Kurzbeschreibung und Autoreninfos laut Wikipedia und Literaturdatenbank Niedersachsen: Der Roman erzählt die Geschichte zweier Familien über drei Generationen, "einfache Leute", die um 1890 im Zuge der Industrialisierung aus den ländlichen Gebieten (Wendland, Osnabrücker Land, Pommern) in die Städte Linden und Hannover ziehen. Hauptpersonen des Romans sind die Kinder der kleinbürgerlichen Handwerkerfamilie Meidner in Linden und der ärmlichen Arbeiterfamilie Behrens in Döhren. Zwei der Kinder beider Familien werden schließlich heiraten und wiederum zwei Kinder bekommen. Der Roman endet in der Nachkriegszeit Ende der 1940er-Jahre.
Adam Seide (1929-2004) war ein in Hannover-Linden als Sohn einer Arbeiterfamilie geborener Schriftsetzermeister, Galerist, Autor, Herausgeber, Kunst- und Theaterkritiker. 1958 eröffnete er in Hannover die erste private Galerie der Stadt. Bis 1974 gab er mehrere Literaturzeitschriften heraus. 1962 Umzug nach Frankfurt am Main. Ab 1979 veröffentlichte er mehrere Romane. 1982 wurde er erster Stadtschreiber im westfälischen Unna. Seit Seit 1998 lehrte er als Dozent an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe „Literatur und Neue Medien“. In Zusammenarbeit mit seinen Studenten setzte er vielfältige Projekte um, so begründete er beispielsweise den Gedichtgenerator „Versfabrik“.
Nach den Anfangskapiteln kann ich schon einmal sagen, dass mir der Tonfall gerade unglaublich gut gefällt. Ein Art und Weise des Erzählens, die auf eine angenehme altertümlich erscheint, weil sie sehr ruhig, lakonisch und unaufgeregt Menschen, Orte, Sachverhalte und Szenen beschreibt. Ein irgendwie demütiger Tonfall, der niemandem etwas beweisen muss. Der beschriebenen Zeit angepasst finden sich auch einige schöne, wenn auch angestaubte Ausdrücke, zum Beispiel "sich verfügen". Die Sprachmelodie ähnelt gesprochener Sprache, als würde man in einer Kneipe einer langen Lebensgeschichte lauschen, im Hinterzimmer wird gelärmt, vorne sitzen die ruhigen Trinker, flüstern, rauchen und hören zu. Mit gesprochener Sprache meine ich dabei natürlich nicht jene Umgangssprache, wie sie heutzutage gerne in Romanen (vor allem in Dialogen) verwendet wird, um Authentizität auszudrücken (mit vielen verschluckten Buchstaben und Endungen, Straßenausdrücken und dauernden Bindestrichen, die Satzpausen wiedergeben sollen - als könnte man nicht selber beim Lesen modulieren... ).
Der Eindruck eines gesprochenen Textes rührt bei Adam Seides Roman eher von dem Satzbau her, der nicht verschachtelt ist, sondern Satzteile aneinander reiht, die Reihenfolge manchmal umstellt, adverbiale Bestimmungen nicht in die Sätze einpasst, sondern ans Ende hängt, so wie man es eben auch handhaben würde, fielen einem während des Redens noch genauere Erklärungen und Beschreibungen ein. Wird etwas aufgezählt, wird oft auf die abschließende Konjunktion "und" verzichtet, als wisse der Erzähler nicht genau, ob da nicht vielleicht doch noch eine Aufzählungselement folgt. Der Romanerzählung (aus ferner Zeit) ist so leichter zu folgen, als wären die Sätze akkurat gedrechselt.
Momentan werden die familären Grundlagen geklärt. Die Rollen der Väter und der Mütter folgen strengen gesellschaftlichen Vorgaben. Die gute Stube wird nur am Sonntag betreten, der Vater bekommt die großen Essensportionen und sollte sonst nicht groß belästigt werden, bei sonntäglichen Familienausflügen im Vorzeige-Park tragen alle Sonntagsstaat (das heißt für Jungen: Matrosenanzug) und Papa erklärt, was man im Park sieht. Die Kinder erleben typische Spiel- und Kinderbandenabenteuer auf den Straßen und in der Natur.
Interessant ist, dass ich während des Lesen fast sofort - wie als Erzählerstimme - den Tonfall des 1981 gestorbenen Schauspielers Hans Söhnker im Ohr habe, der bei diversen Kinderhörspielen und Lesungen als Erzähler und Sprecher mitwirkte (zum Beispiel bei Erich Kästners Emil und die drei Zwillinge, was sich mir besonders eingebrannt hat). Tatsächlich bringt mich dieser Erinnerung darauf, dass mich die Art der Erzählung, die Sprachmelodie ein wenig an Erich Kästner erinnert, den ich allerdings nur aus seinen Kinderbüchern und Nachdichtungen kenne, auf seine "erwachsenen Bücher" mag das nicht zutreffen.