Chandrahas Choudhoury - Der kleine König von Bombay

  • Klappentext:
    Arzee, von kleinem Wuchs, hat große Träume. Er träumt davon, an die erste Stelle zu rücken, wenn der alte Filmvorführer Phiroz in Ruhestand geht. Er träumt von Liebe, einer Frau, die nachts neben ihm liegt. Oft aber hat er auch Angst. So fühlt er sich an einem Tag wie ein Bettler und am nächsten wie ein König. Unter dem Dach des »Noor«, eines der letzten legendären Filmtheater, ist er groß. Spät nachts, wenn er allein durch die leeren Straßen Bombays nach Hause geht, ganz klein. Doch Noor heißt Licht, und dieser Lichtstrahl, der die Illusion in die Dunkelheit des Kinos trägt, weist Arzee einen Weg, hinaus, ins Freie. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Chandrahas Choudhury wuchs in Bombay auf. Er studierte in Delhi und in Cambridge und lebt heute in Delhi. Choudhury ist als Literaturkritiker unter anderem für den Observer, die New York Times Books Review und den Sunday Telegraph tätig und schreibt seinen eigenen Literaturblog The Middle Age. ›Der kleine König von Bombay‹ ist sein erster Roman, der von der indischen Presse hymnisch gefeiert wurde. (von der Verlagsseite kopiert)



    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Arzee the Dwarf
    Übersetzt von Kathrin Razum
    Erstmals erschienen 2009 bei Harper Collins India
    13 Kapitel auf 258 Seiten und kleine Danksagung.
    Die Geschichte wird durchgehend aus der personalen Erzählperspektive Arzees erzählt.
    Hier findet man weitere Informationen zum Buch, ein Interview mit dem Autor, Buchtrailer u.a.


    Inhalt:
    Arzee lebt mit seinem normal gewachsenen jüngeren Bruder bei der Mutter. Er liebt seinen Beruf als Filmvorführer und amüsiert sich in seiner Freizeit beim Kartenspiel. Außer Kontakten zu Arbeitskollegen und Nachbarn hat er keine Freunde. Mit bemerkenswerter Stärke stellt er sich den Problemen, die sein Kleinwuchs im Alltag bereitet.
    Doch statt der Erfüllung seines Traums, neuer Chef-Filmvorführer des Kinos zu werden, bekommt er die Nachricht, dass es geschlossen wird. Arzee braucht dringend eine neue Arbeitsstelle, zumal eine Organisation ihm wegen Wettschulden auf den Fersen ist.


    Eigene Meinung / Beurteilung:
    Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt. Arzees Stimmungen und Gemütszustände wechseln mit einem Tempo wie das Wetter. Mal steht er kurz vor dem Selbstmord, mal erwartet er die schönste Zukunft für sich. Man weiß nicht: Fühlt er sich klein, weil sein Umfeld ihn geringschätzig behandelt? Oder behandelt man ihn geringschätzig, wenn er sich klein fühlt? Denn an den anderen Tagen, an denen er sich wie ein König fühlt, durch die Straßen wandelt, seinen Träumen nach Größe nachhängt, wird er be- und geachtet.
    Dass Arzee anderen Leuten lästig wird, hat mit seiner Körpergröße nichts zu tun, sondern mit seiner Redseligkeit. Er quasselt ohne Unterlass, erzählt von Ereignissen des Tages, von früheren Zeiten, er redet über andere, über die Vorstellungen in seinem Kopf, über seinen Kummer, seine Freude.
    Hat er niemanden, der ihm zuhört, führt er Selbstgespräche, an denen der Leser teilnimmt. Nach und nach erfährt man so sein ganzes Leben – oder das, was er dafür hält, denn am Ende hält das Leben selbst die größte Überraschung für ihn bereit.


    Der Zwerg Arzee auf der einen Seite, der Moloch Bombay auf der anderen – dies stellt keinen Gegensatz dar, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte. Arzee schlängelt sich durch: Durch Menschenmassen auf den Bürgersteigen, die scheinbar endlosen Schlangen vor Bahnschaltern, das pulsierende Nachleben. Er erlebt die große Liebe, kämpft wie jeder andere mit der Abnabelung von der Mutter und stellt sich Fragen über den Sinn oder die Sinnlosigkeit.
    Arzees Geschichte ist bunt und prall, lebendig und immer wieder überraschend. Vor allem ist sie laut. Selbst Momente der Stille, in denen er seiner Traurigkeit nachgibt, sind angefüllt von seinen Gedanken und Gefühlen.


    Der Autor schreibt im Stil eines guten Abenteuerromans, der Fortgang der Handlung steht im Vordergrund und gibt die Entwicklung des Protagonisten vor. Es ist Choudhoury anzurechnen, dass er keinen Bollywood-Schluss konstruiert, obwohl die dramaturgischen Entwicklungen dazu einladen würden, sondern ein versöhnliches Ende für eine Figur, der man als Leser nur das Beste für seine Zukunft wünscht.


    Zu empfehlen für Leser, die es in Büchern gern ein wenig exotisch mögen, und denen individuelle Figuren gefallen, die abseits von gängigen Mustern agieren. Und für alle, die ein Stück gegenwärtiges Indien kennen lernen wollen.


    Fazit:
    Ein lebendiges Buch, in dem Bombay zu sehen, zu fühlen und zu riechen ist.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe das Buch gestern beendet und war richtig begeistert. Ich kann Marie nur zustimmen, das Buch liest sich wie ein Abenteuerroman und teilweise hat man das Gefühl mit allen Sinnen in Arzees Welt zu stecken. Die Charaktere haben alle ihre Schrullen und Macken und wirken dadurch umso authentischer. Irritiert hat mich allerdings das Ende des Buchs, irgendwie kam es zu schnell. Von mir trotzdem :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: Sterne!

    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."
    Heinrich Heine


      :study: