Ich habe nun eine ganze Weile gesucht und nicht gefunden, ob man "Leseproben" hier posten darf oder nicht. Sollte ich gegen irgendeine Regel oder Netiquette im Forum verstoßen, bitte melden, dann nehme ich es wieder raus.
Dies ist der Prolog... und auch nur ein Teil der Leseprobe, die auch bei Amazon für jeden zu lesen ist. Ich hoffe es macht euch ein wenig neugierig:
ZitatAlles anzeigenDas sanfte Rauschen der Wellen schob sich langsam in die Gedanken des Mannes, schwemmte die Dunkelheit der Ohnmacht langsam hinfort. Das eiskalte Meerwasser liess seine nackten Füsse und Zehen erzittern und eine leichte Bläue überzog die schrumpelige und verknitterte Haut. Langsam bewegte er die Lippen, schmeckte das Salz des Ozeans und lauschte in seinen Körper hinein. Die Kälte war allgegenwärtig, in Wellen kroch das Zittern durch seinen Körper, während er versuchte vorsichtig die Augen zu öffnen. Die Wimpern waren verklebt und er blinzelte in die ungewohnte Helligkeit des Tages. Graue Wolken hingen tief am Himmel und liessen die Sonne nur erahnen. Es war ein Tag, der sich seinem Zustand angepasst hatte. Grau, kalt und nass. Er drehte den Kopf ein wenig und aus den Schemen, die ihn umgaben, formte sich langsam das Bild eines Strandes. Nasser Sand, graue Wellen, die immer wieder sanft ausliefen und eine Küste aus kantigen Felsen. Der Wind wehte mild, kitzelte ihn und für einen Moment vergaß er die allgegenwärtige Kälte. Leise ächzte er auf, als er die Muskeln anspannte und sein dünner und ausgemergelter Körper sich vom feuchten Untergrund hob.
Wo war er? Die Hand legte er an seinen Kopf, versuchte dem Pochenden Schmerz damit ein wenig Linderung zu verschaffen und setzte den Fuss auf. Es kostete Kraft, es schmerzte und trotz des aufkeimenden Schwindels gelang es ihm sich aufzurichten. Die Arme legte er dicht an seinen Leib, rieb sie und hoffte auf ein wenig Wärme in dieser unwirtlichen Gegend. Er sucht mit seinen eisblauen Augen, die ebenso kalt schienen wie dieser Ort, seine Gliedmaßen ab. Schrammen, Flecken, alles in allem nichts bedrohliches. Die steifen Glieder ächzten unter der Belastung und zitterten. Es wunderte ihn nicht, die Kälte und die mit Sicherheit lange Zeit regungslos am Strand hatten über die Zeit ihre Wirkung nicht verfehlt.
Wie lange war er ohnmächtig gewesen? Wie lange hatte er dort gelegen und warum überhaupt? Zögernd hob er zitternd das Kinn, suchte die Umgebung ab, suchte nach Anzeichen von Leben, einer Hütte vielleicht oder auch nur einem wärmenden Feuer von Reisenden. Die Leere um ihn schien nach ihm zu greifen, sammelte ihre Kräfte nur um ihn letztendlich zu erdrücken. Die blau verfärbten Lippen vibrierten zitternd vor Kälte. Er rieb sich die Arme und hoffte ein wenig Wärme spüren zu können.
Viel dringender kämpfte sich aber etwas anderes aus seinem Herzen empor, drückte sich in sein Bewusstsein und traf ihn unvorbereitet und hart. Die Leere um ihn hatte seinen Geist ergriffen, seinen Kopf und seine Seele und nun kam die Erkenntnis, formuliert in einer Frage.
Wer war er überhaupt?
Dunkle, tiefschwarze Nacht belagerte seine Erinnerung. Keine Namen, keine Schemen und erst Recht keine Bilder tauchten hervor, nichts war mehr vorhanden, was ihm hätte Halt geben können. Er schluckte und die Bitterkeit war sogar im sonst neutralen Geschmack seines Speichels zu spüren. Langsam setzte er einen Fuss vor, tat einen Schritt und versuchte Ordnung in das Chaos in seinem Kopf zu bringen. Ein endloser schwarzer Strudel verschlang jedes noch so kleine Bild. Jeder Moment, der sich anschickte in sein Bewusstsein einzukehren, wurde in die tiefe Nacht hinabgesogen. Nach und nach hinterliess er Fussspuren, die einzigen Erinnerungen, die er in diesem Moment sein Eigen nennen konnte. Seine dürren Finger bohrten sich tief in seine Arme, sie krampften vor Kälte, die ihn von Innen und Außen durchzogen. Schritt um Schritt, den Rücken ein wenig gebeugt, hinterliess er immer weitere Spuren.
Ihr Götter, was habe ich getan, wenn ihr mir nicht einmal meinen Namen lasst, dachte er. Wie alt war er? Hatte er Familie? Warum war er nackt? Die Menge an Fragen überschwemmte sein Bewusstsein, zogen sich, wie die Wellen am Strand, ein wenig wieder zurück und mit jeder neuen Woge kamen neue Fragen, die sich wieder in der Schwärze seiner Erinnerungslosigkeit verloren. Er schleppte sich mehr, als dass er lief, blickte immer wieder zurück auf die graue, schier endlose See.
War er ein Schiffbrüchiger? Aber dann hätte er immer noch seine Kleider, antwortete er still. Schwarze Wolken zogen sich über dem Ozean immer fester zusammen stoben in Richtung Küste. Grell blitzte es, ein einzelner, zart verästelnder Blitz schlug ins Wasser ein und liess nur kurze Momente später ein Donnern über den Strand tönen. Der schmächtige Mann zuckte zusammen, wandte kurz den Blick ab, um im nächsten Moment wieder auf die offene See zu blicken. Grauschwarze Fäden drohender Regenschauer gingen über den Wellen nieder und deutlich konnte man erkennen, wie der Schauer näher kam. Eine Fläche von Regentropfen leicht aufgerauhten Wassers kam scheinbar drohend immer näher. Doch nicht das Wasser bewegte sich, sondern nur das Wasser des Himmels.
Der Wind frischte auf und die Wellen wurden wilder und unbändiger. Ein Sturm zog auf. Er musste hier weg, je schneller desto besser. Nur wohin? Weder wusste er wo er war, noch wohin er gehen könnte. Sein Körper war schwach und jeder Schritt im tiefen und nassen Sand war eine Qual. Bisweilen meinte er das Knirschen seiner Kniegelenke deutlich zu hören, biss sich jedoch auf die Lippen und ignorierte den Schmerz, der durch seine Glieder strahlte. Er versuchte zu sammeln, was er bisher noch wusste. Nackt war er an den Strand gespült worden, seine Haut war aufgequollen, woraus er folgerte, dass er wirklich einige Zeit im Wasser verbracht hatte. Eine Spur im Strand hatte er nicht gesehen, daher konnte er davon ausgehen, dass niemand ihm die Kleider genommen hatte, als er bewusstlos war. Alles endete an einer elementaren Frage.
Wie war er nackt ins Wasser geraten?
Kälteschauer rissen ihn schmerzhaft aus den Gedanken, aus der Suche nach dem, was war und zogen ihn brutal wieder in das Hier und Jetzt. Es war kalt, der Wind frischte auf, Regen drohte und alles schien sich in Richtung eines Sturmes zu entwickeln. All seine Sehnsüchte konzentrierten sich in diesen Sekunden nur ein einziges Ziel: Wärme.
Er brauchte Kleider, brauchte einen Unterschlupf, einen trockenen Ort und viel Zeit blieb ihm nicht. Er schwankte leicht, als er langsam den Strand hinaufschritt. Hinter ihm baute sich drohend der Himmel in aller Schwärze auf, über der See hatte der Sturm schon begonnen.
Einen schönen dritten Advent euch allen!