Peter Swanson - Die Gerechte / The Kind Worth Killing

  • Klappentext: Ted Severson meets a woman at the airport bar. Over cocktails they tell each other rather more than they should, and a dark plan is hatched - but are either of them being serious, could they actually go through with it and, if they did, what would be their chances of getting away with it?


    Inhalt: Ted Severson ist einer von vielen betrogenen Ehemännern. Er erträgt seine verschwenderische, egoistische Ehefrau Miranda, aber als er am Flughafen in London einer schönen, unbekannten Frau begegnet, gesteht er ihr unter dem Einfluss von Alkohol, dass er sie liebend gerne umbringen würde. Ohne mit der Wimper zu zucken bietet ihm Lily seine Hilfe an und die Beiden schmieden Pläne um die unwissende Miranda loszuwerden, für immer.


    Dieser Thriller von Peter Swanson hat das Thema der untreuen Ehefrau und des deprimierten Ehemannes, der aus Frustration und Wut zu allem bereit ist, nicht neu erfunden, aber er hat es sehr gut und ziemlich spannend umgesetzt. Ich konnte mich tatsächlich sehr gut in jede Person in diesem Buch hineinversetzen. In den betrogenen Ted, die geheimnisvolle und ziemlich kaltblütige Lily als auch in Miranda, die sehr raffgierig und verschwenderisch ist und am liebsten alles für sich hätte. Auf ihre spezielle Art und Weise sind die Charaktere also sehr gut nachzuvollziehen und irgendwie auch sympathisch.
    Das Buch wartet mit einigen interessanten Plottwists auf und hat mich zum Lesen angeregt, als ich mitten in einer sehr ernsten Leseflaute steckte. Es ist das allererste Buch seit einigen Monaten das ich endlich mal am Stück in kurzer Zeit durchlesen konnte. Ich habe es auch meiner besten Freundin empfohlen und sie war ebenfalls recht positiv überrascht.
    Natürlich ist das Buch nicht total überraschend und völlig neu, aber es hat spaß gemach zu lesen und ich mochte es :)
    4/5 Sternchen :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Kurzbeschreibung zur deutschen Ausgabe (Quelle: amazon)
    Eine Flughafenbar in London. Es ist Abend, und Ted Severson wartet auf seinen Rückflug nach Boston, als eine attraktive Frau sich neben ihn setzt. Kurz darauf vertraut er der geheimnisvollen Fremden an, dass seine Frau ihn betrogen hat. Mit ihrer Reaktion jedoch hat er nicht gerechnet: Sie bietet ihm Hilfe an – beim Mord an seiner Ehefrau. Ein Trick? Ein morbider Scherz? Oder ein finsteres Rachespiel, das nur ein böses Ende nehmen kann?


    Die deutsche Ausgabe ist am 16.01.2017 bei Blanvalet als TB mit 416 Seiten erschienen, die Übersetzung stammt von Fred Kinzel.
    Dieses E-Book habe ich gestern beendet. Die deutsche Kurzbeschreibung enthält eine wesentliche Information, die beim Original fehlt: Ted Severson, der bisher nicht unglücklich mit seiner attraktiven Ehefrau Miranda war, beobachtet eher zufällig, dass seine Frau ihn mit dem Bauunternehmer Brad betrügt, der den Auftrag für ihr Luxushaus in Maine hat. Erst daraufhin beschließt er, Miranda zu töten.
    Auf dem Rückflug von London kommt er mit Lily ins Gespräch und erzählt ihr von seinem Problem. Sie bietet ihm an, bei der Ermordung seiner Frau zu helfen und ihm ein Alibi zu verschaffen.
    Das Buch ist in drei Teile mit insgesamt 34 Kapiteln gegliedert, abwechselnd treten verschiedene Romanfiguren als Ich-Erzähler auf und berichten dabei nicht nur über die gegenwärtige Situation, sondern auch über Vergangenes. Die Handlung nimmt viele überraschende Wendungen, sodass der Verlauf nicht sehr vorhersehbar ist. Das macht die Lektüre kurzweilig und spannend, allerdings ist der Plot ziemlich unglaubwürdig. Dazu kann man keine detailliertere Begründung liefern, um nicht zu spoilern. :wink:
    Wer sich an diesen Ungereimtheiten nicht stört, hat aber einen wirklich unterhaltsamen, durchaus ungewöhnlichen Kriminalroman vor sich.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • The Kind Worth Killing
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
    Um es kurz zu fassen: "Die Gerechte" ist ein rundum geniales Buch - für mich definitiv einer der originellsten, raffiniertesten Thriller der letzten Jahre und mehr als genug Anlass, ab jetzt unbesehen jedes Buch des Autors zu kaufen.


    Um es nicht ganz so kurz zu fassen:


    Die meisten Bücher, egal welchen Genres, haben mindestens einen Hauptcharakter, den der Leser trotz eventueller Schwächen als grundlegend guten Menschen ansehen und mit dem er sich identifizieren kann. Sogar charismatische Psychopathen haben normalerweise einen positiv besetzten Gegenspieler: Hannibal Lecter würde zum Beispiel nicht halb so gut funktionieren ohne Clarice Starling.


    Eine Geschichte rund um eine Figur aufzubauen, die überhaupt nicht in das übliche Schema eines guten Menschen passt oder sich nicht mal annähernd in soziale Normen pressen lässt, ist ein literarischer Drahtseilakt - und wenn er gelingt, gebührt dem Autor tosender Applaus für dieses Kunststück.


    Zu meinen Lieblingsautorinnen gehört zum Beispiel Gillian Flynn, die unzuverlässige Protagonistinnen mit ernsthaften Persönlichkeitsstörungen schon lange vor ihrem Bestseller "Gone Girl" perfektioniert hatte.Und Peter Swanson braucht sich nicht hinter Mrs. Flynn zu verstecken, denn mit "Die Gerechte" hat er in meinen Augen den perfekten Thriller und die perfekte Anti-Heldin geschrieben.


    Die Geschichte wird von vier sehr unterschiedlichen Personen erzählt - und dreien davon kann der Leser nicht über den Weg trauen. Was eigentlich nicht funktionieren kann, es aber trotzdem tut.


    Die im Klappentext erwähnte attraktive Frau, die einem Wildfremden aus heiterem Himmel ihre Hilfe bei einem Mord anbietet, heißt Lily, und sie ist es, in deren Kopf der Leser die meiste Zeit verbringt. Schnell wird klar: Man sollte diese Frau nicht mögen. Man sollte ihre Taten nicht gutheißen und ihr ganz gewiss nicht die Daumen drücken. Und trotzdem habe ich all das getan; auf verquere Art und Weise mochte ich Lily, und deswegen bin ich ihr gerne auf ihren dunklen Wegen gefolgt.


    Über die anderen Charaktere möchte ich lieber noch gar nichts verraten, daher nur soviel: ich fand sie alle grandios, denn sie sind auch dann glaubhaft, wenn sie Dinge tun, die normale Menschen niemals tun würden.


    Auch wenn die Grundidee der Geschichte an "Der Fremde im Zug" von Patricia Highsmith erinnert (was sicher eine beabsichtigte Hommage ist, da Lily am Anfang des Thrillers ein Buch der Autorin liest), macht Peter Swanson doch etwas ganz Eigenes daraus. Die Geschichte ist sehr geschickt und intelligent konstruiert, und gerade die unerwarteten Wendungen sind fantastisch. Besonders die erste davon hat mich kalt erwischt, und ich hatte das Gefühl: Ok, ab jetzt ist wirklich alles möglich - da hätte ich niemals mit gerechnet!


    Der englische Titel ist "The Kind Worth Killing", also in etwa: "Die, die es sich zu töten lohnt", und tatsächlich bringt das Buch den Leser immer wieder dazu, darüber nachzudenken, ob wir Mord unverzeihlich finden und falls ja, warum eigentlich.


    Spannend fand ich das Buch von der ersten bis zur letzten Seite, und ich war tatsächlich traurig, als ich das (überraschende!) Ende erreicht hatte.


    Der Schreibstil passt perfekt zur Geschichte. Ganz sachlich und ruhig werden die unglaublichsten Dinge erzählt, und gerade diese trügerische Ruhe macht die Geschehnisse oft umso erschreckender.


    Fazit:
    Der Thriller ist meines Erachtens ein Meisterwerk des Genres, mit drastisch unerwarteten Wendungen und einer zwiespältigen, perfiden, komplizierten Protagonistin, die sich über so banale Konzepte wie 'gut' und 'böse' mit unergründlichem Lächeln hinwegsetzt.


    Wer Amy Elliot aus "Gone Girl" von Gillian Flynn interessant fand oder Brünhilde Blum aus der "Totenfrau"-Trilogie von Bernhard Aichner mochte, dem könnte auch Lily Kintner aus "Die Gerechte" gefallen.

  • Ich las den Klappentext, dachte: Aha, von Highsmith abgekupfert (zumindest die Idee) und stellte das Buch ins Büchereiregal zurück. Zuhause las ich dann diesen Thread und ging am nächsten Tag wieder in die Bücherei. Glücklicherweise, denn das Buch hat mich spannend unterhalten.


    Mehrere Figuren erzählen die Handlung, was eigentlich nicht ungewöhnlich ist. Auch nicht ungewöhnlich, dass die Personen alle in der Ich-Form erzählen. Ungewöhnlich jedoch ist, dass hin und wieder eines der Ichs ermordet wird. Von Ich-Erzählern ist man eigentlich nicht gewohnt, dass sie vor dem Ende sterben und aus der Geschichte verschwinden. Der Leser kann also bei keiner Figur sicher sein, wie lange sie ihn in der Handlung begleitet.


    Die Spannung leidet nicht darunter, dass man die Täterin kennt, im Gegenteil. Als Leser wird man ihr Komplize, findet ihr Tun gleichzeitig abstoßend und faszinierend. Man mag sie nicht und bangt dennoch mit ihr.


    Grandios: Das Ende. Eine geniale Pointe am Ende eines pointen- und wendungsreichen Thrillers, und ein Paradebeispiel für poetische Gerechtigkeit.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)