Beiträge von Readaholic

    Verbrechen am Polarkreis

    Von einem Tag auf den anderen liegt das Leben der Stockholmer Polizistin Hanna Ahlander in Scherben: ihr langjähriger Freund macht Schluss mit ihr und wirft sie aus der gemeinsamen Wohnung, und ihr Chef will sie nicht mehr in seiner Abteilung haben, da er sie als Nestbeschmutzerin sieht. Zum Glück bietet Hannas Schwester ihr an, dass sie für eine Weile in ihrem luxuriösen Ferienhaus im kleinen Städtchen Are am Polarkreis wohnen kann, ein Angebot, das Hanna mangels Alternativen gerne annimmt.


    Nachdem Hanna ihre Wunden geleckt und so manche Flasche Wein geleert hat, erfährt sie, dass in dem beschaulichen Örtchen ein junges Mädchen vermisst wird. Froh, etwas zu tun zu haben, schließt sich Hanna einer Suchgruppe an und erlangt Informationen, die sie mit den ermittelnden Beamten teilt.


    Die örtliche Polizeidienststelle ist unterbesetzt und Hanna wird gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, für eine Weile in Are zu arbeiten. Hanna hätte nichts Besseres passieren können und sie stürzt sich mit Feuereifer in die Ermittlungen. Doch auch etwas anderes treibt sie um: die junge Putzfrau, die das Ferienhaus der Schwester putzt, erscheint ihr auffällig verängstigt und weist Zeichen von Misshandlung auf. Bei Hanna, die sich in Stockholm mit Gewaltverbrechen gegen Frauen beschäftigt hat, schrillen alle Alarmglocken. Sie beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und bringt sich damit selbst in Gefahr.


    „Kalt und still“ ist der erste Band einer Reihe um Hanna Ahlander und ihre Kollegen. Viveca Sten beschreibt die Lebensumstände der einzelnen Personen sehr detailliert, was mir teilweise ein wenig zu ausufernd war und zu Lasten der Spannung ging. Im Mittelteil des Buchs passiert über viele Seiten hinweg gefühlt nichts Neues. Ich mag es, wenn Krimis ohne viel Blut und Brutalität auskommen, aber ein bisschen mehr Spannung hätte dem Krimi gut getan. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Denn jeder Mensch hat eine Geschichte

    Im Gegensatz zu anderen Rezensentinnen fand ich die Covergestaltung ganz und gar nicht ansprechend und unter dem Titel habe ich eine kitschige Geschichte vermutet. Glücklicherweise habe ich dann doch die Leseprobe gelesen, die mein Interesse für „Café Leben“ weckte, ansonsten wäre mir ein wirklich wunderschönes, warmherziges Buch entgangen!


    Das Buch handelt von zwei Frauen, der – nach eigenen Worten - gescheiterten Bibliothekarin Henrietta, Anfang 30, und der schwer krebskranken Annie, Ende 60. Henrietta hat sich um einen Job beworben, bei dem sie krebskranken Menschen, die nicht mehr lange zu leben haben, dabei helfen soll, ihre Lebensgeschichte zu Papier zu bringen. Die leicht autistisch anmutende Henrietta bekommt den Job, denn es ist aus Sicht ihrer Vorgesetzten durchaus von Vorteil, wenn sie sich nicht allzu sehr emotional einbringt. Unter ihren Klienten ist auch Annie, die ein hartes Leben hinter sich hat, das vor allem durch das ungeklärte Verschwinden ihrer jüngeren Schwester Kath bestimmt wurde. Kath ist vor vielen Jahren kurz vor Weihnachten spurlos verschwunden, mutmaßlich ertrunken. Eine Leiche wurde jedoch nie gefunden. Kath erwähnt das Trauma zunächst nur in einem Nebensatz, doch so leicht lässt sich die pflichtbewusste Henrietta nicht abspeisen. Das Lebensbuch soll schließlich die wichtigsten Ereignisse in Annies Leben beinhalten! Sie beginnt, beharrlich auf eigene Faust Nachforschungen in dem mehr als 40 Jahre zurückliegenden Fall anzustellen.


    Die beiden Frauen kommen sich durch die miteinander verbrachte Zeit näher. Nicht nur Annie beginnt, sich den Geistern ihrer Vergangenheit zu stellen, sondern auch Henrietta. Wie bei Annie gibt es auch in ihrer Vergangenheit ein Trauma, das sie geprägt und das sie bisher verdrängt hat.


    Dieses spannende und berührende Erstlingswerk der britischen Autorin Jo Leevers ist ein gleichermaßen humorvolles wie tragisches, aber nie kitschiges Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte. Von mir 5 Sterne und Leseempfehlung! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Amerikanische Werte über alles

    Die USA in nicht allzu ferner Zukunft: die Nationalisten haben endgültig das Ruder übernommen. Wichtigstes Gesetz im Land ist PACT, Preserving American Culture and Traditions, mit dem der hohe Stellenwert amerikanischer Werte und Traditionen über alles gestellt wird. Xenophobie gehört zur Tagesordnung, vor allem Chinesen und chinesischstämmige Amerikaner sind die Hassobjekte der Bevölkerung. Einen Chinesen auf offener Straße ohne Anlass zu verprügeln, gehört zur Tagesordnung und wird nicht geahndet. Wie konnte es so weit kommen? Vor Jahren wurden die USA von einer heftigen Krise gebeutelt. Die Menschen verloren ihre Arbeitsplätze und konnten sich Miete und Lebensmittel nicht mehr leisten. Als Grund dafür wurde die florierende Wirtschaft Chinas ausgemacht, die die amerikanische Wirtschaft zerstörte. Unamerikanische Einflüsse sollten ausgemerzt werden, unter anderem durch die Verbannung von Büchern. Familien, in denen nach Ansicht der Behörden die Kinder einem unamerikanischen Einfluss ausgesetzt sind, werden die Kinder weggenommen und in Pflegefamilien gesteckt.


    Auch der 9jährige Bird läuft Gefahr, aus seiner Familie weggeholt zu werden. Seine chinesischstämmige Mutter hat vor Jahren einen Gedichtband veröffentlicht, aus dem eine Zeile zum Slogan der PACT-Gegnern wurde. Margaret Miu, die sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen, gilt fortan als Rebellin. Um ihren Sohn nicht in Gefahr zu bringen, verlässt Margaret die Familie und lebt im Untergrund, wo sie nach allem, was ihr passiert ist, tatsächlich damit beginnt, gegen PACT zu kämpfen.


    Nach Jahren ohne seine Mutter erhält Bird ein Lebenszeichen von ihr und beschließt, sie zu suchen.


    Bis zu diesem Punkt im Buch fand ich die Geschichte spannend und nachvollziehbar. Doch dann folgt ein fürchterlich zäher, mit Metaphern überfrachteter Mittelteil, in der in äußerst poetischer Sprache, die oft schon die Schwelle zum Kitsch überschreitet, zwar die Zusammenhänge klarer werden, jedoch nicht sehr viel passiert. Ohne zu viel von der Handlung preiszugeben, kann ich nur sagen, dass das Ende des Buchs für mich keinen Sinn ergibt. So kann zum Beispiel eine Person in diesem Land, in dem jeder jeden bespitzelt, unbehelligt und unbeobachtet in einer auffälligen Limousine durch die Gegend fahren, ohne von irgendwelchen Verkehrsüberwachungskameras erfasst zu werden.


    Die Idee für dieses Buch gefällt mir gut, zumal es ja genügend Beispiele auf der ganzen Welt gibt, in denen Kinder aus religiösen oder ideologischen Gründen ihren Familien weggenommen wurden. Doch die Umsetzung lässt meiner Meinung nach zu wünschen übrig. Die ersten beiden Bücher der Autorin haben mich begeistert und meine Erwartungshaltung war dementsprechend hoch. Leider fand ich dieses Buch jedoch ziemlich enttäuschend. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Arno Strobel hat einen neuen Fan

    Patrick Dostert lebt ein glückliches und zufriedenes Leben, bis von einem Tag zum nächsten alles zusammenbricht. Er wird beschuldigt, eine Frau, Yvonne Voigt, entführt zu haben. Belastet wird er von Jana, Yvonnes bester Freundin. Angeblich hat er die verschwundene Frau gestalkt und misshandelt. Allerdings hat Patrick sich am Abend des Verschwindens des angeblichen Stalkingopfers mit einem Geschäftskunden getroffen, der sein Alibi bestätigen kann. Das Problem: der Zeuge ist nicht auffindbar. Als dann auch noch ein belastendes Handyvideo auftaucht, das ganz klar Patrick zeigt, weiß er nicht mehr ein noch aus. Weitere Beweise gegen Patrick tauchen auf und schließlich wird auch noch eine Leiche gefunden.


    Patricks Frau Julia hält zunächst zu ihm. Immerhin kennt sie ihren Mann und weiß, dass er niemals einer Frau Gewalt antun würde.


    Wir erfahren die Geschichte aus der Sicht von Patrick Dostert, der inzwischen in Untersuchungshaft sitzt. Patrick ist verzweifelt, denn die Person in den Videos ist er, doch kennt er die Frauen nicht und weiß nicht, wie er seine Unschuld beweisen soll. Durch eine glückliche Fügung nimmt sich ein bekannter Strafverteidiger seines Falls an, ein Hoffnungsschimmer am Horizont!


    Für mich war dies das erste Buch von Arno Strobel und ich fand es ungeheuer spannend. Einerseits ist da Patrick, der seine Unschuld beteuert, andererseits sprechen alle Fakten gegen ihn. Ich habe dieses Buch, das die Bezeichnung Psychothriller wahrhaft verdient, bis zur letzten Seite und dem überraschenden Ende verschlungen! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Verwirrend

    Die Geschichte beginnt im Jahre 1898. Joe Tournier steigt aus einem aus Glasgow kommenden Zug aus. Er befindet sich in London, doch seltsamerweise wird dort Französisch statt Englisch gesprochen und der Bahnhof heißt Gare du Roi. Joe hat sein Gedächtnis verloren, alles erscheint ihm falsch. Ein wohlmeinender Mitreisender bringt ihn in eine psychiatrische Einrichtung, wo bei Joe Epilepsie diagnostiziert wird. Angeblich ist diese oft mit Gedächtnisverlust verbunden und tritt zu dieser Zeit recht häufig auf. Nach einiger Zeit meldet sich ein Mann in der Einrichtung, bei dem Joe angeblich seit langer Zeit als Leibeigener lebt. Mit dabei ist Alice, Joes Ehefrau, an die er sich jedoch ebenfalls nicht erinnert.


    Dieser Einstieg in die Geschichte ist sehr spannend und mysteriös. Ganz rätselhaft wird es, als Joe eine Postkarte erhält, die vor 90 Jahren an ihn abgeschickt wurde und einen Leuchtturm in Schottland zeigt. Der Text fordert Joe auf, nach Hause zurückzukehren, wenn er sich erinnert. Daraufhin setzt Joe alles daran, zu diesem Leuchtturm zu gelangen. Wer weiß, vielleicht erinnert er sich dort an sein früheres Leben?


    Die Idee zu dieser Geschichte gefällt mir sehr gut. Allerdings war die Umsetzung ausgesprochen verwirrend. Die ständigen Zeitsprünge und Schauplatzwechsel - London 1898, Southampton 1997, Edinburgh 1807, Cadiz 1777 usw. – machen das Lesen schwierig und ich hatte große Mühe, den Faden nicht zu verlieren. Manchmal wusste ich nicht mehr, was ist historisch belegt und was Fantasie. Durch Zeitreisen reisten manche Protagonisten in der Zeit hin und her, wobei sie in jeder Zeit einen anderen Namen und ein völlig anderes Leben hatten. Ich kann nicht behaupten, dass mir die Auflösung schlüssig erschien, manche Ereignisse wurden für meine Begriffe nur unzureichend erklärt und ich hatte keine Ahnung, welche Bedeutung sie für die Geschichte hatten. Trotz des spannenden Beginns war ich am Schluss einfach nur froh, als ich das Buch fertiggelesen hatte.


    Positiv hervorheben möchte ich allerdings noch die wunderschöne Covergestaltung und die hervorragende Übersetzung. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Was geschah damals wirklich?

    Cassie Raven ist Sektionsassistentin mit Leib und Seele. Schon als Kind war sie vom menschlichen Körper und seinem Innenleben fasziniert. Während andere Kinder mit Puppen spielten, schnitt sie diese auf, um zu sehen, was sich in ihrem Inneren verbarg.


    Im Gegensatz zu ihren Kollegen pflegt Cassie einen sehr respektvollen Umgang mit ihren „Gästen“, wie sie die Leichen auf dem Sektionstisch nennt. Sie spricht mit ihnen, und manchmal scheint es, als ob diese auch mit ihr kommunizieren.


    Vor kurzem erfuhr Cassie, die bei ihrer Großmutter aufwuchs, dass ihre Eltern keineswegs vor Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen, wie ihr die Großmutter erzählte, sondern dass ihre Mutter ermordet und ihr Vater für den Mord ins Gefängnis gesteckt wurde. Nachdem sie den anfänglichen Schock überwunden hat, beginnt Cassie, sich mit dem Mord an ihrer Mutter zu beschäftigen. Zu diesem Zeitpunkt tritt Callum, ihr Vater, an sie heran. Er hat seine Strafe abgesessen und versichert seiner Tochter, dass er unschuldig verurteilt wurde. Die Polizei hatte ihn von Anfang an im Visier und machte sich nicht die Mühe, nach weiteren möglichen Tätern zu suchen. Cassie beginnt eigene Nachforschungen anzustellen, um herauszufinden, was damals wirklich passiert ist.


    „Wer mit den Toten spricht“ ist ein ausgesprochen gut geschriebener Krimi mit einer ungewöhnlichen Protagonistin. Ich habe das Buch regelrecht verschlungen. Nur gegen Ende war ich ein wenig enttäuscht, als ein doch sehr offensichtlicher Hinweis gegeben wird, den die sonst so aufgeweckte Cassie zunächst übersieht.


    Ein spannender, vielschichtiger Krimi. Leseempfehlung und 5 Sterne. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Wie gut kennt man seine Familie?

    Die 50jährige Grete hat ihr Elternhaus in der Elbmarsch nie verlassen. Als junger Mensch träumte sie davon, zu studieren und zu reisen, doch eine ungeplante Schwangerschaft setzte diesen Träumen ein Ende. Tochter Anne ist längst aus dem Haus, nun lebt Grete allein mit der wortkargen Mutter Wilhelmine unter einem Dach, die es nach dem frühen Tod des Ehemanns nie geschafft hat, den Töchtern ihre Zuneigung zu zeigen.


    Als Wilhelmine einen Schwächeanfall erleidet und ins Krankenhaus muss, informiert Grete ihre jüngere Schwester Freya, die in Berlin ein erfolgreiches Startup-Unternehmen leitet, sowie Anne, die sehr an der Großmutter hängt. Beide Frauen kommen in die Heimat, um Wilhelmine nahe zu sein.


    Für Freya ist es gleichzeitig eine Flucht. In der Firma gibt es Probleme und ihr langjähriger Partner, mit dem sie eine Familie gründen wollte, hat sie verlassen. Auch Anne, die mittlerweile in Bremen studiert, hat Liebeskummer.


    Das Verhältnis der Frauen untereinander ist nicht einfach. Jede verschweigt den anderen etwas. Alte Wunden brechen auf und unweigerlich kommt es zu Konflikten. Nach und nach nähern sie sich jedoch einander an und alte Geheimnisse kommen ans Licht.


    „Die Rückkehr der Kraniche“ ist ein leiser und melancholischer Familienroman, der zugleich die Natur der Elbmarsch detailreich beschreibt. Das wunderschön gestaltete Cover gibt einen Eindruck der unberührten Natur der Elbmarsch mit ihren vielen geschützten Vogelarten.


    Ich konnte mich sehr gut in die Frauen mit ihren Problemen und Ängsten hineinversetzen. Romy Fölck beweist mit diesem Roman, dass sie nicht nur gute Krimis schreibt.


    Mir hat das Buch ein schönes, entspanntes Lesewochenende geschenkt. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    Der Weg ist das Ziel

    Bea, erfolgreiche Mitarbeiterin einer Hamburger Werbeagentur, leidet an Burnout-Symptomen. Sobald sie die Agentur betritt, wird ihr schwindlig. Ihre beste Freundin rät ihr dazu, eine Auszeit zu nehmen und in sich zu gehen, um herauszufinden, was sie schon immer tun wollte. Daraufhin kauft sich die sonst so durchgetaktete, karriereorientierte Bea einen alten VW-Bus, mit dem sie zum Nordkap fahren will. Sechs Monate soll die Reise dauern. Weder ihr Freund Marco noch der Chef der Agentur sind von ihrem Plan begeistert, aber Bea hat sich entschieden.


    Leider gibt ihr Oldtimer-Bulli in Schweden, in the middle of nowhere, den Geist auf: Motorschaden. Sie findet zwar einen Mechaniker, der ihr einen neuen Motor beschaffen und einbauen will, doch das dauert. So verbringt sie wohl oder übel einige Zeit in dem Dorf Sjöhyttan, wo sie im einzigen Café des Orts ein Zimmer mieten kann. Bald lernt sie einige Bewohner des Dorfs kennen, unter anderem Per, der sich seinen Lebensunterhalt durch den Bau von Tiny Houses verdient. Die beiden sind sich auf Anhieb sympathisch, doch Per ist alleinerziehender Vater zweier Töchter und will sich keineswegs in eine Frau verlieben, die sowieso bald wieder weg ist, und Bea hat ihren Freund und ihren Lebensmittelpunkt in Hamburg. Doch nicht immer siegt der Verstand.


    „Fast bis zum Nordkap“ ist eine richtig schöne Feelgood-Lektüre. Ich konnte mich sehr gut in Bea hineinversetzen, vieles könnte sich tatsächlich genauso zutragen. Die Dialoge sind witzig, und die Geschichte ist nicht so überfrachtet mit künstlichen Dramen wie es bei romantischen Romanen manchmal der Fall ist.


    Mein einziger Kritikpunkt ist Beas Blauäugigkeit, was ihren Freund Marco anbelangt. Meinen Lesegenuss hat dies allerdings nur geringfügig geschmälert. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der eine amüsante Sommerlektüre sucht, die aber trotzdem weder seicht noch trivial ist. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    Viel Lärm um nichts

    Poppy und Alex lernen sich im College kennen. Obwohl sie vollkommen unterschiedliche Charaktere sind – Poppy verrückt, extrovertiert, witzig, Alex sehr korrekt und eher ein ernster Typ – fühlen sie sich wohl in der Gegenwart des anderen und beschließen, zusammen Urlaub zu machen. Daraus entwickelt sich eine Tradition. Jedes Jahr fahren die beiden miteinander in Urlaub. Hilfreich ist dabei, dass Poppy einen Job bei einem Reisemagazin ergattert und die Urlaube als Recherche für Artikel bezahlt kriegt.


    Der Roman spielt einerseits in der Jetztzeit, andererseits gibt es Rückblicke auf die Urlaube der vergangenen zehn Jahre. Gleich zu Beginn erfährt man, dass vor zwei Jahren, während eines Kroatienurlaubs, etwas passiert ist, was zu einer zweijährigen Funkstille zwischen den beiden führte. Leider muss man als Leser mehr als 300 Seiten hinter sich bringen, bis man endlich erfährt, was damals vorgefallen ist. Der Grund stellt sich dann allerdings als so eine Lappalie heraus, dass es mir schwer fällt zu glauben, dass zwei erwachsene Menschen daraufhin jahrelang den Kontakt zueinander meiden!


    Poppy vermisst Alex sehr und nimmt nach zwei langen Jahren Kontakt zu ihm auf. Sie will erneut mit ihm in Urlaub fahren, allerdings einen Urlaub wie in den Anfangsjahren verbringen: Low Budget anstatt Luxusresorts.


    Der Anfang dieses Buchs hat mir gut gefallen. Es gibt jede Menge witzige Situationen und Dialoge, die mich zum Lachen gebracht haben. Doch nach einem Drittel des Buchs fing ich an, mich zu langweilen. Wenn Alex zum zehnten Mal seinen „trauriger Welpe Blick“ aufsetzt und sich Poppy „quietschend vor Lachen“ auf dem Boden rollt, nervt es nur noch. Im übrigen lässt die Übersetzung auch des öfteren zu wünschen übrig, so manches wäre im englischen Original wahrscheinlich sehr viel witziger.


    Die vielen Rückblicke auf vergangene Urlaube sind auch nicht wirklich hilfreich. Man erfährt zwar, wie sich die Beziehung der beiden entwickelt (als Leserin sieht man übrigens von Anfang an, dass die beiden total gut zueinander passen und da mehr als Freundschaft ist, die einzigen, die das nicht kapieren, sind Poppy und Alex selbst), aber eigentlich ist es völlig egal, wann und in welchem Land sie gerade sind, mich hätte vielmehr interessiert, wie es in der Jetztzeit mit dem beiden weitergeht. Bis es so weit ist, braucht man allerdings viel Geduld. Das Buch ist unendlich in die Länge gezogen, am Schluss kommt es noch zu einem künstlich aufgebauschten und völlig überflüssigen Drama. Es ist für mich schwer nachzuvollziehen, dass dieses Buch ein Nr. 1 New York Times Bestseller sein soll. Es ist eine locker-leichte Urlaubslektüre mit vielen Längen. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    Das Böse lauert überall

    Die zweijährige Poppy wird von ihren Eltern gnadenlos über deren Instagrammkanal vermarktet. Vom ersten Gähnen am Morgen bis zum Zähneputzen abends, alles wird für die vielen Follower ins Netz gestellt und geteilt. Selbst den Aufenthaltsort Poppys erfahren ihre Fans, es ist wirklich erschreckend, wie naiv die Eltern Lotte und Jens sind, Hauptsache, die Kasse stimmt. So ist es eigentlich keine große Überraschung, dass Poppy eines Tages entführt wird, als sie den Tag bei ihren Großeltern verbringen sollte. Vor einem Monat gab es bereits einen anderen Entführungsfall, bei dem das kleine Mädchen glücklicherweise unbeschadet wieder auftauchte. Wird dies bei Poppy auch der Fall sein?


    Als die nach einem Zusammenbruch krankgeschriebene Emer Murphy von dem Fall erfährt, will sie sich unbedingt in die Ermittlungen einbringen. Sie setzt kurzerhand ihre Psychopharmaka ab und fährt ins Präsidium, wo sie mit offenen Armen empfangen wird. Angeblich verfügt Emer über eine „Gabe“, die auch bei der Klärung des letzten Falls eine entscheidende Rolle spielte.


    Obwohl das Thema hochaktuell ist, konnte mich dieser als Thriller bezeichnete Roman, der doch einige Längen hatte und für einen Thriller einfach nicht spannend genug war, nicht fesseln. „Poppy“ ist ein Buch, in dem es nur um perverse, böse und auf ihren eigenen Vorteil bedachte Menschen geht. Größtenteils bleiben die Personen blass, noch nicht mal von den Hauptpersonen und der Ermittlerin Emer kann ich mir wirklich ein Bild machen. Was mir in Erinnerung geblieben ist, ist, dass Emer angeblich lila Augen und weiße Haare hat, sehr seltsam.

    Das Hauptthema des Buchs, die Vermarktung von Kindern via Internet und die Gefahren, denen sie dadurch ausgesetzt sind, finde ich wichtig, aber die Umsetzung der Thematik in diesem Roman ist wenig glaubhaft. Viele Zusammenhänge sind einfach total konstruiert und too much. Ziemlich verstörend fand ich die Einblicke in die Pädophilenszene.


    Mich lässt die Lektüre ziemlich frustriert zurück. Auch der Schreibstil hat mich nicht überzeugt. Den nächsten Band der Reihe werde ich sicher nicht lesen. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Lesenswertes Debüt

    Die Endzwanzigerin Elke ist kurz davor, ihre Ausbildung zur Pastorin abzuschließen. Ihr Vater, der ebenfalls Pastor ist, erwartet selbstverständlich, dass sie eines Tages seine Gemeinde übernimmt.
    Elke arbeitet ehrenamtlich in einem Pflegeheim, eine Aufgabe, die ihr sehr viel Freude macht. Selbst während des Kölner Karnevals übernimmt sie gern eine Schicht, damit die Kollegen feiern können. In dieser Nacht passiert es. Eine sterbende Frau bittet sie, mit ihr das Vaterunser zu beten, doch Elke kann sich plötzlich nicht mehr an den Text erinnern. Sie diagnostiziert sich selbst mit „Gottdemenz“. Es bleibt nicht bei dem einen Vorfall und Elke beginnt zu zweifeln, ob sie überhaupt Pastorin werden will und kann.
    Ihr äußerst verständnisvoller Partner Jan beruhigt sie damit, es könne sich nur um eine Phase handeln, doch die Ursachen liegen tiefer. Vor Jahren hat Elke ein Trauma erlitten. Ihr Bruder kam ums Leben. Weder sie noch ihre Eltern haben dieses Trauma je überwunden. Als Elkes Vater schwer krank wird, fährt sie nach Hause und beginnt, sich der Vergangenheit zu stellen.
    „Die Ewigkeit ist ein guter Ort“ ist sowohl sprachlich als auch inhaltlich überzeugend. Elke ist zwar eine sehr eigenwillige Persönlichkeit und manche ihrer Handlungen sind so skurril, dass ich sie in keinster Weise nachvollziehen konnte, doch habe ich gerne ihre Entwicklung mitverfolgt. Der Roman behandelt ernste Themen und ist gleichzeitig stellenweise urkomisch. Ein ganz bemerkenswertes Debüt, das ich absolut empfehlen kann. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    Schatzsuche im Uferschlamm

    Ihre Reise nach London anlässlich ihres 10. Hochzeitstags hatte sich Caroline anders vorgestellt. Anstatt, wie geplant, romantische Touren mit ihrem Ehemann zu unternehmen, reist sie allein, da sie kurz zuvor erfahren hat, dass ihr Mann sie betrügt.


    Traurig und verloren macht sich Caroline am ersten Tag in London auf zu einem Pub, als ihr ein Mann von „Mudlarking“ Touren erzählt, der Suche nach Gegenständen aus längst vergangenen Zeiten im Uferschlamm der Themse. Caroline, die Geschichte studiert hat, schließt sich der Gruppe an und findet prompt ein kleines Glasfläschchen mit der Gravur eines Bären. Fasziniert macht sie sich auf die Suche nach der Herkunft des Fläschchens und lernt dabei Gayle kennen, die im britischen Museum arbeitet und ihr Zugang zu alten Dokumenten verschafft.


    In einem zweiten Handlungsstrang, der 200 Jahre früher spielt, lernen wir die Apothekerin Nella und die junge Eliza kennen. Nella betreibt die titelgebende versteckte Apotheke, in der sie hilfesuchenden Frauen allerlei Gifte verkauft, mit denen sie sich beispielsweise eines gewalttätigen Ehemanns entledigen können.


    Bis etwa zur Mitte des Buchs habe ich diesen Roman verschlungen, danach wird er leider immer unrealistischer. So findet Caroline einen versteckten Hinterhof und hinter einer verwitterten Tür einen Raum, den seit Jahrhunderten niemand mehr betreten hat. Und das mitten im Finanzzentrum Londons, wo das besagte Grundstück wahrscheinlich Millionen wert ist! Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass ein 200 Jahre alter Notizzettel, den eine alte Frau auf ihrem Sterbebett verfasst hat, aufbewahrt wurde und Caroline bzw. Gayle ihn auf Anhieb finden.


    Trotzdem ist „Die versteckte Apotheke“ ein kurzweiliger und zumindest am Anfang spannender Roman, der mich gut unterhalten hat. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Ein Ende in Würde

    Max Keller hat eine schwierige Kindheit hinter sich, als er nach dem Tod des gewalttätigen Vaters von seiner Tante Maria aufgenommen wird. Die beiden haben ein inniges Verhältnis, deshalb ist es für Max, der inzwischen Arzt ist, gar keine Frage, als Maria ihn nach einer Alzheimerdiagnose bittet, ihrem Leben ein Ende zu setzen, wenn eines Tages ein Leben in Würde nicht mehr möglich sein sollte.


    Max, der inzwischen weitere Schicksalsschläge hinter sich hat, löst sein Versprechen ein und wird prompt der aktiven Sterbehilfe angeklagt.


    Ausgerechnet Max Kellers bester Freund aus Jugendtagen, Jonas, der kurz vor der Ernennung zum Generalstaatsanwalt steht, ist der zuständige Staatsanwalt in dem Verfahren gegen seinen alten Freund, in dessen Schuld er steht.


    Der Autor und Rechtsanwalt Markus Thiele spricht hier ein brisantes und aktuelles Thema an. Wo verläuft die Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe? Ist es nicht Teil eines selbstbestimmten Lebens und somit verfassungskonform, wenn man seinem Leben ein Ende setzen will, wenn dieses nur noch aus Siechtum besteht? „Die sieben Schalen des Zorns“ ist ein anspruchsvolles und aufrüttelndes Buch. In Rückblenden erfährt der Leser Einzelheiten aus dem Leben der Hauptpersonen, die für das Verständnis ihrer Handlungsweisen wichtig sind. Allerdings fand ich diese Rückblicke zum Teil sehr langatmig und ausufernd, was bei mir etwas Langeweile aufkommen ließ. Nichtsdestotrotz ist es ein Buch, das ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema anspricht. Klare Leseempfehlung. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Der geheimnisvolle Fremde

    Thomas Jerome Newton ist mit fast zwei Metern Körpergröße, seinem weißen Haar und einem Knochenbau wie ein Vögelchen kein gewöhnlicher Mensch. Diejenigen, die ihn treffen, können nicht ahnen, dass er überhaupt kein Mensch ist, sondern ein Außerirdischer, der mit seinem Raumschiff vom Planeten Anthea kam, um sein Volk zu retten.


    Da das Volk der Antheaner den Menschen technisch und die Intelligenz betreffend weit überlegen ist, schafft es Newton in kürzester Zeit, auf der Erde eine Vielzahl an Patenten anzumelden und ein reicher Mann zu werden. Seine Erfindungen sind so außergewöhnlich, dass der Wissenschaftler Nathan Bryce auf ihn aufmerksam wird, ihn aufspürt und schließlich für Newton arbeitet. Die einzige andere Person, zu der Newton eine persönliche Beziehung aufbaut, ist Betty Jo, eine einfache Frau, die ihm aus einer großen Notlage hilft und schließlich für ihn als Haushälterin tätig ist.


    Was genau Newtons Mission auf der Erde ist, wird nicht ganz klar. Außerdem bleibt fraglich, ob Newton sich nicht längst dagegen entschieden hat. Obwohl er ein einsames Leben lebt, fühlt er sich auf der Erde mit ihren riesigen Wasservorräten und Bodenschätzen wohl. Doch mit der Zeit werden auch staatliche Stellen auf Newton aufmerksam und mit seinem beschaulichen Leben ist es vorbei.


    „Der Mann, der vom Himmel fiel“ wurde bereits im Jahr 1963 verfasst. Damals war das Buch ein Blick in die Zukunft der Jahre 1984 – 1990. Interessant ist die Perspektive des Außerirdischen. Sein Volk hat den eigenen Lebensraum bereits zerstört und die Menschheit ist auf dem besten Weg, dies ebenfalls zu tun.


    Ich bin überhaupt kein Science Fiction Fan, doch dieses Buch ist ein besonderes innerhalb des Genres. Wichtiger als die Tatsache, dass Newton von einem anderen Planeten kommt, ist sein Blick auf die Menschen und wie sie leben. Ich habe dieses Buch sehr genossen. Es ist spannend geschrieben und hervorragend übersetzt und ich kann es absolut empfehlen. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Such mich nicht

    Lale hat genug von ihrem bisherigen Leben. Ihrem Partner hinterlässt sie einen lapidaren Zettel, „Such mich nicht“, setzt sich in den nächsten Zug und fährt bis zur Endstation. Dort strandet sie auf einem etwas heruntergekommenen Campingplatz am See. Gegen Arbeit überlässt ihr der Besitzer des Campingplatzes, Gustav, einen Wohnwagen, in dem sie für die Zeit ihres Aufenthalts wohnen kann. Lale stürzt sich in Arbeit, und davon gibt es genug. Dann taucht plötzlich Christophe auf, der den ganzen Weg von der Insel Réunion gekommen ist, um seine Wurzeln zu finden. Christophe und Lale fühlen sich zueinander hingezogen und verbringen eine schöne und leidenschaftliche Zeit miteinander, bis das Glück ein jähes Ende findet.


    Das erste Drittel des Buchs hat mir echt gut gefallen, doch dann zog sich die Geschichte doch sehr in die Länge und ich habe mich gelangweilt. Manches ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen, zum Beispiel die Entdeckung eines sogenannten Hexengrabs, das daraufhin scharenweise Hippies und Esoteriker anzieht und dem Campingplatz gute Geschäfte beschert. Die Atmosphäre des Sommers ist schön beschrieben, die flirrende Hitze, Abende am Lagerfeuer, doch hat mir das nicht gereicht, um mich zu fesseln. Lale blieb mir fremd, stellenweise fand ich sie regelrecht unsympathisch. Es werden viele Themen angeschnitten, aber alles in allem war es ein Buch ohne Tiefgang mit einem vorhersehbaren Ende. Ganz nette Sommerlektüre, ich hatte mir allerdings mehr davon versprochen. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Da waren wir noch alle

    Die 50jährige Franziska erhält einen Hilferuf aus ihrem Heimatdorf: sie soll sich um den verwitweten Vater Heinrich kümmern, der über 80 ist und nicht mehr allein zurechtkommt. Bisher hat diese Aufgabe die ältere Schwester Monika übernommen, doch die kann nicht mehr und so muss Zissy einspringen. Ausgerechnet sie, die vor Jahren mit dem Vater gebrochen hat und mit 17 das Elternhaus verließ! Sie, die rebellische Umweltschützerin, die schon überall auf der Welt gelebt hat und doch nirgends Wurzeln schlug.


    Zu allem Überfluss soll das Elternhaus altersgerecht renoviert werden und Franziska die Möbel ausräumen und möglichst viel entsorgen. Der Vater, der hauptsächlich in der Vergangenheit zu leben scheint, wehrt sich gegen diese Pläne. Seine eigenen Pläne sehen ganz anders aus.


    In Rückblicken erfahren wir viel über die Vergangenheit der Familie, die harte und entbehrungsreiche Kindheit des Vaters während des zweiten Weltkriegs, das Kennenlernen von Heinrich und seiner Frau Johanne, die glücklichen ersten Ehejahre und die schwierigen Zeiten mit ihrer rebellischen jüngeren Tochter Franziska. Aber auch Franziskas Leben wird erzählt: die erste große Liebe, die tragisch endete, ihre Suche nach einem erfüllten und sinnvollen Leben, das sie von einem Umweltprojekt zum nächsten führte, dem Leben im Ashram, ihrem Getriebensein. Dabei wechselt die Perspektive zwischen Franziska und ihrem Vater hin und her. Da ich das Buch als Hörbuch gehört habe, habe ich den Wechsel der Stimmen als sehr angenehm empfunden, beide Sprecher klangen authentisch und ich habe ihnen sehr gern gelauscht.


    Gisa Klönne versteht es sehr gut, die melancholische Stimmung zu erschaffen, die über diesem Sommer liegt, den Franziska bei ihrem alten Vater verbringt, und den Leser/Hörer auf eine Reise in die Vergangenheit mitzunehmen. Da ich viele der zeitgeschichtlichen Ereignisse ebenfalls als junge Frau erlebt habe – die Proteste gegen die Startbahn West, um nur ein Beispiel zu nennen – war es für mich zugleich eine Reise in die eigene Vergangenheit. Während ihrer Zeit bei Heinrich kommen sich Franziska und ihr Vater ganz langsam wieder näher. Auch das zerrüttete Verhältnis zur Schwester und ein prägendes und totgeschwiegenes Ereignis in der Vergangenheit ist Thema dieses Buchs, das mich sehr berührt hat. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Ruhiger Krimi

    Rosa Zambrano, Mittdreißigerin und Seepolizistin in Zürich, hört ihre biologische Uhr ticken. Von ihrem langjährigen Freund hat sie sich gerade getrennt, offenbar wollte er keine Kinder. Um sich ihren Kinderwunsch zu einem späteren Zeitpunkt erfüllen zu können, lässt sie in der renommierten Praxis des Zürcher Arztes Dr. Janssen ihre Eizellen einfrieren. Kurz danach wird just dieser Arzt als Wasserleiche aus dem See gefischt. Wie sich herausstellt, steckte Janssen mitten im Scheidungskrieg, seine Partnerin in dem Biotechunternehmen, das er neben der Praxis betrieb, hatte andere Vorstellungen als er und war nicht gut auf ihn zu sprechen, und dann schien er auch noch Verbindungen ins Rotlichtmilieu gehabt zu haben.


    Es gibt also genügend Menschen, deren Leben einfacher wäre ohne ihn und die somit ein Motiv gehabt hätten, ihn aus dem Weg zu räumen.


    „Tiefes, dunkles Blau“ ist zweifellos ein Krimi, allerdings steht der Kriminalfall nicht im Vordergrund. Seraina Kobler versteht es ganz wunderbar, Stimmungen zu beschreiben. Rosa ist beispielsweise eine begeisterte und begnadete Köchin, die ihre Gäste mit ausgefallenen Menüs verwöhnt. Auch die Atmosphäre Zürichs, ein Open Air Konzert, dem Rosa in ihrem verwunschenen Garten mitten in der Zürcher Altstadt lauscht, sowie die Stimmungen am See und in den Bergen oberhalb von Zürich werden so anschaulich beschrieben, dass man sich mittendrin fühlt. Von Rosa selbst konnte ich mir allerdings kein so gutes Bild machen, vielleicht lerne ich sie im nächsten Band der Reihe, den ich sicher auch lesen werde, besser kennen. Ein unterhaltsamer und ruhiger Roman, der durch seine sehr schöne Covergestaltung – vertäute Boote im See mit der Altstadt Zürichs im Hintergrund – ins Auge fällt. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Die Wahrheit ist ein Schloss mit vielen Räumen

    In ihrer Kindheit haben die Schwestern Doro, Yella, Amelie und Helen jeden Sommer mit ihren Eltern in Holland verbracht. Bis der Vater auf dem Weg zum Strand tödlich verunglückte. Danach waren sie nie wieder dort. Doch jetzt erreicht die Schwestern, die sich im Lauf der Jahre fremd geworden sind, ein Brief der Mutter. Henriette Thalberg bittet sie zu einem kurzfristig anberaumten Familientreffen, ausgerechnet im holländischen Ferienort Bergen. Um was es geht, will sie ihnen vor Ort sagen.


    Viel scheinen die Töchter von ihrer Mutter nicht zu halten. Immer wieder ist die Rede davon, dass die Mutter nur wenige Monate nach dem Tod ihres Ehemanns bereits Ehemann Nummer 2 heiratete, einen Mann, den die Töchter nicht ausstehen konnten. Zum Glück hielt die Ehe nicht lang. Yella, die Zweitälteste, beschreibt ihren letzten chaotischen Besuch bei der Mutter, die ziemlich oberflächlich und alles andere als sympathisch beschrieben wird. Nach und nach lernen wir auch die Schwestern kennen, die exaltierte Künstlerin Doro, deren Universum sich nur um sich selbst dreht, Yella, die mit ihrem Leben als Mutter und ihrer Beziehung zu einem Schriftsteller mit Schreibblockade unzufrieden wirkt, die geradlinige Helen und die ziemlich stille Amelie, von deren Leben man nur wenig erfährt. Sie alle teilen sich ein Ferienhaus, die Mutter hat sich im Hotel einquartiert. Die Schwestern streiten sich und vertragen sich wieder, spielen Minigolf und streiten sich wieder und als Leser erlebt man jede langweilige Minute mit. Die eigentliche Auflösung, der Grund für die Zusammenkunft, lässt lange auf sich warten und ist keine sonderliche Überraschung. Am Schluss geht es um die Frage „Was ist richtig, was ist falsch? Was ist wahr und was ist Lüge?“ Doch wie ein holländischer Freund von Henriette sagt: Die Wahrheit ist ein Schloss mit vielen Räumen.


    Für mich war dies das erste Buch der Autorin und es wird voraussichtlich auch das einzige bleiben. Als locker-leichte Ferienlektüre geeignet, ohne großen Tiefgang. Die Leseprobe hatte mir gut gefallen und eine interessante Lektüre versprochen, doch leider war der Mittelteil des Buchs äußerst zäh. Erst gegen Ende wurde es wieder interessanter. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Schöne neue Welt im 21. Jahrhundert

    Als junge Frau wollte Mélanie Claux Star im Reality TV werden, doch es hat nicht geklappt. Jahre später, inzwischen ist sie verheiratet und Mutter zweier Kinder, beginnt sie, ihre Kinder für YouTube zu filmen. Das Format kommt an, sie bekommt immer mehr begeisterte Follower und die Sponsoren reißen sich um sie. Die ganze Familie ist eingebunden, auch ihr Mann gibt seinen Job auf, um an der Produktion der Filme mitzuwirken. Auch finanziell lohnt sich die Sache: nach kurzer Zeit erwirtschaften sie Millionen.


    Zu Beginn des Buchs ist Tochter Kimmy 6, ihr Bruder Sammy 8. Während Sammy klaglos die Drehs über sich ergehen lässt, weigert sich Kimmy immer öfter, die gesponserten Outfits zu tragen und ständig von der Kamera überwacht zu werden. Dann geschieht das Unfassbare: Kimmy verschwindet. Die Kriminalpolizei wird eingeschaltet und die Ermittlerin Clara durchleuchtet das Leben der Familie Claux. Was sie entdeckt, schockiert sie. Ihr war nicht bewusst, dass es solche Kanäle gibt, in denen Kinder hemmungslos vermarktet werden und Privatsphäre ein Fremdwort ist.


    Ein Zeitsprung ins Jahr 2031 offenbart die Langzeitfolgen dieser Art von Unterhaltung. Das Erschreckende an diesem Buch ist, wie realitätsnah es ist. Überall auf der Welt gibt es Eltern, die genau mit dieser Art von Filmen ihre Kinder der Öffentlichkeit preisgeben und ihnen ihre Kindheit rauben. Ich habe dieses Buch atemlos verschlungen und es hat mich sehr deprimiert. „Die Kinder sind Könige“ ist ein hervorragend geschriebenes und hochaktuelles Buch, das jeder lesen sollte. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Ein Leben in der Warteschleife

    Dorothy Watson, genannt Dot, arbeitet im Fundbüro von London Transport. Täglich werden zahlreiche Gegenstände abgeliefert, die in den Londoner Bussen oder U-Bahnen liegengeblieben sind. Von der abgewetzten Jacke bis zum Luxuskoffer ist alles dabei. Dot macht es Freude, sich die Besitzer der Gegenstände auszumalen und mit besonderer Befriedigung erfüllt es sie, wenn die Gegenstände zu ihrem Besitzer zurückfinden. Eines Tages kommt ein älterer Herr ins Fundbüro, der die Ledertasche seiner verstorbenen Frau verloren hat. Für ihn war sie ein Bindeglied zu der Frau, die er offensichtlich sehr vermisst, und Dot wünscht sich nichts mehr, als ihm die Tasche zurückgeben zu können. Umso mehr freut sie sich, als sie tatsächlich abgegeben wird, doch leider ist die Adresse von Mr. Appleby unauffindbar. Mit detektivischem Spürsinn (nomen est omen!) macht sich Dot auf die Suche nach dem alten Herrn.


    Abgesehen von ihrem Job hat Dot wenig Abwechslung in ihrem Leben. Ihr Vater, zu dem sie ein sehr enges Verhältnis hatte, ist tot, die zunehmend demente Mutter im Seniorenwohnheim. Zu ihrer übergriffigen und besserwisserischen älteren Schwester Philippa vermeidet sie den Kontakt, soweit möglich. Philippa ist es auch, die so schnell wie möglich die Maisonettewohnung der Mutter, in der auch Dot lebt, verkaufen möchte, was Dot ziemlich aus der Bahn wirft. Nach und nach erfährt der Leser mehr über Dots Leben. Sie war nicht immer die zurückgezogene und wie aus der Zeit gefallene Frau, die andere in ihr sehen. Vor Jahren studierte sie in Paris, war lebenslustig und hatte große Pläne für ihr Leben. Doch dann kam es zu einem Ereignis, das alles veränderte.


    „Das Fundbüro der verlorenen Träume“ fiel mir zuerst wegen des wunderschönen und ausgefallenen Covers auf. Die Leseprobe hat mich positiv überrascht. Ich hatte einen seichten und vorhersehbaren Feelgood-Roman befürchtet, doch der Stil war unerwartet geistreich und witzig und der Roman hat sehr viel mehr Tiefgang als der doch etwas kitschige Titel vermuten lässt (Im englischen Original heißt das Buch ganz einfach „Lost Property“, Fundbüro). Die liebevoll gezeichneten, teils recht skurrilen Personen und überraschende Wendungen in der Geschichte haben das Buch für mich zu einem Lesevergnügen gemacht. Ein warmherziger Roman, den ich kaum aus der Hand legen konnte. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: