Ich möchte heute meine absolute Lieblingsreihe von Hörspielen vorstellen - wohlgemerkt, bei Hörspielen handelt es sich um dramaturgisch aufbereitete Fassungen von literarischen Texten mit mehreren Sprecherrollen und Geräusch- sowie Musikuntermalung.
Die Serie ist nicht neu und es wurden bereits einzelne Titel hier in diesem Forum vorgestellt - aber ich möchte eine generelle Rezension über das Gesamtwerk (welches nach wie vor weitergeführt wird) abliefern.
Es geht um die Hörspielreihe "Edgar Allan Poe", die auf dem Cover vollmundig als "Gothic Drama" angepriesen wird - und so populistisch reißerisch diese Bezeichnung auch klingen mag, sie trifft den Nagel auf den Kopf.
Ein genereller Überblick:
Bei dieser Reihe handelt es sich um das Projekt, Erzählungen und Kurzgeschichten des genialen Edgar Allan Poe - ein Autor, der in mancherlei Hinsicht als Pionier zu sehen ist, hat er doch z.B. den klassischen Kriminalroman begründet - "Die Morde in der Rue Morgue" gilt als allererster klassischer Detektivroman überhaupt - in eine Rahmenhandlung einzubetten.
Diese einzelnen Erzählungen werden in jeweils einer Folge behandelt, wobei die Handlung sich mal mehr, mal weniger eng an das literarische Vorbild hält. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass eine zusammenhängende Rahmenhandlung erzählt wird, in die unterschiedliche Episoden - eben jene Erzählungen Poes - eingebunden sind.
Die Rahmenhandlung:
Der Protagonist erwacht in einem Irren-Asyl und leidet an totalem Gedächtnisverlust. Der Arzt Dr. Templeton gibt vor, ihn bei der Suche nach seiner Identität unterstützen zu wollen - und entpuppt sich bald als wahrhaft diabolischer Gegner. Der Protagonist ist niemand anderes als Edgar Allan Poe - aber was ist geschehen? Warum hat er sein Gedächtnis verloren? Warum ist Templeton so interessiert an ihm? Und was haben jene verstörenden Träume zu bedeuten, die Poe regelmäßig heimsuchen und quälen?
Die Serie ist weitgehend so aufgebaut, dass die literarischen Vorbilder - die Erzählungen Poes - als Traummotive in die Rahmenhandlung eingebettet werden. Später wird die Handlung vielschichtiger, der Aufbau komplexer und dabei auch zunehmend düsterer - einige Folgen sind schlicht und ergreifend erschreckend - und das im durchaus positiven Sinn. Natürlich gibt es Schwankungen hinsichtlich der Qualität, aber insgesamt zeichnet sich diese Serie durch eine erstaunlich hohe Qualität aus.
Dies liegt vor allem an den exzellenten Sprechern, zum anderen aber auch an der Geräuschkulisse, die das morbide und dekadente Setting im Kopf des Hörers "furchtbar" real werden lassen. Nie hat ein Hörspiel mich derart spannend unterhalten - ich empfehle jedem den Hörgenuss über Kopfhörer in einem abgedunkelten Raum - und eine gute Flasche Wein dazu. Poes geniale Erzählungen entfalten in dieser atmosphärisch-brillianten Umsetzung eine Faszination und einen Sog, die den Hörer mit sich reißen - und bisweilen wahrhaftig ängstigen - dürfte.
Das Repertoire der Serie reicht von düster-romantisch bis zum blanken Entsetzen. Irren-Asyl, Leichenhalle, Friedhof, heruntergekommene Schenke im finstersten Stadtteil New Yorks, verfallene Kirchen, uralte Gewölbe, prachtvolle Herrenhäuser, deren Bewohner ein schreckliches Geheimnis hüten - hier wird jedem etwas geboten, die Grundstimmung bewegt sich auf konstant hohem Niveau, die Atmosphäre scheint greifbar und die Charktere sind dekadent, perfide, grausam, boshaft, gequält - es ist eine wahrhaft trostlose Welt, die dem Hörer präsentiert wird.
Anders als bei den Hörbuchumsetzungen von Lovecraft bleibt die Edgar Allan Poe-Reihe allerdings weitgehend realistisch - was sie umso erschreckender macht. Man stelle sich die eigenen schlimmsten Albträume vor, die schlimmsten Feinde, die tiefsten Ängste - und man hat eine vage Ahnung von dem, was einem hier geboten wird: Ein einziger Albtraum, mit wenigen Erholungspausen, bevor es noch schlimmer wird.
Die Hörspiele sind nichts für Menschen mit schwachen Nerven - ich selbst bin sehr hart gesotten, aber bisweilen stockte mit der Atem. Wenn es darum geht, grausamen Ärzten in die alten Kellergewölbe und die Leichenhalle eines alten, verkommenen Hospitals zu folgen, kann es durchaus schon einmal wirklich unappetitlich werden. Dabei verfällt die Serie allerdings niemals in bloße Brutalität der Effekthascherei wegen. Was aber ein besessener Mediziner zu tun im Stande ist, wenn er seine grausamen Studien an Menschen als das höchste erstrebenswerte Ziel wähnt, das wird schonungslos beschrieben.
Man möge es mir nachsehen, dass ich in den allerhöchsten Tönen von dieser Hörspielreihe spreche, aber neben Edgar Allan Poe sind John Sinclar, Dämonenkiller, selbst Gabriel Burns und Co. nicht mehr als kleine Schreckgespenster für unartige Kinder.
Diese Reihe liefert den wahren Horror für alle, die bereit sind, sich darauf einzulassen. Nie habe ich mich mehr gegruselt, sogar gefürchtet.
Eine uneingeschränkte Empfehlung für diese Reihe - Freunde von Horror, Suspense, Mystery und Gothic Tales sollten unbedingt einmal probehören.