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  • Noch so still hier im Thread... dann mach ich mal den Anfang, auch wenn ich wirklich noch nicht weit gekommen bin. Ich glaube, das Buch wird sehr viel Stoff für Diskussionen bieten und freue mich schon darauf! :)


    Das erste Kapitel beginnt mit so einer Art Vorrede, die sich - für mich - erstmal eher wie ein Epilog liest. Man bekommt nur ganz wenige Informationen: dass an einem KZ sieben Bäume gestanden hatten, die man zu Kreuzen umfunktioniert hatte. Dass sechs Kreuze schon lange weg waren, dass das siebte nun eines Tages umgehauen und - nach Meinung der Häftlinge - vor ihren Augen verbrannt wurde. Dabei denken sie an jemanden, dem offenbar die Flucht gelungen sein muss. Da man noch überhaupt nichts von dieser Geschichte weiß und da man ja nun, ganz am Anfang, das Ende des siebten Kreuzes miterlebt, wird eine große Spannung aufgebaut. Man weiß als Leser gleich, dass einen hier eine unglaubliche Geschichte erwartet - mit ungewissem Ausgang. Das hat irgendwie was von einem Epilog, finde ich, auch wenn natürlich die Anmerkungen des Erzählers immer wieder sagen, man werde schon noch alles erfahren, was vorher geschehen war.
    Die Sprache der Autorin gefällt mir ebenfalls sehr. Einerseits nutzt sie zum Beschreiben der Situation in der Baracke sehr kurze Sätze, dann aber wieder fügt sie ihren Aussagen mehr und mehr Erklärungen an. Man kann sofort in die Geschichte eintauchen und sich alles ganz genau vorstellen. Also, ich seh es jedenfalls richtig vor mir:

    Zitat

    Auf allen Gesichtern lag jetzt ein schwaches merkwürdiges Lächeln, ein Gemisch von Unvermischbarem, von Hoffnung und Spott, von Ohnmacht und Kühnheit. Wir hielten den Atem an. Der Regen schlug bald gegen die Bretter, bald gegen das Blechdach. Der Jüngste von uns, Erich, sagte mit einem Blick aus den Augenwinkeln, einem knappen Blick, in dem sich sein ganzes Inneres zusammenzog und zugleich unser aller Innerstes: "Wo mag er jetzt sein?"

  • Ich habe natürlich heute auch begonnen und habe das 3. Kapitel beendet.
    Der Erzählstil von Anna Seghers gefällt auch mir sehr gut und ich denke auch das diese Geschichte einiges an Diskussionsstoff bieten wird. :thumleft:


    Man weiß als Leser gleich, dass einen hier eine unglaubliche Geschichte erwartet - mit ungewissem Ausgang. Das hat irgendwie was von einem Epilog, finde ich, auch wenn natürlich die Anmerkungen des Erzählers immer wieder sagen, man werde schon noch alles erfahren, was vorher geschehen war.


    Das finde ich auch toll. Ich mag solche "Anspielungen" auf die kommende Handlung. Diese geben der Geschichte eine besondere Spannung, so dass man als Leser schon einmal darauf vorbereitet wird, was einen erwartet.


    Vieles bleibt vorerst im Dunkeln. Man weiß bis jetzt nur, dass ein Ausbruch geschehen ist und Franz scheint einen der Flüchtlinge zu kennen. Dann wird die Geschichte auch schon aus Georgs Sichtweise weitererzählt. Finde ich sehr interessant. Dies ist auch sehr bildlich dargestellt. Man kann die Sirene im Hintergrund förmlich hören und Georgs Angst spüren.
    Ein bißchen habe ich das Gefühl, dass die Gescichte von hinten erzählt wird. Also zuerst der Ausbruch und später, wie es dazu kam. Mal schauen ob ich Recht behalte. :wink:

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

  • Ich werde jetzt mit dem Buch beginnen.....
    Ich habe aber anscheinend eine andere Ausgabe, als ihr und habe eine Frage zur Einteilung: Mein Buch ist in Kapiteln unterteilt, wobei diese nochmals in einzelne Abschnitte (I, II, III.....) eingeteilt sind. Ist dies bei euch auch so?

    Jede Minute, die man lacht, verlängert das Leben um eine Stunde. (Chinesisches Sprichwort)

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere. (Erich Kästner)

  • Ich werde jetzt mit dem Buch beginnen.....
    Ich habe aber anscheinend eine andere Ausgabe, als ihr und habe eine Frage zur Einteilung: Mein Buch ist in Kapiteln unterteilt, wobei diese nochmals in einzelne Abschnitte (I, II, III.....) eingeteilt sind. Ist dies bei euch auch so?


    Ja, das ist bei mir auch so. :thumleft:
    Ich habe die oben genannte Ausgabe.


    Da muss ich mich gleich korrigieren. Ich bin dann natürlich im 3. Abschnitt, nicht im 3. Kapitel. :wink:

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    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

  • Ich habe auch schon mit dem Buch angefangen und bin momentan beim 1. Kapitel, 5. Abschnitt. Allerdings bin ich etwas irritiert. Ich hab anscheinend eine etwas andere Ausgabe (wobei das Cover dem der erstgenannten Ausgabe gleicht), denn mein Buch hat inklusive Nachwort 433 Seiten.


    Nun gut, also ich muss zugeben, dass der Anfang für mich nicht einfach zu lesen war, bis ich mal verstanden habe, wer wer ist und wie die Handlung miteinander zusammenhängt. Ich denke aber auch, dass es noch sehr interessant wird und bin gespannt wie es weitergeht.


    Habe aber noch eine Frage, da dies meine erste Leserunde ist. Die Leserunde ist in drei Abschnitte unterteilt. Wie viel Zeit hat man ungefähr für einen Abschnitt, bis es zum nächsten geht?


    Der erste Teil vor dem 1. Abschnitt irritiert mich im Moment noch ziemlich. Ich frage mich, wer die Person ist, die in der Ich-Form erzählt. Aber das wird sich wahrscheinlich auch noch aufklären. Bin mal gespannt.


    Auch komisch finde ich, dass nicht alle Personen, die im Buch vorkommen, im Personenverzeichnis erwähnt sind. Ob das etwas zu bedeuten hat...

  • Da muss ich mich gleich korrigieren. Ich bin dann natürlich im 3. Abschnitt, nicht im 3. Kapitel. :wink:


    Genau deshalb auch meine Frage. :wink: Nachdem ich nachgeblättert und das dritte Kapitel gesucht habe, dachte ich Wow. :shock::)
    Danke! :winken:

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    Einmal editiert, zuletzt von Christinale ()

  • Ich bin nun beim ersten Kapitel, vierter Abschnitt.
    Der Stil der Autorin gefällt mir sehr gut. Ich hatte aber anfangs auch Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzukommen. Der Anfang verwirrte mich doch sehr. Erst das Kapitel über George brachte mehr Klarheit.
    Interessant fand ich auch den Einstieg in das Buch. Und ich denke, Suspiria du hast nicht Unrecht damit, dass die Geschichte von hinten erzählt wird.


    Auch komisch finde ich, dass nicht alle Personen, die im Buch vorkommen, im Personenverzeichnis erwähnt sind. Ob das etwas zu bedeuten hat...


    Es gefällt mir, dass ein Personenverzeichnis vorhanden ist. Das hilft mir schon sehr. :wink:
    Ich habe mich ebenso gewundert, dass nicht alle Personen in diesem Verzeichnis vorhanden sind. In den ersten Abschnitten sind schon einige vorgekommen, die darin nicht zu finden sind.


    Zitat

    Das Gefühl überwältigte ihn (Franz) dazuzugehören. Schwächlich fühlende, schwächlich handelnde Menschen werden ihn schwer verstehen. Ihnen bedeutet Dazugehören eine bestimmte Familie oder Gemeinde oder Liebschaft. Für Franz bedeutete es einfach zu diesem Stück Land gehören, zu seinen Menschen und zu der Frühschicht, die nach Höchst fuhr, und vor allem überhaupt zu den Lebenden.


