Guten Abend,
kürzlich habe ich einen kleinen (satirisch angehauchten) Roman fertiggestellt, der als ebook (Titel "Kursverlust - Szenen einer Krise) zur Verfügung steht. Anlass war die Finanzkrise des 21. Jahrhunderts, über deren Agitationen und Krisenbewältigungs-Szenarien spätere Generationen nur den Kopf schütteln können.
Nachfolgend möchte ich eine kleine Leseprobe anbieten und würde mich über konstruktive Beurteilungen freuen.
Recht herzlichen Dank und Grüße
Marlen
„Nummer 811 bitte in Raum 21“
Der Blick fällt auf seine Schuhspitzen, die wie immer frisch
poliert glänzen und mit dem scheinbar erst neu verlegtem
Linoleumbelag der riesigen Wartehalle um die Wette spiegeln. Ein
seltsamer Geruch aus einem Gemisch von Bohnerwachs, Schweiß und
Misserfolg schwebt über den Wartenden, die wie angewurzelt auf den
an der Wand befestigten Klappstühlen verharren. Eine überwältigende
Stimmung der Resignation schnürt ihm fast die Kehle zu, als sein
Blick die LED-Anzeige der Nummernanlage streift.
„763 bitte in Raum 16“, fordert eine blechern klingende Stimme
eindringlich und bestimmend auf. Sein Blick taxiert das Stückchen
verstärktes Papier in seinen Händen. Es trägt die Nummer 811 und
sieht aus wie eine billige Kinokarte. Langsam lockert er seinen
steifen Krawattenknoten und hebt vorsichtig den Kopf, um sich
ein näheres Bild von seinem Umfeld zu verschaffen. Gegenüber redet
sich gerade eine ungepflegt wirkende Blondine in Rage, während ihr
Sitznachbar zur Linken wohl eingeschlafen ist. Ein Mann weiter rechts
nestelt an einem Stapel Unterlagen herum, den er umklammert, als wäre
es sein ganzer Besitz.
„Auch arbeitslos?“, raunzt es plötzlich neben ihm. Georg von
Lakin dreht sich zur Seite und sieht in lauernde, leicht
blutunterlaufene Augen. Klingt das etwa nach Schadenfreude? Grimmig
und beinahe etwas zu hektisch wehrt er den in seiner Sicht allzu
neugierigen Angriff auf seine Person mit einem schroffen „NEIN!“
ab und wendet sich wieder der schrillen Blondine zu. Mit ihrer viel
zu großen Klappe scheint sie der puren Angst vor der Zukunft
davonlaufen zu wollen, während sich alle anderen Gespräche in einem
unverständlichen Gemurmel verlieren.
„811 bitte in Raum 21“ scheppert es nun energisch aus dem
Lautsprecher über der LED-Anzeige. Als könne es der ungeduldig
wartende Sachbearbeiter gar nicht abwarten, den nächsten Fall unter
seine Fittiche zu bekommen, scheppert es gleich noch einmal: „811
bitte umgehend in Raum 21.“ Hastig richtet Lakin seinen gelösten
Krawattenknoten zurecht und klemmt den mitgebrachten Aktenordner
unter den Arm. „Herr Trompt, Integration“ steht in sauberen
Lettern auf dem Schild an der Tür. Es hört sich irgendwie
unausweichlich an.
„Herr Lakin?“ Der abschätzende und unpersönliche Blick des
Sachbearbeiters berührt ihn flüchtig, aber unangenehm. Eine kurze
Geste weist ihm den Platz hinter dem aufgeräumten und blitzsauberen
Schreibtisch. „Von...“ haucht der Angesprochene korrigierend,
„von Lakin...“ und nimmt den ihm zugewiesen Platz ein. Unsicher
wie ein Schuljunge und voller Unruhe reibt er seine Handflächen auf
dem Stoff seiner Hose hin und her, als gebe es Bedrohliches zu
verhindern...