Seine Kommentare zu Camillas heuchlerischer Vorstellung sind einfach wunderbar und nehmen ein wenig von dem Druck weg den man empfindet, wenn man über
Pips Schicksal bei den Havishams nachdenkt.
Die waren wirklich Klasse und Camilla war ja wohl die Härte. Ich dachte mit Miss Havisham, Estella, Mrs. Joe und ihren verdrehten Freunden und Bekannten wäre das Gruselkabinett schon fast vollständig, aber in dem Kapitel setzt Dickens ja noch mal ordentlich einen drauf. Sei es mit den überkandidelten Verwandten von Miss Havisham oder aber mit dem seltsamen jungen Mann, der sich im Garten von Pip zusammenschlagen lässt. Sowieso ist die "Bude" an dem Tag überraschend voll, auf der Treppe trifft Pip doch auch noch einen anderen Mann, der sich mit Jungs auskennen will.
Gute Frage, warum macht er das eigentlich. Vielleicht hofft er mit dem vielen Geld (viel zu viel Geld, wie wir ja wissen, da hätte schon auch was für Pip abfallen können ) seine Frau derartig zu beschäftigen, dass Pip problemlos sein Lehrling werden kann?
Ich glaube, dass Joe seine Frau zwar anflunkert hinsichtlich der Person Miss Havisham (vielleicht weil er selbst überhaupt nicht glauben kann, was sie für eine Figur ist), aber bei Gelddingen ihn seine absolute Ehrlichkeit zur Wahrheit treibt. Er ist doch auch in der Szene als der Sträfling im Gasthaus das Geldstück für Pip in zwei Pfundnoten eingewickelt hat, wieder zurückgelaufen, um diese zurückzugeben.
Was mir noch bei diesem Kapitel (Kapitel 13) arg aufgefallen ist, wie Pip sich über Pumblechook äußert. Er war ja nie besonders angetan gewesen von den meisten Erwachsenen, aber diesmal fielen Worte wie:
"niederträchtiger Heuchler; windigste aller Schwindler" Und dann dieser Satz: " Hätte der Schurke sich damit begnügt, wäre sein Vergehen abscheulich genug gewesen, doch er steigerte seine Untat, indem er mich mit seiner angemaßten Gönnerschaft in Gewahrsam nahm die all seine bisherigen verbrecherischen Taten weit übertraf."
Das fand ich auch überraschend. In den ersten Kapiteln wirkte Pip gegenüber Pumblechook eher ergeben, so als ob er dächte, er könne sowieso nichts gegen ihn ausrichten. Aber vielleicht richtet sich seine Wut und sein Hass auch auf zukünftige Taten von Pumblechook?
Schreckschraube ist ein passender Begriff. Ich würde noch mit haßerfüllt und zynisch ergänzen.
Mir geht beim Gedanken an sie öfter verbitterte Vettel durch den Kopf. Und als sie in Kapitel 12 Estella zuflüstert, dass sie allen Männern die Herzen erbarmungslos brechen soll, habe ich mir manipulative Hexe ins ebook notiert.
Da hat Dickens wirklich eine sehr morbide (passt morbide?) Stimmung geschaffen.
Morbide trifft es wirklich gut, ich bekomme schon wieder Gänsehaut.
Surrealismus! Genau! Das trifft es!
Mir fiel noch das Wort grotesk ein.
Kap. 12 & 13
Überrascht hat mich, dass Miss Havisham Joe in ihr Haus eingeladen hat. Und das "Gespräch" zwischen Joe und "dem alten Kerl" war ja so köstlich - ich hatte die ganze Zeit Kopfkino: auf der einen Seite die schräge Miss Havisham und auf der anderen Seite der gute, einfache Joe, der mit so viel Exzentrik überhaupt nicht klar kommt.
Überraschend war der hohe Geldbetrag, den sie für Pips Ausbildung gezahlt hat und merkwürdig fand ich, dass er nicht mehr wiederkommen soll... Was hat der alte Drachen vor? Das kann doch nicht alles gewesen sein.
Der letzte Satz war ja auch noch mal so ein richtiger Knaller - wieso denkt Pip, dass er keinen Spaß mehr an der Ausbildung bei Joe haben wird? Haben Miss Havisham oder die arrogante Estella ihn so verdorben? Oder ging ihm das Gewese um seinen Kontrakt und die fürchterliche Einmischung von Pumlbechoock und der anderen gegen den Strich? Was glaubt ihr?