Peter Pitsch - Anwesenheit

  • Kollege J. Mertens schrieb anlässlich der Veröffentlichung: (...) "Anwesenheit" heißt sein neuester Band mit Gedichten und Kurzprosa, der jüngst erschien. Und der Titel ist Programm: Peter Pitsch ist seit jeher bekannt für seine Unbarmherzigkeit im Bezug auf die verbale Demaskierung scheinbar harmloser alltäglicher Begebenheiten. Und man spürt beim Eintauchen in die oft mysteriös formulierten Texte tatsächlich eine Anwesenheit: die Anwesenheit schauriger Wahrheiten, die innerhalb der verlogenen Welt des Glamour verschwiegen und von "gesellschaftlich funktionierenden" Zeitgenossen gern übersehen werden. Und anwesend muss auch der Leser sein beim Studium (so sollte man es schon nennen) der äußerst tiefgründigen Episoden, denn "Anwesenheit" ist keine Sammlung gedichthafter Geburtstagsgrüße, "Anwesenheit" ist REALITÄT ohne Gnade - ein endloses Graffiti, das sich mit unauslöschlicher Farbe über den Verstand, die Erkenntnis des Lesers ausbreitet.
    Dass der Autor in dieser Hinsicht keine Tabus scheut, bewies er bereits in seinem Buch "Übelungen". "Anwesenheit" schürft wesentlich tiefer und verbindet keineswegs die durch diesen Band entstandenen Wunden, sondern fügt im Gegenteil noch wesentlich tiefere hinzu. So lassen sich Pitschs "Übelungen", die berechtigterweise als Vorgänger des aktuellen Bandes angesehen werden können, rückwirkend wie ein Vorwort betrachten. "Anwesenheit" ist ihre logische Konsequenz, denn wer nicht hören will ... muss lesen!



    Gespeichert


    Im Schatten der globalen Netze,
    vermehren sich die leeren Sätze,
    aus wahren Lügen geht hervor,
    perfides Summen senkt ins Ohr,
    Utopien, die den Sinn verzehren,
    Fortschritten ihr Ziel verwehren,
    Los der Welt auf Schirm gebannt,
    Totgeburt reift beim Versand,
    Übermaß begrenzt die Vielfalt,
    zu viel Masse aufs Gehirn prallt,
    gekappter Reiz der Flüchtigkeit,
    immer neues Link verzweigt.



    Insomnie


    Schlaflos zusammengerollt um eine wirbelnde Mitte,
    den Splittern des Lebens jagt der Gedanke hinterher,
    elektrische Impulse schließen sich kurz zu einer Bitte,
    jedes Fragment der Wirrnis rast pausenlos verquer.


    Übers Panoptikum neigt die Schwerkraft eine Hand,
    sinkt die Schläfe in einen Pol aus ermüdender Ruhe,
    leise schlüpft der Traum unters schwelende Gewand,
    als wäre er seit jeher dort gebettet, mitten im Flusse.


    Ein Gigant misst seinen Umfang am gedämpften Blau,
    flackernde Lider eröffnen ein Auge jenseits der Nacht,
    aufspritzend wie eine lachende Stimme im Morgentau,
    die Vision stürzt erdwärts und das Mysterium erwacht.