Ruth Rendell: Not in the flesh/ Der vergessene Tote

  • Inhalt (amazon)


    Searching for truffles in a wood, a man and his dog unearth something
    less savory. The body, as Chief Inspector Wexford is informed later,
    has lain buried for ten years or so, and the post-mortem can not reveal
    the precise cause of death. Wexford knows it will be a difficult job to
    identify the corpse. Although it covers a relatively short period of
    time, the police computer stores a long list of missing persons. People
    disappear at an alarming rate - hundreds each day. When another body is
    found nearby, the detection skills of Wexford, Burden and the other
    investigating officers of the Kingsmarkham Police Force are tested to
    the utmost to discover whether the deaths are connected and to track
    down whoever is responsible.'Compulsively readable' - "The Scotsman".
    'Rendell never fails to come up trumps' - "Irish Times". 'Wexford is as
    solid and reliable as ever' - "Birmingham Post". 'As ever, Rendell
    writes both literately and perceptively about her characters and the
    world they live in' - "Spectator".


    Meine Meinung


    Dieses Buch gehört zur Serie um Inspector Wexford, der seit nunmehr 35 Jahren mörderische Spitzbuben jagt, wobei seine Mentalität unverändert "altmodisch" ist, die Methoden der Ermittlung jedoch immer moderner werden. Glücklicherweise hat er junge Mitarbeiter, die sich mit neuester Kommunikationstechnologie auskennen. ;)
    Kurz hintereinander werden an nicht weit voneinander entfernten Orten zwei "ältere" Leichen, bzw. Skelette gefunden, die seit 11, bzw. 8 Jahren unentdeckt vor sich hinmoderten. Die Polizei steht zunächst vor der schwierigen Aufgabe der Identifizierung, wobei eine mühsame und zeitraubende Überprüfung alter Vermisstenlisten vorzunehmen ist. Dann gilt es zu klären, ob die Verbrechen miteinander in Verbindung stehen. Diese Ermittlungsarbeiten ziehen sich sehr lange hin, was etwas auf Kosten der Spannung geschieht. Für Freunde bluttriefender Thriller ist das Buch also eher nicht geeignet, für Freunde grundsolider Ermittlungsarbeit und kleinstädtischen Lokalkolorits dagegen ist es durchaus ein Lesevergnügen.
    Interessant (und erschütternd :evil: )ist ein immer wieder eingeflochtener Erzählstrang, der sich mit dem Thema der weiblichen Beschneidung befasst. In Kingsmarkham leben heutzutage allerhand Bürger mit Migrationshintergrund, bei einigen von ihnen (Familien aus Somalia) ist es üblich, an barbarischen Bräuchen aus der Heimat festzuhalten und ihre Töchter zu beschneiden. Inspector Wexfords Töchter Sylvia und Sheila engagieren sich für den Schutz der kleinen Mädchen. Ihre Bemühungen, die Kinder vor diesem grausigen Schicksal zu bewahren, bieten zeitweise mehr Spannung als die Mordermittlungen.
    :arrow: Mir hat dieses Buch gut gefallen, auch wenn es stellenweise etwas mehr hätte gerafft werden können. Der Mangel an Hochspannung wird meiner Meinung nach durch die sehr gelungene Herausarbeitung der verschiedenen Charaktere wettgemacht.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Die Krimis aus der Wexford–Reihe lese ich zwischendurch auch immer mal ganz gern. Mit seinem Reihenhäuschen und seinem glücklichen Familienleben ist Wexford zwar der biederste aller Kriminalkommissare, aber ein ebenso großer Schlaukopf wie die anderen auch. Seine Ermittlungsarbeit ist wirklich solide, im positiven Sinn. Die Krimis sind klassische „Whodunits“, logisch aufgebaut, mit psychologisch stimmigen Charakteren und einer genauen Beschreibung des sozialen Gefüges. Sie kommen ohne konstruierte Handlungen und abstruse Zufälle aus, wie sie sich bei vielen superspannenden Krimis (die ich auch gern lese) doch schon mal einschleichen. Auch wenn in Rendells Romanen die Leichenteile nicht kiloweise durch die Gegend fliegen, liegt doch etwas Unheimliches in der leisen Abgründigkeit, die sich hinter den kleinbürgerlichen Fassaden auftut.


    Es gibt allerdings auch ausgesprochen schwache Wexford-Krimis, da ist man dankbar für einen guten Tipp. :winken: Ich hoffe, das Buch erscheint bald auf Deutsch.


    Gruß mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Die Krimis sind klassische „Whodunits“, logisch aufgebaut, mit psychologisch stimmigen Charakteren und einer genauen Beschreibung des sozialen Gefüges.


    Ja, das weiß ich auch zu schätzen. Interessant ist das "Generationengefüge" sowohl in Wexfords Familie (-> die konservativen Eltern und die liberaleren Töchter mit dem nicht immer so geordneten Liebesleben und dem ausgeprägten feministischen Touch) als auch im Dienst (-> die herzerfrischende Hannah, die sich sicher auch gut mit Wexfords Töchtern verstehen würde).

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Klappentext:
    Ein Trüffelsucher und sein Hund machen einen grausigen Fund: eine abgehackte Hand. Die Polizei exhumiert das Skelett eines Mannes, dessen Identität man nicht mehr bestimmen kann und der vor mindestens zehn Jahren begraben wurde. Als dann in einem verlassenen Cottage ganz in der Nähe die Leiche eines weiteren vor Jahren ermordeten Mannes entdeckt wird, gehen Chief Inspector Wexford und seine Leute fest von einer Verbindung zwischen den beiden Fällen aus. Beharrlich suchen sie nach längst verwischten Spuren, befragen verstockte Anwohner und wühlen im Unrat menschlicher Seelen. Und als schließlich die Wahrheit ans Licht kommt, erlebt selbst der erfahrene Wexford eine makabre Überraschung.


    Über die Autorin:
    Ruth Rendell wurde 1930 in South Woodford/London geboren. Zunächst arbeitete sie als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Seitdem hat sie über dreißig Bücher veröffentlicht. Dreimal bereits erhielt sie den "Edgar-Allan-Poe-Preis" und zweimal den "Golden Dagger Award". 1997 wurde sie mit dem "Grand Masters Award" der Crime Writer's Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell, die auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt ist, lebt in London (von der Verlagsseite kopiert).


    Allgemeines:
    Aus dem Englischen übersetzt von Eva L. Wahser
    21. Band der Wexford-Reihe
    349 Seiten


    Inhalt:
    Durch Zufall wird die verweste Leiche eines Mannes gefunden, der seit über 10 Jahren tot ist. Trotz DNA und Zahnschema lässt er sich keinem Vermisstenfall aus dieser Zeit zuordnen. Der Besitzer des Grundstücks und die Nachbarn erweisen sich als unzuverlässige, verstockte Zeugen. Erst durch den Fund eines zweiten Skeletts, den mühsamen Abgleich der Zeugenaussagen und den Vorabdruck eines Buches bringen Wexford und seine Truppe Licht ins Dunkel.


    Eigene Meinung:
    Das Opfer eines Mordes, das lange Jahre nach der Tat entdeckt wird: Welcher Krimiautor hat dieses Motiv nicht schon verwendet? Meistens wird das alte Verbrechen mit einem aktuellen in Verbindung gebracht. In diesem Buch nicht, und das ist der Grund, warum ihm die Unmittelbarkeit fehlt. Alles Geschehene hat sich vor langer Zeit zugetragen und kann den Leser daher nur bedingt fesseln. Damit hat Rendell sich selbst eingeschränkt, und sie kann ihre größte Fähigkeit, das unmittelbare Erzählen von Ereignissen und inneren Vorgängen, nicht ausspielen. Folgerichtig ist der stärkste Teil des Krimis das „Buch im Buch“, in dem eine persönlich Betroffene ihr Leiden schildert.
    Die meisten in England handelnden Krimis leben vom Zusammenspiel zweier Ermittler-Protagonisten, ergänzend bei der Arbeit, gegensätzlich im Charakter (Holmes – Watson, Kincaid – James, Lynley – Havers, u.a.). Auch Rendell folgte in den ersten Bänden der Reihe dieser Tradition, stellte dem ruhigen saloppen, von Kultur und Etikette unberührten Wexford den feinsinnigen, wenn auch rechthaberischen und eigenwilligen Burden zur Seite. Inzwischen wird die Ermittlungsarbeit nach dem Modell skandinavischer Krimis von einem Team erledigt, dem Wexford vorsteht, in einem Krimi wie diesem, bei dem die Wahrheit ausschließlich durch Zeugenaussagen ans Licht kommt, sicherlich die bessere Wahl.
    In der unüberschaubaren Zahl der Augenzeugen und irgendwie in die Verbrechen Verstrickten sowie der Angehörigen von Opfern, Zeugen und Verstrickten hat man sich als Leser schnell verlaufen. Dass man dennoch zur Ermittlungsgeschichte zurückfindet und ihr folgen kann, liegt vor allem am Geschick der Autorin, den Personen bis hin zu den Nebenfiguren Gesichter zu geben, sie prägnant – mitunter bis zum Klischee – zu charakterisieren.
    In einem zweiten Erzählstrang packt die Autorin das Thema „Frauenbeschneidung“ an; diese Episoden sind lebendiger als die Krimihandlung. Leider aber schiebt sie es in Wexfords Privatleben ab, wo es wie Füllmaterial des ansonsten handlungsarmen Buches wirkt.
    Was wieder sehr gut gefällt: Die Auflösung und hierbei weniger der Täter als Motiv und Hintergrund der Tat.


    Fazit:
    Ein Buch, das eher dem Genre des beschaulichen englischen Landhauskrimis zuzuordnen ist und das die Unmittelbarkeit und Spannung früherer Wexford-Bände („Eine entwaffnende Frau“ oder „Die Besucherin“) vermissen lässt.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe mir bisher alle Bücher von Ruth Rendell bzw. Barbara Vine gekauft. "Der vergessene Tote" ist das erste, das ich sofort nach dem Lesen wieder vertickt habe.
    Ich fand es sehr langweilig und habe es überhaupt nur ausgelesen, weil ich die Autorin sonst so schätze, ich sammle ihre Bücher seit zwanzig Jahren.
    Die - wie schon erwähnt - unüberschaubare Anzahl von Zeugen macht das Lesen schwer; die Ermittlungsarbeit verläuft äußerst dröge ohne wirkliche Höhepunkte. Dass sich Ruth Rendell des Themas Genitalverstümmelung annimmt, ist sicher lobenswert, aber es fehlt jede Verbindung zum Hauptstrang; das Thema gehört nicht wirklich in das Buch.
    Ich hatte schon bei einigen der letzten Rendell-Romane das Gefühl, dass die Autorin nicht mehr ihre frühere Klasse hat (Der Duft des Bösen, Das Geburtstagsgeschenk, EIn Ende mit Tränen ...) Wahrscheinlich werde ich mir kein Buch mehr von ihr kaufen, sondern lieber eines der älteren ein zweites Mal lesen, wenn ich "Bock auf Rendell habe" ...


    Grüße von Zefira