Beiträge von Sigrid2110

    Im November erscheint als Sonderausgabe:


    Heute wäre ich mir lieber nicht begegnet von der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller


    Kurzbeschreibung
    Herta Müller, in Rumänien geboren und aufgewachsen, erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die regelmäßig zum Verhör beim Geheimdienst bestellt wird. Auf dem Weg dorthin, während der Fahrt mit der Straßenbahn, läßt sie ihr Leben an sich vorüberziehen. Sie denkt zurück an ihre Kindheit in der Kleinstadt, an ihre Beziehung zum Vater und an die Ehe mit dem Sohn jenes Mannes, der für die Deportation ihrer Großeltern verantwortlich war. An diesem Tag hält der Fahrer an der Haltestelle, an der sie aussteigen muß, nicht an. Und so geht sie zum erstenmal nicht zum Verhör.


    Dieses Buch war zuletzt meines Wissens vergriffen.

    Nein, es ist sicher kein Jugendbuch. Auch wenn der Hauptprotagonist zum Zeitpunkt der Handlung gerade mal 19 Jahre ist, so empfinde ich die Handlung und vor allem, was im Laufe der Geschichte mit Sam passiert, schon etwas verstörend. Auch vom Schreibstil her, würde ich sagen, richtet sich das Buch an Erwachsene (wobei ich z.B. 19-Jährige da natürlich dazu zähle ;) ).

    OT: God's Own Country
    übersetzt von Wolfgang Müller


    Kurzbeschreibung
    Seit Sam von der Schule geflogen ist, wird er im Ort gemieden. Selbst seine Eltern, auf deren abgelegener Schaffarm er nun mitarbeitet, begegnen ihm mit seltsamer Distanz. Sam zieht sich zurück, unternimmt lange Streifzüge durch die Yorkshire Moors, doch stören ihn dabei zunehmend die Ausflügler aus der Stadt, die die schöne Gegend touristisch erschließen.
    Nur Josephine, das aufsässige neue Nachbarsmädchen, interessiert sich für den verschrobenen Jungen, und zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Freundschaft. Nach einem heftigen Streit mit ihren Eltern bittet sie Sam, mit ihr abzuhauen. Die beiden schlagen sich tagelang durch die Moors, schlafen unter freiem Himmel, doch Josephine verliert bald die Lust an diesem Abenteuer. Da muss sie feststellen, dass Sam nicht der ist, für den sie ihn gehalten hat.
    Ein preisgekröntes Debüt, ein subtiler Spannungsroman und das brillante Porträt eines jugendlichen Außenseiters.



    Über den Autor
    Ross Raisin wurde 1979 in West Yorkshire geboren. Er studierte Englische Literatur und Creative Writing, und arbeitete als Kellner. Er hat halb Europa bereist und lebt jetzt mit seiner Frau in London. Für sein Debüt »Schöne Gegend« wurde er mit dem Betty Trask Award und dem Guardian First Book Award ausgezeichnet sowie für den Dylan Thomas Award for Young Writers und den traditionsreichen John Llewellyn Rhys Prize nominiert.


    Meine Meinung
    Der 19-jährige Sam Marsdyke lebt und arbeitet auf der abgelegenen elterlichen Schaffarm am Rande der Yorkshire Moors.
    Mit sechzehn musste Sam die Schule verlassen, da eine Mitschülerin ihn der sexuellen Nötigung bezichtigte. Seine Umgebung, ja selbst seine Eltern, begegnen ihm seither mit Misstrauen, er wird sogar als „Ungeheuer“ bezeichnet.
    So wird Sam zum Außenseiter, allein seine Streifzüge durch die Natur und sein Hund Sal geben ihm Halt.
    Als „Stadtvolk“ eines Tages in den benachbarte Turnbull Hof einzieht, ändert sich einiges für Sam. Die 15-jährige Josephine, Tochter der Reeves' aus London, ist eigenwillig und aufmüpfig. Zwischen ihr und Sam entwickelt sich eine zaghafte Freundschaft.


    Als Josephine wiedermal einen heftigen Streit mit ihrer Mutter hat und Sam bittet, mit ihr über die Moors abzuhauen, entwickelt sich diese Flucht zu einem Drama mit weitreichenden Folgen.


    Ross Raisin erzählt diese Geschichte ausschließlich aus Sams Sicht. Er bewerte dabei Sams Denken und Handeln nicht. So bleibt letztlich auch unklar, ob der Schulausschluss Sams, der zu dem Knick in seinem Leben führte, gerechtfertigt war.
    Sam ist durch seine Außenseiterrolle ein sehr einsamer junger Mann. Aber er ist ein scharfer Beobachter. Jede Änderung in der Natur, seiner Mitmenschen registriert er. Im Kopf führt er häufig Selbstgespräche und fiktive Gespräche, vor allem mit seinem abweisenden Vater.
    Ross Raisin beschwört eine unangenehme Atmosphäre herauf, in der Realität und Fiktion zunehmend so verschwimmen, dass Handlungen außer Kontrolle geraten.


    Liest sich das Buch anfangs noch etwas langatmig, erschwert durch das Fehlen von Anführungszeichen bei direkter Rede, liest man spätestens ab der Flucht von Sam und Josephine mit zunehmendem Schrecken.
    Alles andere als ein Wohlfühl-Buch zeigt der Autor, was mit Menschen passieren kann, die die Gesellschaft ausschließt und die nie eine Chance zur Rehabilitierung erhalten.


    Von mir: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Hildegard „Heldejaad“ Palm wächst im streng katholischen Arbeitermilieu in einem kleinen Dorf bei Köln in den 1950er Jahren auf.
    Ulla Hahn gewährt dem Leser in ihrem Buch, strikt aus der Sicht eines Kindes, einen Einblick in die kleinbürgerliche Enge, in das Fühlen und Denken in dieser Zeit. Besonders der große Einfluss, den der katholische Glauben auf den Alltag ausübte, wird erschreckend deutlich. Gott, vor allem das von Hildegards Großmutter vermittelte Gottesbild, ist eine strenge und strafende Instanz.
    Schon früh entflieht Hildegard vor der streng gläubigen Großmutter, dem gewalttätigen Vater und der alles ohnmächtig hinnehmenden Mutter in ihre reiche Fantasie. Nur ihr liebevoller Großvater, der mit ihr Spaziergänge am Rhein macht, mit ihr Buch-, Märchen- und Wutsteine sammelt, ihr Geschichten erzählt, gibt Hildegard Halt.
    Mit Schuleintritt und dem Lesen lernen öffnet sich für Hildegard eine neue Welt. Buchstaben werden Laute, die Laute bekommen einen Sinn, die geformten Worte lassen Geschichten entstehen. Im Elternhaus ist der Wissensdurst der Tochter nicht gern gesehen und nur mit Unterstützung eines Lehrers wird der Weg zur Realschule frei.
    Hildegard legt ein Buch für schöne Wörter und Sätze an, ihr Umfeld denkt abfällig, dass „sie sich für etwas besseres hält“. Je mehr Widerstand Hildegard erfährt, umso wichtiger werden ihre Fluchten in die Welt der Bücher. Für Friedrich Schiller, den sie besonders verehrt, errichtet sie sogar einen kleinen Altar.
    Nach dem Realschulabschluss zum Schulabgang gezwungen, beginnt Hildegard eine Lehre in der Papierfabrik, sich selbst dabei beinahe verlierend.


    Ulla Hahns klare, lebendige und authentische Sprache macht es dem Leser leicht, sich in Hildegard hineinzuversetzen, mit ihr zu fühlen. Dazu gehört auch die Einbindung des rheinischen Dialekts. Auch wenn man sich als Nicht-Rheinländer erst einlesen muss, ist die Verwendung des Dondorfer Platt wichtig für die Geschichte. So werden die bedrückende Enge, die Auswüchse des Glaubens, die strikte Trennung der katholischen, „echten“ Dondorfer von den „Anderen“, den „Evangelischen“ und den „Müppen“ (Flüchtlinge und Gastarbeiter) unmittelbar greifbar.


    Ulla Hahn ist mit diesem Roman eine eindringliche Milieuschilderung der 1950er Jahre Deutschlands gelungen. Im Ringen um Eigenständigkeit zeigt die Autorin die Entwicklung eines Mädchens zu einer selbstbewussten, jungen Frau. Trotz Zweifel und Rückschlägen vermittelt dieser Roman Hoffnung – Hoffnung auf eine selbst bestimmtes Leben.


    Da ich doch etwas brauchte, um mich einzulesen und es mir dafür zum Schluss etwas schnell ging :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: ,5 Sterne von mir.

    Ich habe das Buch schon vor recht langer Zeit gelesen. Und ich fand es das schwächste Buch, dass ich bisher von McEwan gelesen habe.


    Mir ging es auch so, dass ich schwer mit den Protagonisten mitfühlen konnte.


    Und das, was Du gespoilert hast, gaensebluemche, kann ich so nur zu 100% unterschreiben.

    Nikolas Sender, Journalist und bei einem Reisemagazin für die Leserbriefe und die Rätselecke verantwortlich, macht bei einer Redaktionssitzung den mutigen Vorschlag, doch mal Reiseberichte aus der Sicht der unteren Kategorieklassen zu verfassen, statt sich auf Luxusreisen zu beschränken.
    Chefredakteur Heino Sitz ist begeistert. „All-inclusive“-Pauschaltourismus, darüber soll Nikolas berichten. Zu Recherchezwecken wird er nach Gran Canaria, Marokko, Mallorca, Portugal und Ägypten geschickt. Ausgerechnet seine unter Flugangst leidende und von Nikolas wenig geschätzte Kollegin Nina Blume, Ressortleiterin für Weltreisen, soll ihn in die Tourighettos begleiten.


    Tom Liehr führt dem Leser auf unnachahmliche Weise vor, was sich Pauschaltouristen in den schönsten Wochen ihres Jahres, ihrem Urlaub, freiwillig so alles antun und auch noch dafür bezahlen.
    Das ungleiche Paar Nikolas und Nina erlebt den ganz normalen Wahnsinn von Plattenbausiedlungen mit dem Charme der ehemaligen DDR-Zeit, die sich „Urlaubshotels mit drei Sternen, Landeskategorie“ nennen, „Massenabfütterung“ an Büfetts, von denen man zu Hause im Traum nichts essen würde, übelst gelauntes Personal, Dreck und Lärm.
    Dabei lernen die Beiden viele, sehr unterschiedliche Menschen (Touristen) kennen, Janet, die Nikolas nur „umgarnt“, um ihn um Wertsachen in Höhe über zweitausend Euronen zu erleichtern, Emad, der fragwürdige Ehen mit Ausländerinnen eingeht, um die strengen islamischen Regeln zu umgehen. Aber auch Menschen, die berühren, wie den reichen, aber unglücklich verlassenen Oliver von Papening und den „schlagkräftigen“ Holländer Ger, dem Nikolas aufgrund seiner Nahkampfausbildung fast sein Leben zu verdanken hat.


    Tom Liehr versteht es seine Geschichte mit viel Humor und Ironie zu erzählen. Dabei beweist er wieder mal, wie gut er mit Worten „jonglieren“ kann. Seinen Schilderungen treffen punktgenau ins Schwarze und seine Wortspielereien sind originell.
    Bei allem Humor gelingt es dem Autor jedoch durchaus die unterschiedlichen Stimmungen seiner Figuren einzufangen.


    Dieser Roman ist ein Beweis, dass humorvolle Unterhaltung mit Niveau möglich ist – Tom Liehr jedenfalls beherrscht dies.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne von mir.

    Eingebettet in einen Prolog und Epilog, in dem es um den Raub des Gemäldes „Natività“ Caravaggios aus Palermo geht, widmet sich Tilman Röhrig in diesem Roman dem bewegten Leben Michelangelos Merisi da Caravaggio.


    Im September 1571 geboren, verbringt Michele seine Kindheit in Caravaggio, einem kleinen Ort in der Lombardei. Schon früh zeigt sich sein Talent zum Malen und so schickt ihn seine Mutter nach dem Tod von Vater und Großvater in die Lehre nach Mailand, zu dem Maler Peterzano.
    Nach Abschluss der harten Lehrjahre hat Michele nur ein Ziel: er will nach Rom, für ihn das Zentrum der Malerei, er will sein Talent zeigen, berühmt werden. Protektion, auch durch die der Familie zugetanen Marchesa Constanza Sforza, lehnt Michele ab. Voller Tatendrang will und muss er es allein schaffen.


    Doch in Rom erlebt Michele zunächst nur Tiefschläge und Demütigungen. Mit dem Malen von Heiligenbildchen und Porträts muss er sich durchschlagen, erhält dann jedoch eine Chance an der Akademie des berühmten Malers Guiseppe Cesari d'Arpino. Dieser erkennt wohl Micheles Talent, aber Neid auf Seiten d'Arpinos und das hitzige Temperament Micheles versperren auch diesen Weg.
    Das Blatt wendet sich, als der Kunstmäzen Kardinal del Monte Michele, inzwischen als Caravaggio bekannt, entdeckt und ihm die Türen zu einflussreichen Kreisen öffnet.


    Obwohl Caravaggio Freunde findet, insbesondere den Maler Mario, gleichzeitig auch sein Modell und Geliebter, und seine Jungendliebe Paola, bringt der Erfolg auch immer mehr Neider mit sich.
    Caravaggios Werke polarisieren. Mit seinem Spiel mit den Farben, mit Licht und Schatten und seiner Vorliebe für Modelle aus dem einfachen Volk, da diese „mehr Leben im Gesicht haben“, erntet er oft nur Hohn und Spott.
    Durch seine jähzornige und cholerische Art ist Caravaggio wiederholt in gewalttätige Auseinandersetzungen verstrickt bis eines Tages eine Katastrophe passiert und er Rom fluchtartig verlassen muss.


    Tilman Röhrig gelingt es in diesem Roman die schillernde Person Caravaggio tiefgründig auszuleuchten. Man spürt fast körperlich seine Leidenschaft für die Kunst, aber auch wie schnell Wut und Zorn bei ihm Überhand nehmen und sein Handeln bestimmen. Darunter erkennt man aber auch die verletzliche Seele Caravaggios, die Liebe, Zerrissenheit und Einsamkeit eines genialen Malers.
    Neben dem Lebensweg Caravaggios gibt der Autor aber auch tiefe Einblicke in die Verhältnisse und das Leben in Italien Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts.


    Sprachlich kraftvoll, klar, ohne Schnörkel entsteht so ein lebendiges, pralles und facettenreiches Bild des tragischen Künstlerlebens Caravaggios, der als Mitbegründer der italienischen Barockmalerei gilt.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:


    Ergänzung: ich kann nur nochmals auf die Homepage von Nicole C. Vosseler verweisen. Zu ihrem Buch "Die Caravaggio-Verschwörung" findet man dort zahlreiche Werke des Malers abgebildet mit Erläuterungen. Interessant ist es auch, wenn man beide Bücher gelesen hat. Zwar deckt Nicoles Buch nicht den gesamten Lebensweg Caravaggios ab, aber zum Teil ergänzen sich die beiden Bücher gut. Auch gibt es ja historisch einige Lücken in der Biographie Caravaggios und es ist interessant, wie die Autoren damit umgehen.
    Allerdings bleibt anzumerken, dass "Die Caravaggio-Verschwörung" ja ein Jugendbuch ist und schon deshalb vom Schwerpunkt her und sprachlich nicht mit Tilman Röhrigs Buch vergleichbar ist. Aber von den Fakten her :thumleft: .

    Oder dies gefiel mir:


    Glückskekse - Anna Hertz


    Kurzbeschreibung


    Wie findet man heraus, ob es die große Liebe wirklich gibt? Eine SMS an eine unbekannte Nummer zu schicken gehört sicher zu den ungewöhnlicheren Ideen. Genau das aber macht Jana, als sie an ihrem 31. Geburtstag von ihrem Freund verlassen wird - und sie am Ende eines sehr feuchten, wenig fröhlichen Abends die Frage losschickt: »Was kann ich tun, um endlich glücklich zu werden? SIE« Am Morgen danach hat Jana einen Kater - und die Antwort: »Das frage ich mich auch oft. ER« Und so beginnt eine Liebesgeschichte ohne Rendezvous und Kerzenschein - lustig, ein bisschen chaotisch und so romantisch, dass man sich wünscht, sie möge niemals enden.

    Vielleicht kommt auch dieses in Frage:


    SMS für dich - Sofie Cramer


    Kurzbeschreibung
    Was ich dir noch sagen will ...


    Nach einem heftigen Streit verschwindet Claras Freund ohne ein Wort. Kurz darauf erfährt sie, dass Ben auf tragische Weise ums Leben gekommen ist. Dabei hatte er ihr erst vor wenigen Wochen einen Heiratsantrag gemacht! Clara ist am Boden zerstört. Wie soll sie allein weiterleben? Erst als sie vor Sehnsucht beginnt, Ben täglich eine SMS zu schreiben, findet sie allmählich wieder Halt.
    Doch was Clara nicht weiß: Bens Nummer wurde inzwischen neu vergeben. Die Nachrichten landen bei Sven, und sie berühren den jungen Journalisten so sehr, dass er sich auf die Suche nach der geheimnisvollen Absenderin macht …

    OT: El susurro de la mujer ballena
    übersetzt von Matthias Strobel


    Kurzbeschreibung
    Als Véronica nach 25 Jahren ihrer früheren Klassenkameradin Rebeca wieder begegnet, ist ihr erster Impuls zu fliehen, denn Rebeca, "die Walfrau", ist dicklich, einsam und eine Außenseiterin. Aber so sehr sich Véronica auch darum bemüht, wird sie ihre gemeinsame Geschichte doch nicht los - und Rebeca folgt ihr plötzlich überallhin. Ein feinfühliges Porträt zweier Frauen, die durch Freundschaft und Hass miteinander verbunden sind.


    Über den Autor
    Alonso Cueto wurde 1954 in Lima, Peru, geboren. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Premio Wiracocha (1985), dem Anna-Seghers-Preis (2000) und einem Stipendium der Guggenheim Foundation (2002).


    Meine Meinung
    Zu Beginn des Romans lernt der Leser die 42-jährige Verónica kennen, die mit Ehemann Giovanni und Sohn Sebastián, als Journalistin für die Rubrik „Internationales“ einer Zeitung schreibend, 2005 in Lima lebt. Ihr Arzt Pepe Barco versichert ihr, dass alles in Ordnung sei und beim Verlassen des Behandlungszimmers fasst Verónica einen Entschluss: sie wird die Notizen in ihrem Tagebuch vervollständigen, die Geschichte, die sie ins Krankenhaus brachte, zu Ende schreiben. Diese liegt nun, erzählt durch den Schriftsteller Alonso Cueto, in diesem Buch vor.


    Auf einem Rückflug von Kolumbien nach Lima trifft Verónica nach 25 Jahren ihre ehemalige Schulkameradin Rebeca wieder. Die beiden verband damals eine heimliche Freundschaft. Heimlich, weil Rebeca aufgrund ihrer Fettsucht, ihres Anders-Sein von ihren Mitschülern gehänselt und schikaniert wurde. Verónica, eine beliebte Schülerin, konnte und wollte sich nicht zu Rebeca bekennen, sie sah dem Spott teilnahmslos zu. Doch zum Ende der Schulzeit zerbrach diese Freundschaft durch einen schrecklichen Verrat, mit dem Verónica große Schuld auf sich lud.


    Nun, 25 Jahre später, möchte Verónica nichts mehr mit dieser „Walfrau“ zu tun haben. Aber Rebeca drängt sich auf. Zwar selbst als Managerin beruflich erfolgreich und wohlhabend, leidet Rebeca an ihrer Einsamkeit und ringt um Aufmerksamkeit. Sie verfolgt Verónica, ruft sie an, taucht auf Empfängen auf, fängt Sebastián vor der Schule ab.


    Alonso Cueto lässt Verónica sehr eindringlich erzählen, wie sie immer mehr von Rebeca bedrängt wird, diese aufgezwungene Nähe fast paranoide Züge annimmt. Gleichzeit resümiert Verónica ihr Leben. Trotz Familie, Beruf, Freunden geht sie recht freudlos durchs Leben. Daran ändert auch ihr Liebhaber Patrick nichts.
    Wie eine dunkle Wolke hängen die Erinnerungen Verónicas über der Geschichte. Was in der Schulzeit als vorsichtige Annäherung zwischen Verónica und Rebeca durch die gemeinsame Liebe zu Büchern und Musik begann, gipfelte in einem schmerzhaften Bruch – durch Schwäche, durch Weg-Sehen.


    Cueto gelingt es, eine Bedrohung über der Geschichte schweben zu lassen, ohne dass der Leser ahnt, was dahinter steckt. Auf nur 270 Seiten gibt der Autor tiefgründige und facettenreiche Einblicke in das Seelenleben seiner Protagonisten. Die auf ihren Körper fixierte Verónica, die sich durch Diät, Fitness-Training und Unmengen Cremes ihr jugendliches Aussehen zu erhalten zwingt, aber keinen zu ihrer Seele vorstoßen lässt, niemandem ihren Groll und ihre Angst zeigt. Rebeca, die sich einen „Schutzwall“ angefressen hat, die sich mit Essen tröstet und ihre Einsamkeit lindert.


    Die Sprache Cuetos ist klar und schnörkellos, wobei er trotz knapper Sätze wunderschöne Formulierungen findet. Dabei beschränkt er sich auf ein Minimum, um die Tiefen seiner Figuren auszuloten. Einzig das Umfeld Perus Hauptstadt Lima kommt dabei ein wenig zu kurz, vielleicht vom Autor beabsichtigt?


    Ein „kleiner“ Roman, der sprachlich und inhaltlich eine Botschaft vermittelt, die nicht allein Lateinamerika betrifft, sondern universell ist. Mich als Leserin haben Verónica und Rebeca gleichermaßen mitten ins Herz getroffen.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: liebevolle Sterne von mir.