Es hat ein wenig gedauert, bis ich einen Zugang zu diesem Buch gefunden hatte; tatsächlich dachte ich bestimmt 200 Seiten lang, dass ich mich leider den eher negativen Einschätzungen hier anschließen werde und war schon halb enttäuscht. Aber alleine dem wunderbaren Schreibstil und der so besonderen Wortkompositionen wegen, und weil ich bisher jedes Buch von Markus Zusak gelesen habe und es irgendwann einen Klick-Moment gegeben hat, bin ich dran geblieben. Und die letzten 400 Seiten haben wirklich alles wieder herumgedreht und das Buch zu einem absoluten Schatz für mich gemacht.
Erzählt wird die Geschichte von Clay - dem zweitjüngsten von 5 Brüdern - und mit dieser auch alle anderen Geschichten, die ihn dahin geführt haben, gemeinsam mit seinem Vater eine Brücke zu bauen. Um zu verstehen, warum diese Brücke gebaut werden muss, und vor allem, warum sie nichts weniger als ein Wunder ist, braucht es jede Menge Erzählfäden, die erst nach einiger Zeit zusammenfinden. Da recht oft ohne besondere Kennzeichnung zwischen ganz verschiedenen Zeitebenen gewechselt wird und sich die Sprache anfangs (für mich) fast schon unkommunikativ verschnörkelt angefühlt hat, brauchte es einige Seiten, um Orientierung in der Geschichte aber auch in den Worten zu bekommen.
Aber dann eröffnet sich eine so bewegende, emotionale und traurige aber gleichzeitig hoffnungsvolle Welt wie ich sie bisher nur ganz selten in einem Buch vorgefunden habe. Das Leben der Dunbar-Brüder ist und war nie leicht. Das wissen wir als Leser/-innen schon von Anfang an, aber wir wissen nicht, warum. Matthew, der älteste der Brüder fungiert für uns als Erzähler der Geschichte, nutzt die Bilder, die sich in dieser traumatisierten Jungs-Bande etabliert haben und greift immer wieder vor, sodass man denken könnte, vorbereitet zu sein. Um dann aber festzustellen, dass man genau das nicht ist. Das zentrale Thema der Romans, der Verlust geliebter Menschen, ist allgegenwärtig, aber als Leser/-in wird man immer wieder davon weggelenkt, um dann mit noch größerer Wucht wieder hineingeworfen zu werden. Um dann eine beispiellose Solidarität und Loyalität unter diesen grobschlächtig scheinenden Brüdern zu finden, die fast genauso herzzerreißend ist wie das, was sie erleben.
Für mich ist dieses Buch eindeutig ein Jahreshighlight. Es ist sicher nicht leicht zugänglich, aber der Versuch hat sich ausgezahlt. Ohne zu Überlegen kann ich, trotz der anfänglichen Schwierigkeiten, nur die vollen geben, denn diese Geschichte ist einfach alles: einfühlsam, facettenreich, sprachlich anspruchsvoll, laut, leise, hat raue aber absolut liebenswerte Charaktere, die sich unfassbar stark entwickeln und auch den Raum dafür haben und die ich jetzt schon vermisse, obwohl ich das Buch gestern erst beendet habe.