Charles Dickens - Bleak House (ab 24.11.2014)

  • Ich melde mich mal zurück - sorry, tut mir wirklich leid, dass wir meinetwegen so ins Stocken geraten sind, ich bin nun aber wieder an Bord und habe auch schon weitergelesen, wen auch leider erst bis einschließlich Kapitel 7. Gleich im Anschluss werde ich mir aber eine Tasse Tee :montag: machen und weiter aufholen.


    es steht eine denkwürdige Übernachtung bei Mrs. Jellyby an, eine Dame die
    im wahrsten Sinne des Wortes menschenliebe aus der Ferne betreibt. Mrs. Jellyby kümmert sich so intensiv um Angelegenheiten in Afrika, dass es ihr wohl völlig
    entgeht, dass die Kinder die sie betreut in Schmutz und Elend leben.


    Das ist mir auch sehr nahe gegangen, die Kinder taten mir sehr leid ...


    Ist sie überfordert mit den Kindern? Läuft sie davon?


    Ich glaube, dass man mit guten Taten in fernen Ländern auch zu Dickens' Zeiten schon viel gesellschaftliche Anerkennung ernten konnte, und die scheint Mrs. Jellyby ja sehr wichtig zu sein. Vielleicht braucht sie diese Form der Bestätigung, weil sie wenig Selbstvertrauen hat? So traurig das auch ist, aber wer bekommt schon Briefe und Lob dafür, dass er seinen Haushalt in Ordnung hält und sich um seine Kinder kümmert?


    Kapitel 5
    Mit diesem Kapitel konnte ich ehrlich gesagt nicht so viel anfangen, ich fand es fast ein wenig surreal ... Wir treffen erneut auf die alte Dame vom Gericht, die den Ausflüglern Esther, Ada und Richard ihren Hauswirt Krook vorstellt, der einen Laden namens "Kanzleigerichtshof" betreibt, in dem er allerlei Krimskrams und Zeugs anbietet.


    Kapitel 6
    Jetzt lernen wir endlich Mr. Jarndyce kennen, der mittels eines Briefes vorab schon mal darauf hinweist, dass er keinen Dank erwartet, sehr bescheiden, aber auch irgendwie sonderbar. Ganz besonders merkwürdig finde ich seine Marotte, immer wieder auf den Wind und seine Richtung zu sprechen zu kommen, wenn ihm etwas unangenehm wird. Und: Esther meint in ihm ihren Kutschengefährten wiederzuerkennen.
    Außerdem wird eine weitere Figur eingeführt, Mr. Skimpole. Eigentlich wohl Arzt, aber laut Mr. Jarndyce von ausgesprochen kindlichem Gemüt. Ich finde ihn unerträglich - verantwortungslos, arrogant und manipulativ. Kindliches kann ich an ihm gar nichs finden. Interessant fand ich aber diese Stelle, auf S. 101:

    Zitat

    Ich fühle keine sogenannte Dankbarkeit für euch. Es kommt mir fast so vor, als ob ihr mir Dank schuldig wäret, weil ich euch Gelegenheit gebe, das Hochgefühl des Edelmutes zu genießen.


    Da musste ich irgendwie an das heutige Trash-TV denken, dessen Erfolg - glaube ich - zu einem Großteil darin besteht, dass Leute sich irgendwie höher oder intelligenter fühlen, wenn sie sich das ansehen ... Und natürlich hat Skimpole auch damit recht, dass viele Wohltäter sich besser fühlen, weil sie so viel Gutes tun. Mrs. Jellyby wäre ja auch so ein Beispiel. Trotzdem finde ich das ganz schön unverfroren, und prompt nutzt er Esthers und Richards Gutmütigkeit ja auch aus.


    Kapitel 7
    Wir sind zurück auf dem Landsitz der Dedlocks, lernen die Wirtschafterin, Mrs. Rouncewell, kennen. Dickens' Humor scheint wieder schön durch bei der Beschreibung des Landsitzes, ein echtes Vergnügen - der Truthahn, der wegen des seiner Art angetanen Unrechts per se grummelig ist :lol: Wir erfahren, das Sir Leicester kein Freund der Industrialisierung zu sein scheint, solche "Neigungen" sind ihm offenbar zuwider, zu revolutionär, und so musste Mrs. Rouncewell ihren begabten Sohn wegschicken. Sie bekommt Besuch von ihrem Enkel, und wir hören von einer Schauergeschichte, die sich um den Landsitz rankt.


    Ach ja: Und ob sich da wohl eine Romanze zwischen Ada und Richard anbahnt?

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

    :musik: Claire North - Die vielen Leben des Harry August


    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)

  • Hallo @daniii Schön, dass du wieder dabei bist.


    Mit diesem Kapitel konnte ich ehrlich gesagt nicht so viel anfangen, ich fand es fast ein wenig surreal ..


    Stimmt, surreal trifft es und das passt aber auch bei diesen äußerst skurrilen Herrschaften. Mir hat das gefallen, denn Dickens beschreibt diese scheinbaren Nebenfiguren
    so klar und bildhaft, dass man sie so schnell nicht vergisst. Nach der Beschreibung des alten Kroog könnte man glatt ein Porträt malen. (S.68)


    Zitat

    He was short, cadaverous, and withered; with his head sunk sideways between his shoulders, and the breath issuing in visible smoke from his mouth, as if
    he were on fire within. His throat, chin, and eyebrows , were so frosted with white hairs, and so gnarled with veines and puckered skin, that he looked, from his
    breast upward , like some old root in a fall of snow.


    Hinzu kommt, dass beide wohl intensiv mit dem Fall Jarndyce beschäftigt sind. Krook beschreibt ja dann auch noch den Selbstmord des Tom Jarndyce. Ich denke, dass
    wir von diesen zwar skurrilen, aber meiner Meinung gar nicht so verrückten Leuten, noch mehr hören werden.



    Ich finde ihn unerträglich - verantwortungslos, arrogant und manipulativ. Kindliches kann ich an ihm gar nichs finden.


    In einigen seiner Aussagen mag Wahrheit liegen, aber diese hochnäsige von oben herab Attitüde hat mich direkt gegen ihn eingenommen. Seine Funktion ist mir nicht ganz klar.
    Höchstens als "Klugschei..." des Hauses. Ansonsten scheint er wenig hilfreich.


    lg taliesin

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Kapitel 8


    In diesem Kapitel hat man die Entscheidung zwischen Pest und Cholera, heißt die Entscheidung wer abstoßender ist, der Ziegelbrenner der säuft und seine Frau
    schlägt, oder Mrs. Pardiggle, die mit ihrer Kinderschar durch die Lande zieht um den Unterpriviligierten zu "helfen".
    Mrs. Pardiggle fällt in die gleiche Kategorie wie die unsägliche Mrs. Jellyby. Auch sie kümmert sich um die Armen und beutet nebenbei ihre eigenen Kinder aus.
    Ob sie tatsächlich glaubt, dass das vorlesen religiöser Texte den Hunger der armen Leute stillt, ist schwer festzustellen.
    Auf jeden Fall ein weiteres Beispiel fehlgeleiteter Wohltätigkeit.


    Dabei beginnt dieses Kapitel mit einer beeindruckend schönen Beschreibung des aufkommenden Tages.


    Zitat

    As the prospect gradually revealed itself, and disclosed the scene over which the wind had wandered in the dark, like my memory over my life, I had a
    pleasure in discovering the unknown objects that had been around me in my sleep. At first they were faintly discernible in the mist, and above them the later
    stars still glimmered. That pale interval over, the picture began to enlarge and fill up so fast, that, at every new peep, I could have found enough to look at
    for an hour.


    Esther scheint im Bleak House genau an der richtigen Stelle zu sein. Sie fühlt sich wohl und beginnt den neuen Tag mit den ihr zugewiesenen Aufgaben.


    Vor dem unplanmäßigen Ausflug mit Mrs. Pardiggle ruft sie Mr. Jarndyce zu sich und es scheint, dass dieser eine Menge von Esther erwartet. Er versucht ihr den
    Fall Jarndyce und die Tücken die er beinhaltet zu erklären und gleichzeitig zieht er sie zu Rate, was mit Richard geschehen soll. Das ist schon eine Menge Verantwortung
    die der jungen Frau da zugetraut wird. Klar wird auch wieder, dass der Fall Jarndyce immer mehr Opfer fordert und ein Ende nie abzusehen ist.


    Jetzt aber weiter mit Kapitel 9.............. :study:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Kapitel 5
    Mit diesem Kapitel konnte ich ehrlich gesagt nicht so viel anfangen, ich fand es fast ein wenig surreal ... Wir treffen erneut auf die alte Dame vom Gericht, die den Ausflüglern Esther, Ada und Richard ihren Hauswirt Krook vorstellt, der einen Laden namens "Kanzleigerichtshof" betreibt, in dem er allerlei Krimskrams und Zeugs anbietet.


    Für mich verkörpert die alte Dame die "Seele" des Gerichts. Also, wäre das Gericht eine Person, dann würde es sich vermutlich genau so wie sie verhalten :)
    Und Krook ist sowas wie der "Keller" des Gerichts - nimmt alle Sachen an und gibt nichts mehr raus :-)
    Die beiden passen so schon recht gut zusammen :-)


    Im Kapitel 6 gefallen mir die "erstaunlichen und erstaunten" Vögel, die im Wohnzimmer in Glaskästen hängen :lol:
    Scheint ja alles in allem ein sehr ungewöhnliches Haus zu sein.
    Was Mr. Skimpole angeht: ich habe mir diese Stelle unterstrichen:

    Zitat

    Kurz, er sah aus wie ein romantischer Jüngling, der einen eigenartigen Selbstentwertungsprozeß durchgemacht hat,...


    Hat was von "Aussteiger" :) Er hatte mal eine sehr große Verantwortung und ein hohes Ansehen, aber er hat einfach keine Lust mehr darauf und sich einen Weg gesucht, rauszukommen und dennoch gut zu leben. Scheint ihm gelungen zu sein.

  • Außerdem wird eine weitere Figur eingeführt, Mr. Skimpole. Eigentlich wohl Arzt, aber laut Mr. Jarndyce von ausgesprochen kindlichem Gemüt. Ich finde ihn unerträglich - verantwortungslos, arrogant und manipulativ.


    Also, in Kapitel 8 hat er ja auch nochmal einen coolen Auftritt :-) Da habe ich mir seine "Drohnenphilosophie" eingekreist :lol:
    In seiner Welt gibt es die Bienen, die richtig gern schuften und Honig sammeln, obwohl das ja niemand von ihnen verlange. Und dann gibt es da die Drohne, die lieber rausfliegt, um was von der Welt zu sehen und sich von denen versorgen lässt, deren Lebenszweck die Arbeit ist :D
    So ganz Unrecht hat er ja nicht: es gibt viele Menschen, die sich über ihre Arbeit definieren und wirklich Scheuklappen tragen, was die Welt drumrum angeht. Er ist das andere Ende dieser Skala - er arbeitet gar nicht und lebt einfach so in den Tag hinein.


    Und um es mal mit Mr. Jarndyce zu sagen (der das aber auf die Familie Pardiggle bezieht):


    Zitat

    ...daß es zwei Klassen von Leute gäbe; die einen, die wenig tun und viel Lärm machen, die anderen, die gar keinen Lärm machen und viel tun."


    Also gibt es Schwätzer und Macher. Vielleicht war Skimpole mal ein Macher und hat aber beschlossen, lieber ein Schwätzer zu werden, denn die kommen ja auch durchs Leben :wink:


    Und dann ist da noch diese unsägliche Mrs. Pardiggle, die ihre Kinder voll einspannt, um sich groß hervorzutun. Kinder scheinen insgesamt schlecht weg zu kommen in dieser Geschichte...

  • Also, in Kapitel 8 hat er ja auch nochmal einen coolen Auftritt :-) Da habe ich mir seine "Drohnenphilosophie" eingekreist


    Ich mag den Kerl immer noch nicht. Seine Drohnenphilosophie ist zwar unrealistisch, doch schon ziemlich witzig. Na ja, ein Körnchen Wahrheit trägt sie wohl in sich.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Für mich verkörpert die alte Dame die "Seele" des Gerichts. Also, wäre das Gericht eine Person, dann würde es sich vermutlich genau so wie sie verhalten
    Und Krook ist sowas wie der "Keller" des Gerichts - nimmt alle Sachen an und gibt nichts mehr raus :-)
    Die beiden passen so schon recht gut zusammen :-)


    Die Interpretation gefällt mir :thumleft:


    In diesem Kapitel hat man die Entscheidung zwischen Pest und Cholera, heißt die Entscheidung wer abstoßender ist, der Ziegelbrenner der säuft und seine Frau
    schlägt, oder Mrs. Pardiggle, die mit ihrer Kinderschar durch die Lande zieht um den Unterpriviligierten zu "helfen".


    Oh ja, das ging mir ganz ähnlich. Mrs. Pardiggle ist wirklich eine furchtbare Frau ... Unerträglich, wie sie ständig darauf hinweist, dass man sie nicht ermüden kann. Und die Geschichte mit dem sterbenden Kind und der verprügelten Frau ist mir sehr nahe gegangen.



    Da habe ich mir seine "Drohnenphilosophie" eingekreist


    Die Stelle habe ich mir auch angstrichen. Sympathischer wird mir der Kerl aber nicht, denn:

    lieber ein Schwätzer zu werden, denn die kommen ja auch durchs Leben


    Genau. Unerträglich. Wenn er wenigstens andere Leute nicht behelligen würde. Aber er schwätzt sich seine Weltanschauung so zurecht, wie er sie grad brauchen kann und übernimmt keine Verantwortung für sein Tun. Und das geht ja mal gar nicht [-(


    Weiter gehts ...

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

    :musik: Claire North - Die vielen Leben des Harry August


    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)

  • Kapitel 9


    Eine sehr schöne Idee von Dickens, die gute Esther gleich zu Beginn des Kapitels den Leser direkt ansprechen zu lassen. Sie entschuldigt sich dafür, eine so
    große Rolle in der Geschichte zu spielen und so über sich und andere Personen erzählen zu müssen.
    Die Erkenntnis, dass sie wohl wichtig für den Fortlauf der Geschichte ist und deshalb diese Rolle einnimmt ist schon allerliebst. :wink:


    Dann lässt Dickens eine weitere außergewöhnliche Figur auftreten. Mr. Boythorn, den Jarndyce einen ganz besonderen Vogel nennt, war mir gleich symphatisch.
    Er wirkt fröhlich, laut und manchmal etwas grob, aber er scheint auch ein gutes Herz zu haben. Wie er die Familie des Sir Leicester beschreibt, lässt keinen Zweifel
    bezüglich seiner Einschätzung zu. Einfach herrlich. S. 144


    Zitat

    ....that fellow is, and his father was, and his grandfather was, the most stiff-necked, arrogant, imbecile, pig-headed numskull, ever, by some inexplicable
    mistake of Nature, born in any station of life but a walking-stick`s!


    Esthers Einschätzung des Mr. Boythorn scheint auf den ersten Blick zu stimmen. Ein Mann der sich um nichts Sorgen macht und das Leben als Sommerspaß betrachtet.
    Allerdings ändert sich diese Einschätzung ein wenig durch einen kurzen Dialog zwischen Mr. Jarndyce und Esther. S. 147


    Zitat

    You are right, little woman, he answered. He was all but married, once. Long ago. And once.
    Did the lady die?
    No - but she died to him


    Also doch ein Mann mit gebrochenem Herz, der seinen Schmerz durch eine fröhliche Fassade zu verbergen sucht. Aber wie auch immer, er bringt frischen Wind
    in`s Bleak House.


    Die Szene in der Esther einen sehr unerwarteten Heiratsantrag bekommt hatte schon etwas mitleidvolles. Wie kommt der Mann auf so eine Idee? Er kennt Esther
    nur vom Sehen. Das ist selbst für heutige Zeiten etwas zu flott, oder?


    Esther ist entsprechend verwirrt, aber diese Szene hat doch eine Saite in ihr berührt die lange nicht mehr erklungen ist. Bin gespannt ob das noch Folgen haben wird.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Ist es wirklich Mr. Guppy, der Esther zum Weinen bringt oder vielleicht doch eher Mr. Boythorn (wieder ein interessanter Name)? Ich glaube, Guppy hat sie schnell abgehakt, der war ja ziemlich seltsam und rechnete ihr nur seinen Lebensunterhalt vor. Ich denke, wesentlich mehr berührt hat sie das Zusammentreffen mit Boythorne, der Mann, der ein gebrochenes Herz hat, mit anderen prozessiert und dabei doch nicht verbittert ist, sondern ein weiches und recht optimistisches Wesen hat.


    Na und Richard zeigt ja alle Anzeichen dafür, später im Leben wie Skimppole zu werden - er pflegt einen ähnlich sorglosen Umgang mit Geld :wink: Aber schieben wir das vorerst auf seine Jugend und Verliebtheit ;-)

  • Ist es wirklich Mr. Guppy, der Esther zum Weinen bringt oder vielleicht doch eher Mr. Boythorn (wieder ein interessanter Name)?


    Ich denke, da hast du recht, denn Guppy hat sie ja wohl eher genervt, während Boythorn ein sehr interessanter und herzlicher Charakter ist. Der Name Boythorn könnte auch
    ein auf den Charakter hinweisen, da er schon ein wenig wie ein ausgelassener Junge wirkt. >Thorn< könnte auf seine Kampfbereitschaft hindeuten, wenn es um
    Ungerechtigkeiten geht. Aber ok. das ist jetzt eher Spekulation.


    Um Richard muss man sich wohl Sorgen machen, denn sein leichtfertiger Umgang mit Geld bedeutet nichts Gutes.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Eine sehr schöne Idee von Dickens, die gute Esther gleich zu Beginn des Kapitels den Leser direkt ansprechen zu lassen. Sie entschuldigt sich dafür, eine so
    große Rolle in der Geschichte zu spielen und so über sich und andere Personen erzählen zu müssen.
    Die Erkenntnis, dass sie wohl wichtig für den Fortlauf der Geschichte ist und deshalb diese Rolle einnimmt ist schon allerliebst.


    Das hat mir auch gut gefallen! Überhaupt finde ich, dass Esther eine recht liebenswürdige Figur ist und ihr Licht zu oft unter den Scheffel stellt. Ihre Beobachtungsgabe finde ich ganz großartig!


    Die Szene in der Esther einen sehr unerwarteten Heiratsantrag bekommt hatte schon etwas mitleidvolles. Wie kommt der Mann auf so eine Idee? Er kennt Esther
    nur vom Sehen. Das ist selbst für heutige Zeiten etwas zu flott, oder?


    Das hat mich auch sehr irritiert. Ich musste zunächst ganz kurz an den Heiratsantrag denken, den Elizabeth Bennet von ihrem Cousin (?) Mr. Collins in Pride and Prejudice bekommt, da waren die Umstände zwar andere, aber der Antrag war nicht weniger unsinnig. Ein bisschen überrascht war ich von der selbstbewussten Vehemenz, mit der Esther den Antrag zurückweist. Sie hat nicht versucht, sich blumig-diplomatisch rauszureden, sondern findet recht klare Worte.


    Boythorn finde ich toll. War mir sofort sympathisch - ein polternder Charakter mit einem großen Herzen. Das Bild, wie er mit dem Kanarienvogel auf dem Kopf da sitzt ... herrlich! Mit Sir Leicester führt er einen Prozess ums Wegerecht, die Beschreibung hat mich durchaus auch an heutige Nachbarschaftsstreitigkeiten erinnert.


    Im Kapitel 10 treffen wir Mr Tulkinghorn wieder, und es endet mit dem Fund eines Toten in Krooks Haus. Ich habe mein Buch leider nicht hier, deswegen kann ich grad nicht mehr dazu schreiben - Gedächtnis wie ein Sieb :pale: Spannend fand ich aber in Kapitel 11 die "Ermittlungen" zur Todesursache. Statt CSI das Zusammentragen von Klatsch und Tratsch aus der Nachbarschaft :wink:


    Später - mit Buch - mehr :winken:

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

    :musik: Claire North - Die vielen Leben des Harry August


    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)

  • Ich nehme mal direkt Kapitel 12 mit dazu, weil ich hier erst komplett verstanden habe, wer genau der Schreiber ist, der an der Opiumdosis gestorben ist :uups: Tatsächlich war es ja Lady Dedlock, die sich im zweiten Kapitel vor lauter Langeweile mal kurz dafür "interessiert" hat, wessen Handschrift das wohl auf dem Affidavit war, das Mr. Tulkinghorn vorgelesen hat. Nun reißt sie die "Schauergeschichte" um den verstorbenen Schreiberling - zum Entsetzen von Sir Leicester, in dessen Augen diese Geschichte ganz und gar nicht für weibliche Ohren bestimmt ist - kurzzeitig aus ihrer nach wie vor omnipräsenten Langeweile. Denn auch in Paris hat die Gute sich "zu Tode gelangweilt" (S. 206) :roll: Nichts kann sie offenbar aus diesem Zustand dauerhaft befreien, alles ödet sie an und ermüdet sie. In diesem Zusammenhang hat mir folgende Stelle auf S. 207 mehr als ein Schmunzeln entlockt:

    Zitat

    Sie ist müde vom Lesen. Sie hat während der letzten zwanzig Meilen beinahe eine ganze Seite gelesen.

    Ein Roman von Dickens wäre wohl eher nichts für sie :loool:


    Nun sind sie und Sir Leicester auf ihren Landsitz zurückgekehrt und Mr. Tulkinghorn berichtet vom Verlauf des Rechtsstreites gegen Boythorn, dem Sir Leicester nicht einen Milimeter nachgeben möchte, da er ihn für einen starrsinnigen Charakter hält und es zwischen ihm und Mr. Boythorn "keinen nebensächlichen Punkt geben" kann (S. 219), in dem er ein Entgegenkommen zeigen könnte. Fragt sich, wer hier eigentlich starrköpfig ist :wink:


    Amüsant fand ich auch die Kammerzofe, die sich eifersüchtig über Lady Dedlocks wohlwollende Meinung über Rosa, die wir in Kapitel 7 bereits kennen gelernt haben, aufregt in einer Art und Weise,

    Zitat

    daß der zärtliche Bediente, der ihr Gesellschaft leistet, sich geradezu erleichtert fühlt, als sie bei der Mehlspeise das Messer weglegt und wieder zum Löffel greift. (S. 213)


    Und der Enkel von Mrs. Rouncewell, Watt, ist auch wieder da und scheint sich weiter sehr für Rosa zu interessieren. Auch von den beiden werden wir sicher noch mehr lesen.


    Überhaupt gefällt es mir gut, wie nach und nach die Verbindungen zwischen den einzelnen Schauplätzen und Figuren aufgezeigt werden. Manchmal fällt es mir doch nicht ganz leicht, den Überblick zu behalten. Nun freue ich mich auf das 13. Kapitel, in dem Esther weiter erzählt. Die Kapitel aus Esthers Sicht gefallen mir im Moment doch am besten :)

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

    :musik: Claire North - Die vielen Leben des Harry August


    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)

  • Ich nehme mal direkt Kapitel 12 mit dazu, weil ich hier erst komplett verstanden habe, wer genau der Schreiber ist, der an der Opiumdosis gestorben ist


    Hm, ich habe das immer noch nicht verstanden :-k Muss später nochmal genauer reinlesen.

  • Im zweiten Kapitel liest Tulkinghorn bei den Dedlocks dieses Affidavit (ein Wort, das ich im Übrigen jetzt endlich mal nachgeschlagen habe) vor, und Lady Dedlock wirft einen Blick drauf und fragt plötzlich ganz "impulsiv", wie es auf S. 28 heißt, wer das denn geschrieben habe. Aus irgendeinem Grund ist ihr die Schrift aufgefallen und hat sie kurz aus ihrer Lethargie gerissen - vielleicht erfahren wir noch mehr darüber. Warum genau Mr. Tulkinghorn sich dann allerdings tatsächlich auf die Suche nach dem Schreiber begibt, müsste ich jetzt auch noch mal nachblättern, ich glaube, ich war bei der Lektüre des 10. Kapitels etwas müde ...

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

    :musik: Claire North - Die vielen Leben des Harry August


    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)

  • Warum genau Mr. Tulkinghorn sich dann allerdings tatsächlich auf die Suche nach dem Schreiber begibt, müsste ich jetzt auch noch mal nachblättern, ich glaube, ich war bei der Lektüre des 10. Kapitels etwas müde ...


    Ich glaube, das wird erst später erwähnt. Und ich vermute stark, dass da nach und nach ein paar Handlungsfäden zusammengesponnen werden. Ein paar Ideen habe ich schon, wie einige Personen miteinander in Verbindung stehen könnten. Ich bin gespannt, ob es sich bewahrheiten wird.

  • Denn auch in Paris hat die Gute sich "zu Tode gelangweilt" (S. 206) Nichts kann sie offenbar aus diesem Zustand dauerhaft befreien, alles ödet sie an und ermüdet sie. In diesem Zusammenhang hat mir folgende Stelle auf S. 207 mehr als ein Schmunzeln entlockt:


    Es ist nicht nur die Fraktion der Juristen und Schreiberlinge die bei Dickens recht kritisch beäugt wird, sondern auch der reiche Adel. Bei der stets gelangweilten
    Gattin von Sir Leicester hat @daniii es schon erwähnt Beim Sire selbst trieft das nur so vor Ironie.


    Zitat

    Sir Leicester is generally in a complacent state, and rarely bored. When he has nothing else to do, he can always contemplate his own greatness. It is a
    considerable advantage to a man, to have so inexhaustible a subject.


    Der Sire ist halt einer von den Herren des Adelsstandes, der glaubt, dass er nur aufgrund seines Standes alles für sich beanspruchen kann. Und dieser Herr nennt
    dann Boythorn starrsinnig.


    Jetzt bin ich gespannt, was Esther so zu erzählen hat. Im Kapitel mit dem Heiratsantrag haben wir ja schon eine andere, neue Seite von Esther kennengelernt.
    Ich war schon sehr überrascht diese Seite der sonst so diplomatischen Esther zu erleben. Die charakterliche Entwicklung von Esther bleibt auf jeden Fall spannend.


    Ebenso spannend auch die von @sonham schon erwähnte Entwicklung hinsichtlich der vielen Handlungsfäden, die dann wohl so langsam zusammengeführt werden.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Kapitel 13


    Esther erzählt in diesem kapitel von der schwierigen Aufgabe eine Tätigkeit für Richard zu finden. Mr. Jarndyce ist davon überzeugt, dass Richard charakterliche
    Unentschlossenheit auf den Prozess zurückzuführen ist, der in ihm die Gewissheit nährte, dass alles schon irgendwie zu einem Ende kommt wenn man nur abwartet.
    Esters Idee ist ungleich nachvollziehbarer. Sie sagt, dass Richard während seiner Schulzeit niemanden hatte,der versucht hat seine natürlichen Fähigkeiten heraus-
    zufinden und zu fördern. Alles was er gelernt hat, ist ein paar lateinische Sätze zu bilden.


    Der junge Mann ist aber auch ein schwieriger Fall. Er fühlt sich zu nichts hingezogen, springt aber bei der Erwähnung des medizinischen Berufes fast aus der Hose
    vor Freude. Das will er unbedingt lernen und man findet auch gleich etwas für ihn. Ada muss er für die Zeit der Ausbildung jedoch verlassen.
    Er baut sofort wieder Luftschlösser, aber ich hatte das Gefühl, dass all dies nicht mehr als ein Strohfeuer ist. Dickens beschreibt das am Ende anhand eines sehr
    bedeutungsschweren Vergleiches. Ich glaube, um die Zukunft von Ada und Richard muss man sich sorgen. (S. 214)


    Zitat

    So they passed away into the shadow, and were gone. It was only a burst of light that had been so radiant. The room darkened as they went out, and the
    sun was clouded over.


    Zwischendurch lernen wir dann noch den neuen Mentor von Richard kennen. Mr. Badger und Gattin sind schon ein seltsames Paar. Er ist Ehemann Nr. 3 und beide
    sprechen ständig von den beiden verstorbenen Ehemännern der Gattin. Es hängen sogar Portraits der beiden an der Wand. :shock:


    Mr.Guppy gibt auch nicht so schnell auf. Er entwickelt sich zum Stalker und macht der armen Edith das Leben schwer. Edith selbst erwähnt ganz zum Schluss dann noch
    einen jungen Chirugen, den sie auf der dinner party gesehen hat. Mal schauen was daraus werden könnte.


    Im vierzehnten Kapitel geht es dann um den Auserwählten der jungen Miss Jellyby, die unbedingt aus dem Dunstkreis ihrer Mutter entkommen will. Der Vater des
    Auserwählten ist allerdings eine ziemlich abscheuliche Person und das alles stimmt den Leser nicht gerade optimistisch was die Zukunft der beiden angeht.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Der junge Mann ist aber auch ein schwieriger Fall. Er fühlt sich zu nichts hingezogen, springt aber bei der Erwähnung des medizinischen Berufes fast aus der Hose
    vor Freude.


    Allerdings ... ich habe mir folgende Stelle angestrichen, wo für mich auch ziemlich deutlich wurde, wie orientierungslos Richard ist (S. 225):

    Zitat

    "Ich rudere sehr gern, und Jurisstudenten betreiben viel Wassersport. Es wäre vielleicht ein ganz kapitaler Beruf."

    Hier hat das eine nichts mit dem anderen zu tun - das wäre in etwa so, als wäre ich Germanistik studieren gegangen, weil die Geisteswissenschaftler so viel ins Kino gehen ...


    Zwischendurch lernen wir dann noch den neuen Mentor von Richard kennen. Mr. Badger und Gattin sind schon ein seltsames Paar. Er ist Ehemann Nr. 3 und beide
    sprechen ständig von den beiden verstorbenen Ehemännern der Gattin. Es hängen sogar Portraits der beiden an der Wand.


    Die beiden fand ich total sonderbar, fast schon pathologisch, wie Ehemann Nr. 3 sich über die verblichenen beiden Ehemänner definiert. Es gibt nichts an diesem Abend, was nicht irgendeinen Bezug zu einem der verstorbenen Männer hätte, Mrs. Badger hat jeden ihrer Männer am gleichen Tag geheiratet und selbst der Wein stammt noch aus Kapitän Swossers Bestand. Schon irgendwie traurig, dass das Ehepaar so gar kein eigenes Leben zu haben scheint.


    In den jungen Chirurgen setze ich auch eine gewisse Hoffnung, was Esthers Liebesleben angeht :wink: Sie stellt ihre Interessen doch arg hinten an ... wie auch Mr. Jarndyce ihr zu verstehen gibt (S. 242):

    Zitat

    "Aber wir müssen auch Sorge tragen, daß das Leben unsres kleinen Mütterchens nicht ganz allein von der Sorge um andre ausgefüllt wird."

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

    :musik: Claire North - Die vielen Leben des Harry August


    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)

  • Ich lese noch mit, komme nur momenatn selten zum Kommentieren :-)


    Also, ich hab damals Jura studiert, weil ich gern Krimis gelesen hab :-,
    So wie Richard sind doch viele, die mit der Schule fertig sind: keine Ahnung, was man werden will und man verfolgt die erste Idee, die irgendwie spaßig klingt ;-)


    Kapitel 14 lese ich jetzt :)