Deutscher Buchpreis 2015

  • Die Shortlist 2015 steht fest. Folgende sechs Romane haben es geschafft:


    * Jenny Erpenbeck: Gehen, ging, gegangen
    • Rolf Lappert: Über den Winter
    • Inger-Maria Mahlke: Wie Ihr wollt
    • Ulrich Peltzer: Das bessere Leben
    • Monique Schwitter: Eins im Andern
    • Frank Witzel: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

  • Ich bin schon etwas gespannt und wenn ich tippen würde:
    Sicher hat Jenny Erpenbeck gute Chancen, schon allein von der Thematik "Flüchtlinge" her. Aber mal abwarten; gelesen habe ich keins der sechs Romane.

  • Soeben wurde der Gewinner des Deutschen Buchpreises bekanntgegeben und gewonnen hat:

    Frank Witzel - Die Erfindung der RAF durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969


    Inhalt amazon:
    Gudrun Ensslin eine Indianersquaw aus braunem Plastik und Andreas Baader ein Ritter in schwarzglänzender Rüstung? Die Welt des kindlichen Erzählers dieses mitreißenden Romans, der den Kosmos der alten BRD wiederauferstehen lässt, ist nicht minder real als die politischen Ereignisse, die jene Jahre in Atem halten und auf die sich der 13-Jährige seinen ganz eigenen Reim macht. Frank Witzel ist es in dieser groß angelegten fantastischen literarischen Rekonstruktion des westlichen Teils Deutschlands gelungen, ein Spiegelkabinett der Geschichte im Kopf eines Heranwachsenden zu errichten. Erinnerungen an das Nachkriegsdeutschland, Ahnungen vom Deutschen Herbst und Betrachtungen der aktuellen Gegenwart entrücken ihn dabei immer weiter seiner Umwelt. Das dichte Erzählgewebe ist eine explosive Mischung aus Geschichten und Geschichte, Welterklärung, Reflexion und Fantasie: ein detailbesessenes Kaleidoskop aus Stimmungen einer Welt, die ebenso wie die DDR 1989 Geschichte wurde.


    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Und die Begründung der Jury:

    "Frank Witzels Werk ist ein im besten Sinne maßloses Romankonstrukt. Erzählt wird die Geschichte eines Jungen aus der hessischen Provinz, der sich im Alter von dreizehneinhalb auf der Schwelle zum Erwachsenwerden befindet. In diese Geschichte eingewoben ist das politische Erwachen der alten Bundesrepublik, die beginnt, sich vom Muff der unmittelbaren Nachkriegszeit zu befreien. Diese Ära des Umbruchs wird heraufbeschworen in disparaten Episoden, die unterschiedlichste literarische Formen durchspielen, vom inneren Monolog über die Action-Szene oder das Gesprächsprotokoll bis zum philosophischen Traktat. Der Roman „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ ist in seiner Mischung aus Wahn und Witz, formalem Wagemut und zeitgeschichtlicher Panoramatik einzigartig in der deutschsprachigen Literatur. Frank Witzel begibt sich auf das ungesicherte Terrain eines spekulativen Realismus. Mit dem Deutschen Buchpreis wird ein genialisches Sprachkunstwerk ausgezeichnet, das ein großer Steinbruch ist, ein hybrides Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia."

  • Ich hab den Preisträger soeben im TV gesehen. Ich kann über das Buch nichts sagen, ich habe es ja nicht gelesen. Aber ehrlich gesagt, schon der Titel würde mich abhalten zu diesem Buch zu greifen.
    Da bin ich auf die Meinungen gespannt wenn es jemand von uns hier im BT mal gelesen haben sollte.

  • Bei Seite 190 habe ich gestern Frank Witzels Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969 abgebrochen.

    Und die Begründung der Jury:

    Danke @Conor, dass Du die Begründung der Jury gepostet hast. Das "Warum" erscheint mir auf jeden Fall lesenswert - zumindest lesenswerter als der Roman selbst auf seinem ersten Viertel.


    Von den ersten dreißig oder vierzig Seiten war ich noch relativ begeistert, weil Witzel darin eine Art unvollständige Belichtung auf eine möglicherweise terroristische Episode richtet, die eventuell auch eine Art unreifer Jugendstreich hätte sein können. Diese Unklarheit hatte meine Neugier erweckt. Außerdem wirkte anfangs auch das Innenleben des Ich-Erzählers auf mich relativ interessant. Doch seit hundertfünfzig Seiten ist für mein Empfinden alles in komplette Substanzlosigkeit abgedriftet.


