen, während ihnen unter der Eisfläche die Gesichter der beim Rückzug Niedergewalzten entgegen grinsten? Oder die Häuser, die man aus Leichen gebaut hatte, um Schutz vor der Kälte zu finden?



    Das alles war nicht der Grund, warum ich Stalingrad geschrieben habe. Was mich immer mehr in die Geschichte gezogen hat, war, dass ich beim Schreiben feststellen musste, dass auch ich unter diesen Umständen fähig zu den schlimmsten Verbrechen gewesen wäre. Dass uns weder Erziehung, noch Moral oder Religion davor schützen, in Extremsituationen die Kontrolle über uns und unser Handeln zu verlieren. Deshalb wurde zum Kern dieses Buches, dass man unter unmenschlichen Bedingungen nicht menschlich bleiben kann, auch wenn man sich noch so sehr darum bemüht.


    Und so machte ich die traurige Reise von HANS VON WETZLAND, meiner Hauptfigur, mit, vom naiven Kriegsromantiker zum verantwortungsvollen Frontoffizier, ja sogar zum mutigen Deserteur, der trotzdem am Ende zum verzweifelten Zyniker verkommt; dem nichts anderes mehr übrig bleibt, als abzugleiten in Wahnsinn und Agonie.


    Der sadistische SD Offizier, der hinter der Front sein bestialisches Spiel treibt und dem mein junger Leutnant voller Verachtung begegnet, wird zum traurigen Spiegel, in den er selbst am Ende in den Ruinen von Stalingrad blickt.


    Denn über allem, was die Soldaten in Stalingrad noch tun konnten, stand das Menetekel: Zu spät! Selbst diejenigen die erkannten, welch einer verbrecherischen Führung sie gedient hatten, waren rasch nur noch mit dem eigenen Überleben beschäftigt. Ihre Hasstriaden gegen Hitler und die Generalität, die sie so schändlich im Stich ließen, erstarben zwischen den letzten Bissen von hart gefrorenem Brot, erstickten unter russischen Panzerketten, wurden zerfetzt von feindlichen Granaten.


    Die Pervertierung der Gefühls- und Gedankenwelt durch den Krieg, das ist nicht nur das Thema meines Buches, das habe ich während der Arbeit selbst erfahren und es hat mich bis in meine Träume begleitet.


    Viele Menschen glauben, man könne in den Krieg ziehen aber auch dort ein grundanständiger Kerl bleiben. Nach meinen Erfahrungen und Recherchen für meinen Roman Stalingrad, sage ich ganz klar, das stimmt nicht. Der Krieg verändert unser Handeln, Denken und Fühlen in irreparabler Weise. Bereits nach kürzester Zeit entstehen sadomasoschistische Verhaltensmuster.


    Man zieht nicht ohne lebenslange Folgen in den Krieg – das sollte sich jeder klarmachen, bevor er hingeht.


    Menschen die andere dazu verführt haben, in den Krieg zu ziehen, hat es immer gegeben. Ideologien haben dabei immer eine große Rolle gespielt – auch heute. Für viele scheint es völlig unverständlich, warum sich ein junger Mann, oder eine junge Frau, vom IS ködern lässt. Sie vergessen, wie verführerisch für jemand die Rolle des mutigen, dank Allah scheinbar unbesiegbaren Kämpfers ist, der bestenfalls mit 72 Jungfrauen im Paradies endet, wenn er zuvor ein kleines Licht ohne Perspektive in einer Gesellschaft war, deren größte Freude im uneingeschränkten Konsum besteht. Krieg ist existenziell. Er konfrontiert die Beteiligten jeden Tag mit der Frage Überleben oder Tod, Sieg oder Niederlage. Die Depression wird zunächst in den Hintergrund gedrängt. Ihr verstärktes Wiederauftreten nach kurzer Zeit, wenn die erste Faszination verflogen ist, realisieren die meisten erst, wenn es zu spät ist.



    Deswegen ist es vor allem auch ein Buch für junge Leute, die im Augenblick durch die Ereignisse im Nahen Osten so sehr mit dem Thema Krieg konfrontiert sind wie seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.


    Ich habe immer wieder die erfreuliche Erfahrung gemacht, dass nicht nur junge Männer, sondern durchaus auch junge Frauen in der Lage sind, Stalingrad zu lesen, zu verkraften und ihre Schlüsse daraus zu ziehen. Ich denke, jeder der das Buch gelesen hat wird sich in Zukunft mit all seiner Kraft dafür einsetzen, dass es so wenig Krieg wie möglich auf dieser Welt gibt.



    Die Entstehungsgeschichte meines Stalingradromans ist lang und wechselvoll. Es begann 1989. Ich erhielt als junger Drehbuchautor den Auftrag, einen Kinofilm und Fernsehvierteiler über Stalingrad zu verfassen. Ich hatte das Glück, dass damals noch viele Zeitzeugen lebten – so konnte ich ausführliche Interviews führen. Die Beteiligten schilderten, je nach Dienstgrad, die Ereignisse sehr unterschiedlich. Es gab den Ex-General der Bundeswehr, der in Stalingrad als Oberst gedient hatte und behauptete, viele Bücher über Stalingrad seien maßlos übertrieben. Jeder habe dort „ganz normal“ seinen Dienst versehen, nur am Schluss „habe es eine gewisse Unordnung gegeben“.


    Und es gab viele einfache Dienstgrade, die das erzählten, was im Buch jetzt vorkommt und die fünfzig Jahre nach Kriegsende während ihrer Schilderungen immer noch weinten.


    Man entschied damals auf Produktionsseite, dass man meine Drehbücher dem Publikum nicht zumuten könne, es fiel der fatale Satz: „Deserteure sind keine Helden“, und es entstand ein Kinofilm, mit dem ich überhaupt nicht einverstanden war.



    Ich schrieb den Roman und auch der zuständige Verlag wollte mein Manuskript so nicht veröffentlichen. Es wurde verändert, verfälscht, gekürzt.


    Erst zum 70igsten Jahrestag von Stalingrad, 2013, entschied ich mich, mit Unterstützung meiner Verlagspartnerin Tina Lizius, den Roman noch einmal in völlig überarbeiteter Form herauszubringen. Es war viel Arbeit, aber sie hat sich gelohnt. Nach zwanzig Jahren konnte ich das Buch endlich so veröffentlichen, wie ich es für richtig halte – und ich bin mit dem sagenhaften Erfolg dieses Romans für alle Niederlagen mehr als entschädigt worden.



    Ich hoffe, dass ich bei allen, die das Buch noch nicht gelesen haben, Interesse wecken konnte. Das Buch lohnt sich!

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Christoph Fromm - "Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben"“ zu „Christoph Fromm - Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben“ geändert.