Eine dramatische Geschichte um einen schweren Verlust einer Person und seine Ersetzung. Es geht um den Kampf um den Ersatz für eine geliebte Person.
Vielleicht wäre es am einfachsten, wenn ich Dystopia (2004) von Judith Park ganz grob als beziehungsorientiertes Teeniedrama bezeichne.
Dionne (ich kann mir leider kaum vorstellen, wie dieser Name richtig auszusprechen ist) ist die Hauptprotagonistin des Oneshots. Wenn ihr euch mal das Cover anseht, könnt ihr eine junge Frau mit blonden Haaren, blauen Augen, einem schwarzen Kleid (?) und einem übertraurigen Blick erkennen. Das trifft sich mit dem Inhalt schonmal ganz gut. Dionne lebt nämlich in einem tiefen Zwist mit ihren Eltern, die ihre Tochter stark vernachlässigen. Dionnes einzige Lichtblicke sind ihre beste Freundin Shikku (Klassenkameradin) und ihr großer Bruder Lyon. Lyon ist nämlich wegen einer schweren Krankheit das wohlbehütete Kind der Eltern. Dieser ist jedoch stark genug, um diesen Missstand zu erkennen und versucht seiner Schwester all die Liebe zu geben, die sie braucht und die ihr fehlt. Als Shikku und Lyon dann sogar zusammenzukommen scheinen, ist das noch ein zusätzliches stärkendes Moment für Dionne.
Nur leider stirbt er plötzlich aus heiterem Himmel. Mal abgesehen davon, dass das schon schrecklich genug für Dionne ist, schleppen die Eltern mit einem Mal einen geheimgehaltenen Klon Lyons an, der Lyon ersetzen soll.
Eventuell zeigt sich hier zum ersten Mal ein Hinweis darauf, dass sich alle versuchen irgendwie besser miteinander zu arrangieren, statt sich gegenseitig zu verletzen und verbal zu zerfleischen, doch plötzlich endet der Comic. Das Ende bleibt absolut offen.
Doch denke ich, dass das Ende so ganz gut gewählt wurde. Alles was der Comic-Titel impliziert, ist thematisiert oder zumindest angesprochen worden und steht nun im Raum. Die Perspektive ist ein pubertäres Mädchen, das sich ungeliebt, verachtet und missverstanden fühlt. Die einzige Stütze ihres Lebens verschwindet und lässt ein großes Loch im Leben zurück, dass zunächst durch Wut gefüllt wird. Besonders da sie die Reaktion der Umwelt nicht versteht (Shikku/Eltern), die sich versucht über den schweren Verlust hinweg zu entwickeln. Dionne will in Trauer versinken.
Der Comic ist ganz nett. Die Themenwahl irgendwie realitätsnah. Nur leider ist der Kontext so völlig realitätsfern. Die Personen sind alle jung (auch die Eltern !) und wunderschön mit optimalen Proportionen und herausragendem Modestil. Die Gespräche sind für die Autorin viel zu kurz und platt geraten, wie sie selbst beklagt ("dumme Dialoge", letzte Seite), doch sehe ich das nicht zwangsläufig so. Manchmal wird Gesprächen in einem Comic (Bilder !) zu viel Aufmerksamkeit zugewiesen. Das erinnert mich an die Episode nach dem Timeskip in One Piece. In den ersten Bänden gingen die meisten Lacher meinerseits ausschließlich von lustigen Bildern aus. Was mich an Dystopia etwas stört, ist die überidealisierte (mehr als in Comics sonst üblich) Personenkonstellation mit übertriebenen First-World-Problems. Die Namen wirken auch wie Namen, die die Autorin schon immer supercool fand und schon immer mal benutzen wollte. Sie passen nur leider nicht ganz.
Der Zeichenstil ist aber schon, was Personen und Kleidung betrifft, recht ausgereift und ein netter Anblick.
Dystopia ist ein ganz angenehmer Comic für zwischendurch, den man mal lesen kann.