    Witzels Schreibstil ist zwar sehr leicht zu lesen, leider jedoch für mich in ebenso hohem Maße langweilig. Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass Witzel mit Stilmitteln wie seitenlangen Sätzen, der metafiktiven Einbidung des Autors als Figur "Frank Witzel" in die Erzählung selbst usw. nur um der Stilmittel selbst willen hantiert. Solche Stilmittel sind doch alle alter Kaffee in der Postmoderne, schon zig Mal vorher und außerdem besser verwendet von anderen Autoren wie David Foster Wallace (Der bleiche König), Clemens J. Setz (Indigo), Clemens Meyer (Im Stein), Houellebecq (Karte und Gebiet) etc. und funktionieren für mich nur, wenn ich im Hintergrund permanent spüren kann, dass der Autor eine gesellschaftskritische Aussage 'rüberbringen möchte, wie es eben bei den vier erwähnten Autoren Fall ist. Nach der Lektüre des ersten Viertels vom "RAF-Teenager" habe ich leider die Geduld verloren, weil das Geschriebene in mir den Eindruck erweckt, als ob der Autor nicht recht wisse, welchen Punkt er eigentlich ansprechen will, und dies dementsprechend mit endlosem Gelabere zu übertünchen versucht.


    Ein leiser Stachel jedoch bleibt: Was, wenn man im Buch fünfzig Seiten später (oder hundertfünzig Seiten oder fünfhundert Seiten später) dann doch wieder einen kritischen Grundton erkennen kann?
    Nein, im Grunde glaube ich da nicht mehr dran.
    Egal, hoffentlich liest jemand das Ding durch und gerne durch und schafft dann auch eine Rezension, die eine inhalts- bzw. absichtsrelevante Aussage von Witzels Roman widerspiegelt (sofern sie denn tatsächlich existiert). Das amazon-Fünf-Sterne-Rezensions-Geschwurbel von wegen "aufregend" oder gar "aufregendst" kann mich wirklich nicht zum Weiterlesen animieren, eher im Gegenteil: wer so eine Schreibe als "aufregend" bezeichnet, der kriegt doch wahrscheinlich schon bei Erich Kästner Herzflimmern ...


    Bis dahin auf jeden Fall: möge dieses preisgekrönte Buch lesen, wer Lust drauf hat - ich jedenfalls nicht mehr.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Egal, hoffentlich liest jemand das Ding durch und gerne durch und schafft dann auch eine Rezension, die eine inhalts- bzw. absichtsrelevante Aussage von Witzels Roman widerspiegelt (sofern sie denn tatsächlich existiert). Das amazon-Fünf-Sterne-Rezensions-Geschwurbel von wegen "aufregend" oder gar "aufregendst" kann mich wirklich nicht zum Weiterlesen animieren, eher im Gegenteil: wer so eine Schreibe als "aufregend" bezeichnet, der kriegt doch wahrscheinlich schon bei Erich Kästner Herzflimmern ...


    Bis dahin auf jeden Fall: möge dieses preisgekrönte Buch lesen, wer Lust drauf hat - ich jedenfalls nicht mehr.

    Genau dieser Beitrag hat mich veranlasst, neugierig wie ich nun mal bin :uups: dieses Buch auf die Wunschliste zu setzen. Zudem bin ich positiv überrascht denn meine Onleihe hat dies schon im Bestand, muss jedoch warten bis zum 4. November bis ich es erhalte. Kann jedoch nicht versprechen ob ich etwas dazu schreiben werde, kommt auf das Verständnis gegenüber dem Roman an :-,

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Danke, @Hypocritia , für deinen ausführlichen Eindruck. Bin ich froh, dass nicht nur ich mich mit dem Buch nicht wirklich anfreunden kann..., geschafft habe ich es etwa bis zur Seite 460 und habe mich manchmal gefragt, was ich da eigentlich lese.
    Der Romananfang gefiel mir gut, da bin ich deiner Meinung. Manche Passage empfand ich als interessant zu lesen - aber es gab genügend, die sich mir nicht (ganz) erschlossen. Jedenfalls liegt das Buch nun seit ca einer Woche ungelesen bei mir rum, da ich ein wenig am Verzweifeln war und die Lust verloren habe.
    Ich habe mir (von "meiner" Buchhändlerin) sagen lassen, dass man nicht den Fehler machen soll, das Buch in einem Stück lesen zu wollen. Außerdem las ich, dass es vielleicht nur für Leute verständlich sei, die sich an diese Zeit erinnern können.
    Ein interessantes Interview liest sich hier.
    Und ich gebe das Buch nun mit ruhigem Gewissen an die Bücherei zurück. :wink:

  • Kann jedoch nicht versprechen ob ich etwas dazu schreiben werde, kommt auf das Verständnis gegenüber dem Roman an

    Ich hoffe, dass Du eine Rezension dazu verfasst. Deine Meinung interessiert mich sehr. Das heißt, wenn Du Witzels Roman im Gesamtbild als lesenswert erachtest, werde ich ihn mir auch noch einmal holen und weiterzulesen versuchen. Ich kann ja nicht rigoros dagegen eingestellt sein, wenn ich Dreiviertel davon nicht gelesen habe (mir ist halt die Lust vergangen).

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog