Sascha Arango - Die Wahrheit und andere Lügen

  • Klappentext:
    Henry ist ein erfolgreicher Schriftsteller. Er ist elegant, großzügig und sehr gefährlich. Henry führt ein angenehmes Leben - bis seine Geliebte ihm eröffnet, dass sie ein Kind von ihm erwartet. Nun müsste er seiner Frau alles erzählen. Aber muss er ihr wirklich alles sagen? Einfacher ist es, die Geliebte aus dem Weg zu räumen. Doch genau dabei passiert Henry ein fatales Missgeschick.
    Sascha Arango erzählt die überaus spannende Geschichte von Henry, der schwindelfrei am Abgrund steht. Er zeigt uns einen Mann, der sich den Konsequenzen seines Tuns immer entziehen konnte - bis er einen Schritt zu weit geht.


    Über den Autor (dem Buch entnommen):
    Sascha Arango, geboren 1959 in Berlin, ist einer der renomiertesten deutschen Drehbuchautoren. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. zweimal mit dem Grimme-Preis. Die "Tatorte" aus seiner Feder gehören zu den Fernsehereignissen des Jahres. Sascha Arango lebt in der Nähe von Potsdam.


    Meine Meinung:
    Zur Handlung möchte ich gar nicht mehr sagen als schon im Klappentext steht. Dieser trifft es ziemlich gut (was ja auch nicht gerade selbstverständlich ist!) und mehr sollte man auch gar nicht wissen, denn der Roman hat nur knapp 300 Seiten und lebt größtenteils von Cliffhangern, kleinen Wendungen und Verwirrspielen, die der Autor für den Leser zurecht gelegt hat. Diese waren auch der größte Vorteil dieser Geschichte. Sascha Arango schafft es, die komplette Dauer über, den Leser gespannt zu halten, was wohl noch passieren könnte, was sich vielleicht im Nachhinein als falsch herausstellen könnte oder ob denn wirklich alles so ist wie es scheint. Dass die Handlung nie langweilig wird, war aber schon so ziemlich der einzige eindeutige Pluspunkt, den ich an "Die Wahrheit und andere Lügen" vergeben kann.
    Der Schreibstil hat mir überhaupt nicht zugesagt. Er hat mich irgendwie an den von Thomas Raab in seinem Buch "Still" erinnert und das habe ich damals abgebrochen. Alles war sehr distanziert und kühl, um nicht fast zu sagen arrogant oder überheblich. Mir kam es vor als ob sich alles erzwungenermaßen kunstvoll anhören sollte, so wie man vielleicht in höheren Kreisen im 19. Jahrhundert miteinander gesprochen hat. Die Authentizität ging allerdings komplett flöten und obwohl Arango durchaus Talent hat, das will ich gar nicht bestreiten, klang vieles mehr gewollt als gekonnt. Die auf gewisse Weise eklig-vulgären Stellen, die manchmal mehr angedeutet als klar ausgesprochen wurden, fand ich höchst unpassend und haben gar nicht zur Geschichte gepasst (z.B. die Beschreibung von verfaulten Lebensmitteln im Haus eines sonst eher feinen Herrn oder dass sich jemand gerne am Hintern kratzen würde, aber auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht mit den Händen hinkommt). Die Art wie die Menschen miteinander sprachen, war mir meistens fremd und auch hier muss ich wieder bemerken, dass mir niemand bekannt ist, der auf diese Weise redet. Der Geschichte hätte etwas dezenter Humor gut tun können, denn das hätte zu diesem Gauner Henry, der sich durch sein Leben lügt und betrügt, durchaus gepasst. Aber Fehlanzeige. Wenn etwas vorhanden war, dann ist das an mir vorbeigegangen. Mit der Hauptperson Henry konnte ich überhaupt nichts anfangen. Auch nach den 300 Seiten liegt noch ein grauer Schleier über diesem nichtssagenden Protagonisten. Er war mir hochgradig unsympathisch, aber viel schlimmer wiegt die Tatsache, dass er völlig uninteressant war und einem eigentlich gleichgültig blieb. Weder konnte man mit ihm mitfiebern, noch ihn zum Teufel wünschen und das obwohl er ein sehr egoistischer und kaltschnäuziger Mensch ist. Die relativ vielen Nebenfiguren blieben genauso blass wie die Hauptperson und bei manchen fragt man sich ob sie wohl nur eingeführt wurden um ein paar Seiten mehr zu füllen. Ich bin mit etwas falschen Erwartungen an das Buch herangegangen, denn ich habe auf ein spannendes Psychodrama à la "Gone Girl" gehofft. Geworden ist es eher eine ruhige Mischung aus Erzählung und Kriminalroman, die leider wenig Wirkung auf mich ausgeübt hat. Auch das Ende war letztendlich eine Enttäuschung für mich. Wäre hier noch ein kleiner Aha-Effekt gekommen, hätte das dem Buch vielleicht noch einen halben Stern gewinnen können.


    Fazit:
    Die durchaus interessante Handlung von "Die Wahrheit und andere Lügen" wird zerstört von einem unangenehmen Schreibstil und schwachen Charakteren.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Danke für deine ausführliche Rezi. Es ist doch immer wieder gut, wenn man vorgewarnt wird :wink: Ich hab gerade mal nachgeschaut und es hat sich bestätigt, was ich vermutet habe: aus der Feder des Autors sind genau die Tatort-Folgen, mit denen ich nicht so viel anfangen konnte (die mit Borowski).

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark