Volker Zotz - Konfuzius für den Westen

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    Um die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. vollzogen sich in Europa und Asien kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbrüche, die nach einer neuen Orientierung verlangten. Drei Gestalten ragten in diesem Prozess besonders hervor. Konfuzius, Buddha und Sokrates bestimmten nachhaltig das Denken ihres jeweiligen Kulturkreises.
    Konfuzius (551 - 479 v. Chr.) entstammte einer verarmten Adelsfamilie, trat erst in Staatsdienste, ehe er mit etwa 30 Jahren eine eigene Schule gründete, um Beamte besser auszubilden. Nach dreijähriger Lehrtätigkeit begann er durch China zu reisen und Fürsten in beratender Funktion zu unterstützen.
    Im Gegensatz zu Buddha und Sokrates liegt Konfuzius besonders viel an alten Traditionen, den Werten und Regeln der Vergangenheit.
    Der österreichische Philosoph und Religionswissenschaftler berichtet in seinem bemerkenswerten Buch von der Lebensphilosophie des Konfuzius, und hinterfragt, inwieweit diese auch im Abendland Anwendung finden könnte.


    Mein Eindruck
    Konfuzius steht neben anderen klassischen Meistern Asiens, die in Europa Gefolgschaft finden, relativ blass und unbeachtet im Abseits. Hegel meinte sogar, dass es Konfuzius' Ruf mehr genützt hätte, wäre er unübersetzt geblieben, und der durchschnittlich gebildete Europäer kennt wahrscheinlich auch nur einige seiner kurzen Sprüche. Genaueres über die Philosophie des alten chinesischen Meisters hätte ich vor der Lektüre dieses Buches auch nicht sagen können; Volker Zotz leistet hier aber vortreffliche Arbeit und erklärt seinen Lesern sehr genau, worauf es Konfuzius ankommt. Mit einem Lehrer, der keine Regeln hinterlassen hat, an die man sich halten könnte, hat der Suchende nun mal seine Schwierigkeiten, und das trifft wohl ganz besonders auf den westlichen Menschen zu. Konfuzius sieht sich als lebenslang Lernender im "Menschlichsein" und ist dabei zutiefst in den alten Traditionen seiner chinesischen Heimat verwurzelt. Mystische Interpretationen lehnt er ab, sieht keine andere Wirklichkeit hinter den Dingen wie etwa Platon, lebt ganz im erfahrbaren Dasein und hat auch keine religiösen Vorlieben. Die alten Werte seien aber dennoch aufrecht zu erhalten, da sie sich über Jahrhunderte bewährt hätten, und den Ahnen Sinn und Orientierung gaben. Ob es Gott gäbe, spiele dabei nicht die entscheidende Rolle, da sich dies der Erkenntnis des Menschen ohnehin entzieht.
    Großen Wert legt Konfuzius aber auf die Verehrung der Eltern und der Ahnen, auf Familie, Ehe und Kinder, auf Freundschaft und den liebevollen Umgang mit allen Menschen in seinem nächsten Umfeld. Gelingt dieses Leben im Kleinen, kann man sich auch größeren Aufgaben im Staat und der Gesellschaft widmen. Ein zölibatäres Leben oder Klostergemeinschaften hält Konfuzius für unnatürlich, denn ein geglücktes Leben sei nur in einem sozialen Zusammenhalt denkbar. Im Gegensatz zu Buddha geht es ihm auch nicht um die Überwindung jeglicher Emotionen, Gefühle bleiben weiterhin wichtiger Bestandteil der Existenz, während Gewinnstreben, Profitgier und Luxus mit einer konfuzianischen Denkweise nicht vereinbar sind.
    Volker Zotz macht seinen Lesern sehr anschaulich klar, dass eine Übernahme der Lebensweise des Konfuzius für den Westen nicht eins zu eins möglich sei, dass man sich aber viele seiner Ansichten für seinen persönlichen Lebensweg sehr wohl zu eigen machen könne.
    Viele der kurzen Sinnsprüche des Konfuzius erscheinen in ihrer unumstößlichen Wahrheit fast banal, etwa: "Freundschaft mit Ehrlichen, Treuen und Erfahrenen fördert; Freundschaft mit Heuchlern, Ungefestigten und Schwätzern schadet", doch ist es mir gelungen, sie vor dem durch den Autor vortrefflich geschilderten Lebenshintergrund des Meisters in einem ganz neuen Zusammenhang zu sehen. Dennoch hätte ich persönlich mit so viel Wertschätzung der Traditionen meine Schwierigkeiten, denke ich doch, dass wir mit dieser Einstellung womöglich auf viele (auch segensreiche) Errungenschaften der Zivilisation verzichten müssten. Seine hohen ethischen Ansprüche hingegen bejahe ich sehr gerne, die auch zu einer bewussteren und bescheideneren Lebensweise führen sollten.
    Doch auch Zeitgenossen dürften ihre Schwierigkeiten mit Konfuzius und seiner Lebensphilosophie gehabt haben: "Nicht, dass ich die Lehre des Meisters nicht schätze. Aber meine Kraft reicht nicht aus", worauf Konfuzius entgegnete: "Reicht die Kraft nicht, bleibt man auf halber Strecke zurück. Du machst dich gar nicht erst auf den Weg."