Die Lage ist ernst, ein Anschlag steht Israel unmittelbar
bevor, aber der Geheimdienst kommt dem Täter nicht wirklich nahe. Identifiziert
hat man ihn, nur wo er sich rumtreibt, liegt noch im Dunkeln. Beim Verhör
seines Bruders rastet der befragende Agent aus und prügelt ihn zu Tode. Statt
weiterhin Informationen aus Gefangenen herauszupressen, wird er nun auf einen
anderen Fall angesetzt. Über die Schriftstellerin Daphna soll er zu dem Araber
Hani Kontakt herstellen, dessen Sohn ebenfalls im Verdacht steht, ein Attentat
vorzubereiten. Während er langsam das Vertrauen der beiden gewinnt und sich mit
ihnen in der Literatur- und Kunstszene bewegt, schreitet seine Ehe dem Ende
entgegen. Den Grausamkeiten seines Berufs steht der Wunsch nach Nähe und
Geborgenheit in der Familie entgegen. Beides scheint nicht mehr vereinbar. Und
je näher er Daphna und Hani kommt, desto mehr muss er die Sinnhaftigkeit und
Menschlichkeit seines Tuns hinterfragen.
Yishai Sarids Roman „Limassol“ erlaubt einen Blick in die
angespannte Lage eines Landes, das sich im Dauer-Krisenzustand befindet. Dass
die Realität die Fiktion wieder einmal überholen kann, zeigt sich aktuell im
November 2019. Man kann nach der Lektüre die andauernde maximale Anspannung der
Bewohner noch besser nachvollziehen und vor allem wird die ganz individuelle
Zerreißprobe offenkundig: der Wunsch nach einem Leben in Sicherheit und der
Schutz des Staates Israel stehen den persönlichen Begegnungen der Juden mit den
Arabern gegenüber, ebenso die Infragestellung der Methoden von Polizei und
Geheimdienst vor dem Hintergrund der Gewaltbereitschaft und Diskriminierung. In
Yishai Sarids Protagonist vereint sich all dies zu einem hochexplosiven
Gemisch.
Der Autor kennt als Israeli und ehemaliger Offizier im
Nachrichtendienst die weitgehend verborgene Seite des israelischen
Sicherheitsapparats. Dass er in den drastischen Schilderungen der Verhöre allzu
viel Phantasie hat walten lassen, ist nicht anzunehmen. Die Figuren werden zu
Beginn auch getrieben von der extremen Hitze, die selbst durch dickste Wände
kriecht und sich nachhaltig auf den Gemütszustand auswirkt. Eine Entschuldigung
für das Handeln ist dies jedoch nicht. Nur halbherzig wird auf den Tod des
arabischen Verdächtigen reagiert, so ist es leicht die Wut der Gegenseite
nachzuvollziehen. Von diesem unnachgiebigen und gefühlskalten Geheimdienstler
ist jedoch am Ende nicht mehr viel übrig. Das Scheitern seiner Ehe, der Verlust
von Frau und Kind haben auf ihn jedoch nur geringen Einfluss. Es sind
ausgerechnet die Feinde, denen er sich verdeckt nähern muss, die den Wandel
befördern. Fließend und geradezu unbemerkt schleicht sich etwas heran, das in
ihm immer größer wird.
Während zunehmend Emotionen Einfluss auf sein Denken nehmen,
die er als professioneller Spion gegenüber den Zielobjekten – die immer mehr zu
Subjekten werden - nicht haben darf, nähert sich der Moment des Anschlags auf
Hanis Sohn, den er angebahnt hat. Hier wird der Roman, der von einer
ausgefeilten Figurenzeichnung des Protagonisten lebt, tatsächlich zum
nervenaufreibenden und spannenden Politthriller. Man weiß nicht, wie er sich
entscheiden wird, wie er sich entscheiden soll. Als Leser wird man in seinen
Konflikt hineingezogen, ein Konflikt, für den es keine Lösung geben kann. Der
Terrorismus hat die Figuren fest in der Hand, er diktiert die Logik im Kampf,
eine Logik, die es nicht mehr gibt.
Sarid findet trotz der Gewalt und Brutalität, die er
schildert, eine poetische Sprache, um seine Geschichte zu erzählen. So findet
man sich in diesem absurden und paradoxen Gemisch wieder, gleichzeitig den
Roman zu genießen und ihn eigentlich nicht lesen zu wollen. Aber genau so
stellt sich ja die reale Lage in Israel dar – absurd und paradox.