    Interessant ist sicher auch die Geschichte von Franz. Ich hoffe, mehr darüber zu lesen.

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  • Ich hab anscheinend eine etwas andere Ausgabe (wobei das Cover dem der erstgenannten Ausgabe gleicht), denn mein Buch hat inklusive Nachwort 433 Seiten.


    Meine Ausgabe hat auch "nur" 433 Seiten. ;)

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  • Ich habe nun gerade den fünften Abschnitt gelesen.
    Georg hat sich eine Jacke aus der Schule genommen. Es stellt sich heraus, dass diese dem Gärtnerlehrling Helwig gehört. Zuerst beschreibt Helwig die Jacke voller Eifer der Polizei. Doch die Reaktion des älteren Gärtners, nämlich dass dieser überhaupt keine Fragen stellt, gibt ihm zu bedenken. Der Leser merkt seine plötzlichen Zweifel. Denn es ist klar, dass nur der Flüchtling aus dem KZ seine Jacke gestohlen haben kann. Und nun hat die Polilzei eine genaue Beschreibung dieser Jacke. Ganz deutlich werden die Zweifel von Helwig als ihm der Gedanke an seine Mitgliedskarte kommt, die sich ebenfalls in der Tasche der Jacke befindet, und ob er dies auch noch melden soll.


    Für mich als Leser schafft es die Autorin ua durch diese Situation, die Personen näher zu bringen. Die Beschreibung einer durchaus "normalen" menschlichen Reaktion. Und zum Schluss die grobe und patzige Haltung von Helwig, um seine Zweifel wegzuwischen.

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  • Oh nein! Ich habe gerade einen total langen Beitrag zu den ersten vier Abschnitten geschrieben und dann total dusselig alles gelöscht. ARGH.
    Also von vorne.


    Die ersten vier Abschnitte fand ich sehr beeindruckend, wenn auch jeden auf eine andere Art und Weise, fast ein bisschen so, als würden wir hier verschiedene Facetten des Lebens zu dieser Zeit dargestellt bekommen, finde ich. Besonders der dritte Abschnitt war sehr aufwühlend, aber trotzdem fange ich mal damit an, mich zu den ersten beiden zu äußern.


    Diese beiden Abschnitte handeln ja vordergründig von Franz. Er erscheint einem beim Lesen ja erst total harmlos: arbeitete auf dem Hof seines Onkels und half bei der Ernte. Nur bin ich dabei über diesem Satz gestolpert:

    Zitat

    (…) der Hof seines Onkels – eines ruhigen, ganz ordentlichen Menschen – war immer noch hundertmal besser gewesen als ein Arbeitslager. (S. 11 f.)

    . Das kommt mir doch sehr untertrieben vor, denn Arbeitslager – allein das Wort erzeugt eine richtige Horrorvorstellung in mir. Es deutet sich aber auch an, dass Franz Jude sein könnte, denn die Möglichkeit besteht ja, dass er in ein Arbeitslager muss.
    Im ersten Abschnitt gefiel mir besonders gut, wie dargestellt wird, dass das Land alle Zeiten überdauert. Regierungen, Kaiser, Könige kommen und gehen, aber das Land an sich bleibt immer gleich:

    Zitat

    Jedes Jahr geschah etwas Neues und jedes Jahr dasselbe: daß die Äpfel reiften und der Wein bei einer sanften vernebelten Sonne und den Mühen und Sorgen der Menschen. (S. 14)

    Die Verbundenheit fand ich sehr schön, vor allem auch in diesen Sätzen, den letzten des ersten Abschnitts:

    Zitat

    Jetzt sind wir hier. Was jetzt geschieht, geschieht uns. (S. 16)


    Im zweiten Abschnitt war Franz’ Leben dann ja schon deutlich anders, man hat gemerkt, dass er sehr aufpassen muss, nichts zu verraten oder etwas zu sagen, das ihn ans Messer liefern könnte. Man weiß nicht recht, wem man trauen kann, gerade Anton finde ich schwierig einzuordnen. Bei ihm scheint es mir so, als sei er vor Beginn des Naziregimes vielleicht mit Franz befreundet gewesen, deswegen erzählt er ihm auch von dem Ausbruch der Gefangenen. Auf der anderen Seite ist seine Familie offenbar regimetreu, während Franz sofort an Georg denkt und sich fragt, ob dieser zu den Flüchtlingen gehört.
    Damit schlägt Seghers schon einen Bogen zum Anfang des Romans, weil man jetzt zumindest den Namen eines Flüchtlings kennt. Und ich hoffe, dass er derjenige ist, dem die Flucht offenbar so lange geglückt ist, dass man ihn aufgegeben und sein Kreuz verbrannt hat.


    Wie gesagt, den Abschnitt über Georg fand ich besonders spannend, unheimlich und traurig. Das Land ist zunächst sehr düster, kalt und gruslig dargestellt – damit reflektiert es Georgs Stimmung, denn er hat großen Angst und anfangs nicht viel Hoffnung.

    Zitat

    Obwohl er geflohen war, um dem sichern Tod zu entrinnen – kein Zweifel, daß sie ihn und die andern sechs in den nächsten Tagen zugrunde gerichtet hätten -, erschien ihm der Tod im Sumpf ganz einfach und ohne Schrecken. Als sei er ein anderer Tod als der, vor dem er geflohen war, ein Tod in der Wildnis, ganz frei, nicht von Menschenhand. (S.23 f.)

    Man kann sich die Angst Georgs richtig vorstellen, auch, dass ihm das alles wie ein Traum vorkommt, wird sehr deutlich, weil man als Leser ja auch nur Bruchstücke bekommt und nicht mehr weiß als Georg selbst. Auch hier finde ich, dass Anna Seghers sehr starke Gefühle in ihren Lesern provozieren kann, ich zumindest habe an folgender Stelle eine Gänsehaut bekommen:

    Zitat

    (…) das harte Gebell der Hunde schlägt über einem anderen dünnen Gebell zusammen, das gar nicht dagegen aufkam und gar kein Hund sein kann, aber auch keine menschliche Stimme, und wahrscheinlich hat der Mensch, den sie jetzt abschleppen, auch nichts Menschliches mehr. (S. 24)

    Ich war froh, dass Georg die Flucht erstmal gelang, und dass er erst einmal irgendwie sicher war, wenn man das überhaupt sagen kann. Hier kommt Seghers noch einmal auf das Land zurück:

    Zitat

    Goldenes kühles Herbstlicht lag über dem Land, das man hätte friedlich nennen können. (S. 27)

    Die beiden Teile des Satzes sind irgendwie sehr gegensätzlich, und gerade deswegen bin ich da hängen geblieben.


    Ja, zum vierten Abschnitt will ich gar nicht mehr viel sagen, nur, dass ich erstaunt war, dass Seghers auch diese Perspektive mit hinein nimmt. Vielleicht, weil die Situation auch Fahrenberg wie ein Traum erscheint (S. 28 ), und zwar auch als Alptraum, denn man wird ihn für diesen Vorfall sicherlich zur Rechenschaft ziehen.
    Und irgendwie tröstlich fand ich, dass die Flüchtlinge manchmal mit Engeln verglichen werden. Georg ist am Ende in Sicherheit, als hätten „Engelsfülgel“ ihn dorthin getragen, und auch der Flüchtling, den sie fangen, erinnert Fahrenberg an einen „gewappneten Erzengel“ (S. 32). Diese Szene auf dem Hof war schrecklich, vor allem, wenn man Georgs Eindrücke aus dem Wald noch im Hinterkopf hatte!


    Das Konzentrationslager, das Anna Seghers hier „erschafft“, hat übrigens eine reale Vorlage, die „Osthofen“ heißt. Heute ist dieses ehemalige Konzentrationslager eine Gedenkstätte. Ich habe mir die Internetseite zu diesem Projekt mal angesehen und finde die Arbeit, die dort geleistet wird, sehr beachtlich.

  • Danke für die Links, Strandläuferin.
    Somit weiß ich nun, in welchen Jahren der Roman spielt. Denn diese Frage habe ich mir schon anfangs gestellt. :thumleft:


    Damit schlägt Seghers schon einen Bogen zum Anfang des Romans, weil man jetzt zumindest den Namen eines Flüchtlings kennt. Und ich hoffe, dass er derjenige ist, dem die Flucht offenbar so lange geglückt ist, dass man ihn aufgegeben und sein Kreuz verbrannt hat.


    Interessant in diesem Zusammenhang finde ich das Personenverzeichnis. Von den sieben Flüchtlingen wird nur von Georg der volle Name angegeben. Von den anderen sechs weiß man nur ihre Nachnamen.

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  • Interessant in diesem Zusammenhang finde ich das Personenverzeichnis. Von den sieben Flüchtlingen wird nur von Georg der volle Name angegeben. Von den anderen sechs weiß man nur ihre Nachnamen.

    Stimmt, das ist mir gar nicht aufgefallen. :uups:
    Und mit den Links, gern geschehen. ;) Bei Leserundenbüchern google ich beim Lesen immer alles, was mir so auffällt. Vielleicht, weil man sich bei diesen Büchern immer selbst zurückhalten muss, um nicht sofort alles zu lesen. ;)


    Kennt eigentlich jemand von euch den Film zu dem Buch?

  • Ich habe nun die ersten 50 Seiten von "Das siebte Kreuz" gelesen. Der Schreibstil von Anna Seghers gefällt mir sehr gut.
    Schön finde ich das Personenverzeichnis am Anfang, denn so komme ich nicht durcheinander bei den vielen Charakteren in ihrem Buch. Da ich eine zeitlang in der Region gelebt habe, kommen mir die Gegenden vertraut vor und ich kann mir so ein Bild machen.
    Besonders gelungen fand ich die Beschreibung der Region mit dem aufziehenden Nebel und den Blick auf das Tal. In dem Buch liegt auch eine gewisse Spannung, dies merkt man bereits an wie Strandläuferin es genannt hat der Vorrede. Die Leute erzählen von den sieben Platanen, die gefällt wurden, und von dem Lagerkommandanten und man fragt sich unweigerlich wofür die sieben Platanen mit den Kreuzen stehen.
    In den beiden ersten Abschnitten des ersten Kapitels merkt man die Veränderung in Franz. Je näher er seiner Arbeitsstätte bei den Höchster Farbwerken mit dem Fahrrad kommt umso verschlossener wird er, wenn man bedenkt in welcher Zeit, das siebte Kreuz spielt, ist dies auch nicht verwunderlich. Denn denunziert werden konnte man sogar von der eigenen Familie.


    Erstaunt war ich über die Spitznahmen wie Hasenzähnchen und Zimthütchen. Spitznamen innerhalb eines Ortes gibt es auch heutzutage.


    Nun noch etwas zur Aufteilung des Buches, ich weiß nicht ob es schon erwähnt wurde, aber irgendwo habe ich gelesen, dass jedes Kapitel für einen Tag steht. Kann natürlich auch sein, dass ich mir irre. :scratch:


    Ich lese mal weiter.


    Liebe Grüße von der Buechereule :winken:

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    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • Nun noch etwas zur Aufteilung des Buches, ich weiß nicht ob es schon erwähnt wurde, aber irgendwo habe ich gelesen, dass jedes Kapitel für einen Tag steht.

    Wurde hier noch nicht erwähnt, finde ich aber interessant. Das würde auch erklären, warum so viele verschiedene Perspektiven angeboten werden. Interessant ist ja auch, dass die Tage nicht chronologisch erzählt werden: man erfährt erst von dem Ausbruch (Franz in der Fabrik) und dann erst erlebt man diesen Ausbruch mit.

  • Ich bin jetzt beim letzten Abschnitt im 1. Kapitel und wieder verwirrt mich etwas. Die meiste Zeit schreibt die Autorin in der Vergangenheit doch auf einmal wird der Schreibstil in die Gegenwart geändert, nur um kurz darauf wieder in die Vergangenheit zu wechseln. Das habe ich nicht verstanden... Vielleicht hats einen Zusammenhang, wenn man weiterliest und es evtl. öfter vorkommt.

  • Das habe ich nicht verstanden... Vielleicht hats einen Zusammenhang, wenn man weiterliest und es evtl. öfter vorkommt.

    Das kommt schon weiter vorne immer mal wieder vor. Zum Beispiel, als der erste Flüchtling im Wald gefangen wird! Genau weiß ich auch nicht, wie man das einschätzen soll, aber ich würde mal vermuten, dass diese Verwendung des Präsens dazu da ist, dass man als Leser noch mehr in die Handlung hineingezogen wird, weil es ja "gerade jetzt" passiert. Zumindest ist das so die Standarderkärung für solche Zeitsprünge. ;)
    Ich habe jetzt den fünften und sechsten Abschnitt gelesen, Georgs Flucht in das Dorf. Ich fand das immer noch spannend, aber nicht mehr so unheimlich. Die andere Tageszeit macht selbst beim Lesen viel aus. Als der andere Häftling (Pelzer) geschnappt wurde, war ich erstmal überrascht - ich hatte mich so auf Georg konzentriert, dass ich nicht daran gedacht hatte, dass noch ein anderer der sieben in dem Dorf sein könnte.
    Am schlimmsten fand ich in diesen beiden Abschnitten ehrlich gesagt diesen schrecklichen, herzlosen Jungen, dessen Jacke gestohlen wird. Ich meine, natürlich ist das schlimm für ihn, aber wenn man dann liest:

    Zitat

    Daß jene Männer, die man im Lager Westhofen einsperrte, da hineingehörten wie Irre in ein Irrenhaus, davon war er überzeugt.

    Aus dieser Formulierung wird ja schon deutlich, dass er den "Grund" nicht einmal kennt, sondern dass er einfach nur glaubt, es sei alles in Ordnung, was das Regime macht. Furchtbar. Und es geht ja noch weiter, bei dem Gespräch mit dem Gärtner, als dieser ihm sagt, er werde die Jacke zurückbekommen, und der Dieb

    Zitat

    "(...) der wird dann schon längst, längst tot sein." Der Junge runzelte die Stirn. "Na und?" sagte er plötzlich grob und patzig. "Gar nichts, " sagte der alte Gülscher, "überhaupt gar nichts." Warum hat er mich denn eben noch mal so angesehen, dachte der kleine Helwig.

  • Also der achte Abschnitt des 1. Kapitels ist ganz aufschlussreich, was die Beziehung zu Franz und Georg angeht.



    @ Strandläuferin


    Ich wusste gar nicht, dass es einen Film zu dem Buch gibt. Deshalb kenne ich ihn auch nicht. Muss mich mal schlau machen.

  • Am schlimmsten fand ich in diesen beiden Abschnitten ehrlich gesagt diesen schrecklichen, herzlosen Jungen, dessen Jacke gestohlen wird. Ich meine, natürlich ist das schlimm für ihn, aber wenn man dann liest:
    Zitat
    Daß jene Männer, die man im Lager Westhofen einsperrte, da hineingehörten wie Irre in ein Irrenhaus, davon war er überzeugt.
    Aus dieser Formulierung wird ja schon deutlich, dass er den "Grund" nicht einmal kennt, sondern dass er einfach nur glaubt, es sei alles in Ordnung, was das Regime macht. Furchtbar. Und es geht ja noch weiter, bei dem Gespräch mit dem Gärtner, als dieser ihm sagt, er werde die Jacke zurückbekommen, und der Dieb
    Zitat
    "(...) der wird dann schon längst, längst tot sein." Der Junge runzelte die Stirn. "Na und?" sagte er plötzlich grob und patzig. "Gar nichts, " sagte der alte Gülscher, "überhaupt gar nichts." Warum hat er mich denn eben noch mal so angesehen, dachte der kleine Helwig.


    Ich habe einfach die Vermutung, dass die Kinder damals gar nicht darüber nachgedankt haben, sondern so vereinahmt waren vom Staat, dass sie nicht mehr darüber nachdachten. Ich denke auch mal, dass im Elternhaus nicht kritisch geredet wurde, da die Eltern Angst haben mussten, dass die Kinder in der Hitlerjugend oder sonst draußen irgendetwas ausplappern würden. Die Begeisterung der Kinder für den Staat wird doch auch deutlich in der Szene mit dem Hof, wo die Kinder einfach durchs Haus streifen auf der Suche nach dem Flüchtling und der Aussage der Mutter.

    Zitat

    Sie deutete auf das Haus, in dem es pfiff von den frechen spitzigen Pfeichen, und auf den Lärm hinter dem Tor. - "Das ist mir dazwischen gekommen, Mutter. Und die Kinder, die ich in Ordnung gebracht hab und Blut dabei geschwitzt, die sind genau das freche Kroppzeug geworden, das sie eigentlcih von daheim aus sind, und der Albrecht ist einfach wieder das alte Biest von einem Mann. Ach!"


    Alle Erziehung von ihr wurde zu nichte gemacht, durch den Staat.


    Anna Seghers zeichnet ein passendes Bild dieser Zeit. Ich hatte auch nicht gesehen, dass nur Georgs Name voll ausgeschrieben ist und nicht die Namen der anderen Flüchtigen. Danke auch für die Information mit dem Namen des KZ, ich hatte so etwas in Erinnerung, mir viel allerdings der Name nicht mehr ein.


    Ich bin jetzt beim achten Teil des 1. Kapitels.
    Die Szene mit dem Mann der Georg ein Stück weiter Richtung Mainz gebracht hat, fand ich sehr gut beschrieben. Erst den Mut einen Menschen mit zu nehmen, der ziemlich heruntergekommen aussieht und dann nach der Kontrolle die Panik des Mannes. Ich bin die ganze Zeit am Überlegen, ob er gemerkt hat, dass er einen Flüchtigen hilft.
    Manchmal habe ich auch Schwierigkeiten mit Seghers Gedankensprüngen vor allem im siebten Abschnitt. Die Szene im Auto ab S. 55 unten. Erst das Gespräch zwischen Georg und dem Fahrer im Auto. Dann der Umschwenk auf die Kontrolle, dann Georgs Gedanken und dann die Gedanken, ich denke mal die Gedanken des Wachposten. An dem Punkt musste ich nochmal lesen, bis es mir klar wurde. Bin ich richtig mit meiner Vermutung?


    Liebe Grüße von der Buechereule :winken:

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    Im Lesesessel


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    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • Alle Erziehung von ihr wurde zu nichte gemacht, durch den Staat.

    Bei der ersten Sache hast du Recht, Helwig ist wahrscheinlich regimetreu erzogen worden (was nichts daran ändert, dass er mir unsympathisch ist ;) ). Aber bei dem von dir genannten Zitat bin ich anderer Meinung. Dass die Kinder der Gefangennahme so begeistert zusehen, würde ich nicht unbedingt darauf zurückführen, dass sie von der Nazi-Regierung begeistert sind. Sie finden es wahrscheinlich einfach nur spannend, das Ende dieser riesigen Verfolgungsaktion miterleben zu dürfen. Das würden Kinder auch heute noch, wenn sie sehen würden, wie jemand verhaftet wird. Das ist einfach "spannend". Und dass sie frech sind und nicht gehorchen, ist ja auch nicht Anliegen der Regierung (im Gegenteil!). Das sind einfach die Zeiten, in denen sie leben. Es ist Krieg, und auch wenn das Dorf davon einigermaßen verschont geblieben ist, sind die Lebensumstände einfach ganz andere als in Friedenszeiten.