Beiträge von Vincenzo Moisig

    Ich musste sie kaputtmachen - Schon der Buchtitel lässt nichts Gutes vermuten, auch wen man im Vorweg weiß, worum und vor allem, um wen es hier geht. Stephan Harbort (beg)leitet einen durch bzw in die Welt menschlicher Abgründe des Joachim Georg Kroll und seine über zwei Jahrzehnte andauernde Mordserie. Das Buch gliedert sich in mehre Bereiche - zum einen wird der Täter und seine Kindheit, sein “menschlicher Werdegang“ detailliert geschildert, bei dem man manches mal geneigt ist, das “Warum“ seiner Taten (ich möchte nicht sagen, dass man diese rechtfertigen kann oder soll, aber es stellt sich die Frage, ob es beim rechtzeitigen Erkennen seines Wesens von Seiten Außenstehender, einiges hätte verhindert werden können?) nachvollziehen zu können oder zu wollen.


    Mich persönlich haben diese Gedanken des Verstehen-wollens oder auch manchmal sowas wie - letztlich blieb ihm wohl keine andere Wahl -während ich das Buch gelesen habe, erschreckt, da seine Vorgehensweise, trotz gering gemessener Intelligenz, immer irgendwie Durchdacht erschien und auch funktioniert hat. Seine verzweifelten Versuche, eine Freundin bzw Frau zu finden, das jedoch ständige Abblitzen oder “vernarzen“, wie er es nannte, beim weiblichen Geschlecht, lassen in seinen Augen schließlich keine andere Möglichkeit mehr zu, als sich sein vermeintliches Anrecht auf Sex mit Gewalt zu holen. Ob er wirklich nach Liebe gesucht oder gewollt hat, bezweifle ich hingegen.


    Ebenfalls werden seine Taten genau unter die Lupe genommen, so manches grausame Detail lässt einen fassungslos zurück bzw musste ich des öfteren das Buch einfach mal zur Seite legen und meine Gedanken sammeln und neu ordnen, mit “in einem Rutsch durchlesen“ war es mir nicht möglich.


    Jemand wie Kroll, der kurze Phasen ohne “dieses komische Gefühl“ hatte und ansonsten ständig im Jagdmodus gewesen ist, kontinuierlich irgendwie durch seine verschrobene Art in seinem doch recht übersichtlichen Umfeld wahr genommen wurde, konnte sich lange ungehindert auf die Lauer legen, Frauen abfangen und, wenn er nicht durch andere Umstände gestört wurde, seiner kranken Phantasie hingeben, ausleben und die mindestens 8 Morde vollziehen.


    Auf die Schliche kam man ihm schließlich, da das Entsorgen einiger Körperteile seines letzten Opfers schlampig vonstatten ging - für die Polizei hingegen eröffnete Kroll ein Kapitel eines schier unmenschlichen Horrorkabinets. Schon während dieser brutalen Mordserie werden die, zur damaligen Zeit üblichen, Polizeitaktiken und nach seiner Festnahme, die zahlreichen, sehr zäh verlaufenden Vernehmungen, sehr genau geschildert.
    Man kann sich gut in den herrschenden Druck seitens der Bevölkerung, aber auch der Polizei selbst, hineinversetzen.
    Alles in allem bleibt selbst nach der Festnahme des Täters ein flaues Gefühl zurück - nicht wenige Menschen litten bzw leiden noch heute unter den Verlusten, Unschuldige wurden inhaftiert, da das Profil zu passen schien oder Anschuldigungen im Raum standen.


    Als Leser bzw Nichtfachmann von Polizei- und Psychologenarbeit bleibt man teilweise ratlos zurück, immer wieder fragt man sich, warum und wann sich so etwas wiederholen kann/wird.
    Das Buch ist einerseits sachlich und Informativ geschriebenen, anderseits versteht es Stephan Harbort, eine gewisse Spannung einzubauen, die schon Krimi-Charakter hat.
    Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Buch, wenn man gute Nerven hat und sich auch für die Hintergründe der menschlichen Seele, deren Abgründe und die Arbeit der Polizei, Psychologen und vor allem, der Kriminalisten, interessiert.