Steve Stern - Der gefrorene Rabbi

  • Gebundene Ausgabe: 496 Seiten
    Verlag: Karl Blessing Verlag
    Sprache: Deutsch
    Originaltitel: The Frozen Rabbi
    Preis: 21,95 €


    Der Autor:
    Steve Stern wurde 1947 in Tennessee geboren und lehrt Englische Literatur am Skidmore College in Saratoga Springs, New York. Er hat bereits mehrere Romane geschrieben und wurde mit dem National Jewish Book Award ausgezeichnet.


    Kurzbeschreibung lt. Amazon:
    Eine scharfsinnige Gesellschaftssatire, eine skurrile Zeitreise und ein spannender Familienroman
    Beim Durchwühlen der Gefriertruhe stößt der gelangweilte Teenager Bernie Karp zwischen Tiefkühlpizzas und Koteletts zufällig auf einen Eisblock, in dem ein bärtiger alter Mann eingefroren ist. Ein Rabbi, wie seine ebenso gelangweilten Eltern ihm erklären, der innerhalb der Familie als eine Art Talisman über Generationen weitergereicht wurde.
    Bei einem Stromausfall geschieht das Unglaubliche: Der Rabbi taut auf und erwacht zu neuem Leben. Der aus der Zeit gefallene heilige Mann entwickelt ungeahnte Energien und entdeckt lukrative Entfaltungsmöglichkeiten in der modernen Welt. Während der Rabbi in einem Einkaufszentrum das „Haus der Erleuchtung” gründet und gestressten Managern und frustrierten Hausfrauen das Seelenheil verkauft, glaubt Bernie, endlich einen Sinn in seinem Leben gefunden zu haben. Er findet nach und nach heraus, wie der gefrorene Geistliche von einem polnischen Schtetl des neunzehnten Jahrhunderts in eine Gefriertruhe im Memphis der Gegenwart geraten ist, und will das Familienerbe bewahren. Doch der Rabbi macht nichts als Ärger.


    Meine Meinung:
    In Memphis findet der gelangweilte und unzufriedene Teenager Bernie Karp in der Kühltruhe seiner Eltern einen tiefgefrorenen Rabbi, der als eine Art Glücksbringer über Jahrzehnte innerhalb der Familie weitergereicht wurde. Bei einem Stromausfall taut das Relikt aus dem 19. Jahrhundert auf und wird zu neuem Leben erweckt. Während sich der Rabbi perfekt der Neuzeit anpasst und Nutzen aus möglichen und unmöglichen Gepflogenheiten der modernen Gesellschaft zieht, entdeckt Bernie seine jüdischen Wurzeln und ungeahnte Qualitäten.
    Die Handlung in Steve Stern’s Roman „Der gefrorene Rabbi“ unterteilt sich in Abschnitte des Heute und der vergangenen 100 Jahre. Im Heute verwandelt sich Bernie Karp von einem desillusionierten Jugendlichen in eine Person mit Zielen und übersinnlichen Fähigkeiten, wohingegen sich der Rabbi immer mehr seiner ursprünglichen Berufung abwendet und sich genüsslichen und gewinnbringenden Aktivitäten widmet. In den Passagen der Vergangenheit erfährt der Leser, wie der Rabbi in den gefrorenen Zustand gekommen ist und als Eisblock mit seinen jeweiligen Besitzern eine lange Reise von Polen in die USA unternimmt. Der Rabbi spielt in diesen Kapiteln eher eine Nebenrolle, denn vielmehr geht es Steve Stern darum, das im letzten Jahrhundert stattgefundene Martyrium der Juden in Ost und West darzustellen. Das gelingt dem Autor durchaus, jedoch bleiben seine Figuren größtenteils glanzlos und fade, und sein im Grunde ansprechender Erzähl- und Schreibstil wirkt stellenweise langatmig und ermüdend.
    Ich habe eine amüsante Geschichte über ein uriges Überbleibsel aus der Vergangenheit, das dem Amerika des 21. Jahrhunderts Paroli bietet, erwartet und mich auf ein witziges und ungewöhnliches Lesevergnügen gefreut. Doch anstatt Humor und Kurzweil habe ich eine Lehrstunde in Geschichte, Sitten und Gebräuche des Judentums erhalten, die zwar interessant, aber sehr ausschweifend und mit einer Menge von jüdischem Insider-Wissen gespickt ist. Das Geschehen an sich entbehrt jeglicher Logik, ist übersät mit Spitzfindigkeiten und endet abstrus und nahezu lachhaft.
    Schade, die Idee zu dem Roman hat mir gefallen, verrückt und eigentümlich, die Ausführung hat mich leider nicht überzeugen können.

  • @ evelyn:


    Wow, du hast dieses Buch tatsächlich beendet?! Respekt! Ich habe nach nicht mal 100 Seiten aufgegeben. :roll: Ich hatte mir ebenfalls eine originelle Geschichte erwartet, die Idee hinter dem Buch ist eigentlich total toll. Aber die Umsetzung ist leider gar nicht gelungen. Der Schreibstil des Autors ist furchtbar umständlich, er kommt überhaupt nicht zum Punkt. Deine Aussage, das Buch sei mit Insiderwissen gespickt, trifft es total gut! Ich habe nicht unbedingt jeden Zusammenhang verstanden. Dazu kommen die jiddischen Redewendungen und Begriffe, die nicht erklärt werden. Meinen Geschmack hat das Buch gar nicht getroffen. [-(

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Schon die erste Seite stimmt darauf ein, was einen mit diesem Buch erwartet: Bernie, 15jähriger Couchpotatoe, findet auf der Suche in der Tiefkühltruhe nach einem Stück Fleisch zur Selbstbefriedigung, einen tiefgefrorenen alten Mann in einem Eisblock. Durch einen Stromausfall unabsichtlich zum Leben erweckt, entpuppt sich der knapp 200 Jahre alte Rabbi als ein überaus geschäftstüchtiger Unternehmer, der sich darauf versteht, die Suche der Menschen nach Glück mit einigem Geschick in klingende Münze umzuwandeln. Doch dies dient nur als Rahmenhandlung für die eigentliche Geschichte: Wie Bernies jüdische Vorfahren seit mehr als 100 Jahren sich durch das Leben kämpften und dabei immer den Rabbi im Eisblock dabei hatten. Es geht vom Ghetto in einem russischen Rayon nach Lodz, dann weiter nach New York. Man erlebt die Entstehungsphase Israels mit und die Rückkehr in die USA, nach Memphis.
    Stern spannt über diese 100 Jahre einen unglaublich bunten, lebendigen und witzigen Bogen voll mit skurrilen und merkwürdigen Gestalten: Jochebed, die jahrelang als Mann lebte; Schmerl, der bucklige Technikbesessene, dessen Erfindungen nicht immer zum Wohle aller waren; Ruby, der ewige Schweiger undundund. Es ist ein Panoptikum schräger Figuren und Geschehnisse.
    Die Sprache ist gewöhnungsbedürftig: Das Buch ist voll mit jiddischen Ausdrücken, die sich jedoch wunderbar in die Handlung einfügen und damit eine einzigartige Atmosphäre entstehen lassen, die für das damalige jüdische Leben wohl so charakteristisch war. In der gebundenen Fassung soll es ein Glossar geben (war in meiner Ausgabe nicht vorhanden), so dass vermutlich nur wenig unklar bleiben wird.
    Lediglich den Schluss fand ich deutlich übertrieben - hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Dennoch: Wer absurde Geschichten mag, wird seine Freude an diesem Buch haben.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling