Laut Amazon:
Alles woran sich Rudy Spruance nach seiner Ankunft erinnert, waren kahle Berge, endlose vereiste Flächen und ein paar Wellblechhütten. Auf seinem ersten Erkundungsgang war er direkt in sein Unglück gestolpert, wie ihm Colonel Woolwrap, der Kommandeur des Standorts munter erklärt. Myriaden teuflischer Stechmücken warteten draußen nur auf menschliche Beute. Nun liegt Corporal Spruance, Abteilung Presse und Information, bis zur Unkenntlichkeit zerstochen, in einem Lazarettbett in Qangattarsa, Grönland, und eine Schwester und ein Sanitäter führen eine wahre Slapstickrevue vor ihm auf. Erst sind die Soldaten durch die Hölle gegangen, dann kommen sie zu uns!
Wo sind wir hier hineingeraten? Unversehens hat uns John Griesemer in ein unwirkliches Setting im Jahre 1959 befördert. Qangattarsa ist in seiner Welt abgeschiedenen Jenseitigkeit Kafkas Schloss und dem Zauberberg nicht unähnlich. Ein geheimes Militärlazarett, in dem sechzig der fürchterlichsten Kriegsversehrten der US-Armee aus dem sechs Jahre zurückliegenden Koreakrieg endgelagert werden. Überdies scheint das gesamte Personal des Stützpunkts einem kollektiven Polarkoller verfallen zu sein: Rudy, der den Auftrag erhielt, eine Stützpunktzeitung herauszugeben, nimmt dichtende Soldaten im Drogenrausch wahr, wilde Eisbärenjagden, Saufturniere unter der Mitternachtssonne, archaisch anmutende Wettkämpfe -- und über allem thronend, Colonel Woolwrap, selbstherrlich residierend wie weiland Kurtz in seinem kambodschanischen Dschungelcamp.
Als sei der Wirrnis nicht genug, verliebt sich Rudy auch noch in die rothaarige Irene, Konkubine des Colonels. Durch sie erhält er Zugang zum Flügel, jenem allerheiligsten Bereich, der die grausam Verstümmelten birgt. Wähnte sich der Leser bislang in einer kafkaesken Militärklamotte, so vollzieht Griesemer hier eine unheimliche Wendung. Von heiligem Ernst erfüllt, die Schilderung des schaurig schönen Palais der Untoten. An diesem denkwürdigen Ort wird Corporal Spruance von der kaum vernehmbaren Stimme eines lebenden Torsos namens Guy X in das fürchterliche Geheimnis dieses nordischen Totenreiches eingeweiht. Bald bricht die Hölle los!
Ein magisches, traumverlorenes Eismärchen, satirisch und verstörend. Das Erwachen aus der Totalen Umnachtung, wie die Männer am eisigen Ende der Welt ihr unwirkliches Dasein bezeichnen, wird auch dem Leser schwer fallen. --Ravi Unger
Erzählfluss.
Was für ein schönes Wort und wie schön, wenn man in einen Erzählfluss gerät und der einen immer weiter trägt. Griesemer kann so etwas erschaffen, das hat er in Rausch meisterhaft gezeigt und im Grönlandbuch gelingt ihm das auch bemerkenswert gut. Und dieser Fluss trägt einen zu gewaltigen Bildern von Eisstürmen, Bären und dem Nordlicht. Immer wieder ist die Welt zu groß für die Protagonisten, die aber tapfer weiterwurschteln. Sie leben und leiden und strengen sich an in einer Situation, die bizarr und abstrus ist. Aber der Lebens- und Liebeswillen der Menschen macht alles real und unausweichlich. Beeindruckend!
Am Schluss bleibt vieles offen, die Geschichte ist nicht beendet, sie wird ohne unsere Gegenwart weitergehen, wie auch im Buch vieles einfach weitergeht.
Ich weiß nicht, was die Verlage treibt, alle möglichen Titel als "irrwitzig komisch" anzupreisen. In diesem Fall wird der Spiegel mit dieser Aussage auf der Rückseite zitiert. Geht man davon aus, dass der Leser immer auf der Suche nach dem schnellen Lacher ist? Auch scheint es eine seltsame Leidenschaft der deutschen Leser zu sein, sich daran zu erfreuen, wenn das Lachen im Halse steckenbleibt. (Ich weiß gar nicht, ob mir das überhaupt schon einmal passiert ist). Jedenfalls: Der Roman ist nicht irrwitzig komisch. Natürlich hat Griesemer Humor und setzt diesen auch ein, wie gesagt ist die Situation wirklich abstrus. Aber es ist definitiv nicht lustig. Übrigens ist das Buch auch nicht wirklich spannend, man liest weiter und weiter wegendes Erzählflusses und nicht, weil man unbedingt wissen will, wie es ausgeht. Und genau hier zeigt sich die Meisterschaft des Erzählers Griesemer. Echte Literatur, gut zu lesen, unterhaltsam und auch zum Nachdenken anregend. Was will man mehr!