Beiträge von tom leo

    Original : Französisch, 2011


    INHALT:
    April 1937, Guernica/Baskenland. Wenn er nicht gerade dem alten Bauern Julian beisteht, malt Basilio in den Feuchtgebiten vor den Toren Guernicas Reiher. In der Stadt heißt es schon, dass er zu malen versteht. Aber wer kann wirklich seine Faszination für diese Vögel verstehen, das Rätselhafte ihres Blickes, ihre Eleganz, aber auch ihre Verwundbarkeit ? Wie kann man mit dem Pinsel Leben darstellen ? An diesem Morgen des 26. fallen die ersten Bomben auf Guernica, während Basilio in den Sümpfen malt...


    BEMERKUNGEN :
    Im Wesentlichen spielt das Buch unmittelbar um die absurden und schrecklichen Bombardierungen von Guernica im Baskenland im April 1937. Eingerahmt wird diese Schilderung von Basilios Besuch in Paris. Anlässlich der Enthüllung des Meisterwerkes von Pablo Picasso war er auf Einladung des nahestehenden, kunstinteressierten und offenen Priesters Eusebio extra hingefahren. Basilio hat einige seiner eigenen Werke bei sich, doch was wird er damit machen. Sie eventuell gar trotz aller Schüchternheit dem Meister zeigen können ?


    Der junge Basilio hatte sich bei den Republikanern engagieren wollen, aber er wurde abgelehnt, nicht an- und mitgenommen. So arbeitet er also beim alten Bauern Julian, besucht seinen etwas invaliden Onkel und macht Celestina den Hof.


    Doch zentral im Roman sind noch und vor allem andere Themen : Er fährt fort, in aller Treue und Beharrlichkeit aschfarbene Reiher des naheliegenden Feuchtgebietes zu malen. Manchmal verschwindet er dort stundenlang und ist dem Geheimnis dieser großen Vögel auf der Spur. Es bleibt wohl unvollkommen, aber wie mag es gelingen, mit dem Pinsel diese Form von Würde und Eleganz darzustellen, die sich im Spannungsfeld von Unbeweglichkeit und pulsierendem Leben auftut ? Welche Gegenwärtigkeit ! Auch : welche Tiefe des Blickes – so Basilio. Hier geht es um Thesen, bzw Ideen zur Umsetzbarkeit der Darstellung im Kunstwerk : Wie komme ich quasi dem Geheimnis des Lebens, einer gewissen Zeitlosigkeit auf die Spur, kann sie darstellen ?


    Diese ruhigen, ja auch irgendwie unendlich besänftigenden Momente in den Feuchtgebieten, das einfache Treiben Basilios am Tage strahlen etwas Friedfertiges aus. Es wird nun hier geschildert in der Gleichzeitigkeit mit den konkreten Bedrohungen des Bürgerkrieges und den nahenden Bombardierungen ungeheuerlicher Folgen. Diese Beschreibungen sind grausam und unverblümt. Viele bezahlen mit dem Leben oder verlieren ihre Lieben. Und mitten darin die Suche des jungen Malers : eine andere Form des Kampfes, anteilnehmend und entschieden aber ebenso, um « seine Seele zu bewahren » und «den Wunsch zu haben, die Dinge gut zu betrachten und wahrzunehmen ». Basilio ist im Widerstand : auf seine Weise !


    Was für ein Buch !


    Inzwischen zähle ich mich zu treuen Lesern des Werkes von Choplin. Und wieder einmal de Bemerkung : Wann wird dieser feine Schriftsteller den deutschen Lesern endlich zugänglich ?


    AUTOR :
    Antoine Choplin ist ein französischer Schriftsteller und Dichter, der 1962 in Châteauroux geboren wurde. Nach einem Studium an einer Wirtschaftsschule und weiteren Studien der Mathematik und Wirtschaft in Paris, arbeitet er zunächst in einem Beratungsunternehmen. Er lebt derzeit in der Nähe Grenobles/Isère, wo er seit 1996 Leiter des Festivals von Arpenteur ist. Er liebt die Berge, Schach, Guitarre und das Klavier. Inzwischen hat er ein gutes Dutzend Romane, Schilderungen und Gedichtbände veröffentlicht.


    Broché: 168 pages
    Editeur : Points (15 janvier 2015)
    Collection : Points
    Langue : Français
    ISBN-10: 275784332X
    ISBN-13: 978-2757843321

    Von den Hornissen will ich schweigen,
    denn sie sind leicht zu erkennen.
    Auch die laufenden Revolutionen
    sind nicht gefährlich.
    Der Tod im Gefolge des Lärms
    ist beschlossen von jeher.

    Doch vor den Eintagsfliegen und den Frauen
    nimm dich in acht, vor den Sonntagsjägern,
    den Kosmetikern, den Unentschiedenden, Wohlmeinenden,
    von keiner Verachtung getroffnen.



    Ingeborg Bachmann in «Holz und Späne »

    Kurzfassung :
    - als (fiktiver)Roman mitreissend, auch als gemeisterte Arbeit mit Themen aus den Romanen, insbesondere als Einwebung Dostojewskijs in « Die Dämonen » (oder « Die bösen Geister »)


    - als Homage an Dostojewskij selber, und auch als eventueller Versuch einer Beschreibung dessen Persönlichkeit, nicht überzeugend. Da mE sehr urteilend, tendenzios und am Rande des Verächtlich-Machens.


    Ausführliche Fassung (ich spoilere NICHT, weil es Geheimnisse gibt!) :


    HINWEIS - Bitte immer mit kopieren - UND AUCH LESEN!!!



    Beim Weiterführen der Liste darauf achten, dass die Listenfunktion
    beibehalten wird! Dafür bitte die Editoren-Ansicht benutzen (NICHT die
    Quelltextansicht)! Listenziffern werden automatisch eingefügt, wenn sie
    beim Kopieren nicht markiert werden! Dass die Liste richtig übernommen
    wurde, erkennt man daran, dass die korrekte Liste ein wenig nach rechts
    eingerückt ist, während die falsche Liste, die nicht automatisch
    nummeriert ist, einfach bündig am linken Rand erscheint.



    Leute, welche noch Probleme haben, hier weiterlesen:



    Nur die Namen/Liste markieren - mit der linken Maustaste (dabei
    stellt sich nämlich heraus, wenn man oben in die Menüleiste schaut, dass
    statt "nummerierter Liste" nur die normale "Liste", welche eigentlich
    Punkte statt Zahlen ausgibt, für die Aufzählung markiert ist. Was beim
    Absenden dazu führt, dass man keine Zahlen mehr davor hat). Nach dem
    Markieren oben in der Menüleiste auf "Nummerierte Liste" drücken (sodass
    dieses ausgewählt ist statt der normalen). Absenden. Fertig.



    Und nehmt BITTE immer den letzten Post und nicht euren eigenen!


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    Vielen Dank für diese echt interessante Vorstellung!


    Ich schliesse mich auch Marie an: ich höre stets auf, falls ich was über Kafka lese. Es gibt wohl nicht sehr viele Schriftsteller, die noch mehr an Sekundärliteratur bewirkt haben...


    Ja, ich las verschiedene Briefkorrespondenzen von Kafka (es gibt da ja auch noch die Milena zB). Und auch wenn Du, Nungesser, sehr recht hast, dass manches Selbsterniedrigende oder Weinerliche dabei sein mag, so erhellen diese Briefe ungemein das Verständnis der Werke, finde ich. Natürlich würde ich ebenfalls eher als Lektüre einschätzen nachdem man das Werk von Kafka gut kennengelernt hat.

    Danke, Sylli!


    Ich weiß nicht, wie andere nach dieser Meinung empfinden, doch ich fand es hilfreich, vor einigen Wochen dieses Interview mit Harris zu lesen: http://www.zeit.de/2016/48/rob…ligion-konklave-interview Man könnte schon "herauslesen", dass er nicht einfach ein Negativbild entwerfen wollte. Er fand bei seinen Recherchen im Vatikan viel Verständnis und konnte so manches einsehen.


    Vielleicht nehme ich mir das Buch in den Urlaub mit? Unter einigen (auch gläubigen) Bekannten hat das Buch ein sehr gutes Echo gefunden!

    Danke für die Rezi!


    Als ich den Titel sah (wer erfindet oder findet solche Titel, ob im Französischen oder im Deutschen?) wollte ich schon meiner Wege gehen, doch dann sah ich den Autorennamen. Isabelle Autissier ist in Frankreich - und darüber hinaus - eine Legende. Und auch mir absolutem Laien ein Begriff. Wer etwas mehr von ihren Abenteuern lesen möchte, kann zB hier einen Artikel lesen: https://www.welt.de/motor/boot…e-Seglerin-noch-lebt.html Sicherlich hat sie beim Schreiben dieses Buches auch aus eigenen Erfahrungen geschöpft.

    Das stimmt nicht. Zumindest zwei weitere Bücher von Anne Wiazemsky gibt es auf Deutsch, Chanson d'amour (übersetzt von Claudia Feldmann, Ullstein Verlag) und Jeune fille (übersetzt von Judith Klein, C.H. Beck Verlag). Nichtsdestotrotz ist es sehr schade, dass man nicht alle Bücher von Anne Wiazemsky auf Deutsch lesen kann.

    Danke! Da hat mich wohl der französische Titel getäuscht?!
    Hast Du diese Bücher gelesen? Was hältst Du davon? Ich kann mir vorstellen, dieses und jenes von ihr noch zu entdecken...


    @tom leo Danke mal wieder für die interessanten Bücher, die Du uns immer vorstellst. Mir bleibt mal wieder die Hoffnung auf eine Übersetzung.
    Aber sag, warum hast Du dieses Buch bei Sonstiges und nicht bei den Biografien eingeordnet? :-k

    Keine Ursache! Und danke auch Dir!


    Ja, ich habe überlegt mit der Einordnung: es ist zeitlich doch begrenzt und eben keine Biographie. Es beleuchtet doch eher ausschnittsweise diese zwei Leben. Was den guten Père Marcel (Deau) anbetrifft, so geht es doch überwiegend um seine Kontakte zu Anne als Jugendliche, und dann von 1988 bis zu seinem Tode. Ich würde es insofern nicht für ein Biographie halten. Wenn, dann für eine Homage? Ein "Zeugnis", wenn man will?


    Wenn Du aber mit diesen Elementen denkst, dass es bei Biographien besser aufgehoben ist, so sträube ich mich nicht dagegen. Manchmal fühle ich mich bei derlei Büchern relativ unsicher.

    Danke für Dein Like, @'Yurmala! Ich hatte beim Einstellen gesehen, dass Du tatsächlich ebenfalls dieses erst neulich erschienene Buch schon hast. Da wäre ich auf Deine Meinung natürlich gespannt, denn so früh kommen Nicht-Frankophone wohl nicht zur Lektüre dieses Buches.


    Ich musste dauernd im Hinterkopf behalten, was diese Frau alles durchlebt hat... Es würde sich - falls Du sie nicht schon eh näher kennst - echt lohnen, da vorher etwas zu gogeln um sie besser "einschätzen" zu können, und ihr hiesiges Zeugnis, ihre Homage.

    Original : Französisch, 2017


    INHALT :
    Erinnerungen der französischen Schauspielerin und Schriftstellerin an ihren Französisch- und Lateinlehrer aus der Jugendzeit am Anfang der 60iger Jahre in Caracas/Venezuela, den Priester Deau. Und ihre Kontakte mit diesem in Frankreich, an die 25 Jahre später und bis zu seinem Tode, 2006.


    BEMERKUNGEN :
    Dem leidenschaftlichen Kinogänger mag Anne Wiazemsky auch in Deutschland schon gut bekannt sein, spielte sie doch in Filmen von Luc Bresson, Jean-Luc Godard, Pier Paolo Pasolini und an der Seite von Jean-Pierre Léaud ua… Später würde sie ihre Schauspielerei ganz hinter sich lassen und wendete sich dem Schreiben zu, wofür sie inzwischen in Frankreich sehr bekannt geworden ist. Dabei greift sie oft auf (auto-)biographisches Material zurück : Man denke an die reiche Familiengeschichte, den Wurzeln einerseits in Russland auf Seiten ihres Vaters (Grossgrundbesitzer und Diplomaten), aber auch den nicht nur in Frankreich sehr bekannten Literaturnobelpreisträger François Mauriac. Oft fanden ihre literarischen Bearbeitungen kein positives Echo in der eigenen Familie : offenbarte sie Interna, Geheimnisse ? Zudem kamen manche Entscheidungen, wie das Leben als Künstlerin, die Heirat mit dem älteren Godard, das Engagement im Kampf für straffreie Abtreibung in ihrer bürgerlichen Familie nicht gut an.


    Hier nun aber kommt Wiazemsky auf einen Teil ihres Lebens zu sprechen, der vielen unbekannt war : die immensen Vertrauensbeweise und Anspornungen seitens eines Priesters, der in der frühen Jugend in Caracas/Venezuela ihr Lehrer war. Der ihr quasi nie für ihre Fehler (so sagt sie) Vorwürfe gemacht hat, aber vielleicht mit einer war, mit dem sie sich austauschen konnte. Und als er sich an die 25 Jahre später 1988 bei einer Erstveröffentlichung der Schriftstellerin plötzlich telefonisch bei ihr meldet – der Kontakt war lange abgebrochen – ist dieses wundersame gegenseitige Vertrauensverhältnis sofort wieder da. Es ist beeindruckend, wie urteilsfrei der Priester einerseits dieser Frau begegnet, die viele andere Wege gegangen ist. Und genauso beeindruckend, mit welchem Respekt Wiazemsky von diesem letztlich einfachen, kaum viel älteren, aber immer sich einwandfrei haltenden, jovialen und lachenden Priester spricht. Betitelt sie nicht ihre Schilderung mit « Ein heiliger Mann » ? Wiegt das nicht vielleicht von ihr aus kommend viel mehr als manche offiziellen Lobeshymnen ?


    Eine Bewertung fällt mir sehr schwer, da es sich ja quasi um eine sehr persönliche Schilderung handelt. Es scheint mir ziemlich klar – und es wird auch angesprochen – dass Wiazemsky ihre Wunden trägt und tragen muss. Sie zeigt sich als zerbrechlich und auch liebebedürftig, nach Schutz und Anerkennung dürstend. Das ist so viel. Vielleicht sollte man das nicht einfach « bewerten » ?


    AUTORIN :
    Anne Wiazemsky (* 14. Mai 1947 in Berlin) ist eine französische Schauspielerin und Schriftstellerin. Sie verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit in Genf und Caracas (Venezuela). 1961 kehrt die Familie nach Frankreich zurück.


    Die Enkelin von Schriftstellermonument François Mauriac und Tochter eines russischen Diplomaten gab ihr Filmdebüt 1965 als Marie in Robert Bressons « Zum Beispiel Balthasar » (Au hasard Balthazar). 1966 holte sie ihr Abi nach und schrieb sich für Philosophie an der Universität ein, schloß aber nie ab. Von 1967 bis 1979 war sie mit Jean-Luc Godard verheiratet und spielte in mehreren seiner Filme mit: 1979 in Die Chinesin (La Chinoise) an der Seite von Jean-Pierre Léaud und Weekend, 1968 in One plus One. Für Pier Paolo Pasolini stand sie 1969 in Teorema – Geometrie der Liebe vor der Kamera und 1970, erneut an der Seite von Léaud, in Der Schweinestall.


    Neben ihrer Arbeit als Schauspielerin machte sich Wiazemsky auch als Regisseurin und vor allem als Schriftstellerin einen Namen. Die Enkelin des französischen Literaturnobelpreisträgers François Mauriac erhielt für ihr literarisches Werk mehrere Preise. Dieser bedeutende Teil ihrer Arbeit ist aber dem deutschsprachigen Publikum weitestgehend unzugänglich mangels Übersetzungen. Oft verarbeitet sie in einer verwandelten Fassung Elemente ihrer Biographie oder ihrer Familie.


    Anscheinend ist bislang nur « Mein Berliner Kind » auf Deutsch übersetzt ?!
    (Quellen: wikipedia.fr und .de)


    Broché: 128 pages
    Editeur : Gallimard (2 février 2017)
    Collection : Blanche
    Langue : Français
    ISBN-10: 2070107124
    ISBN-13: 978-2070107124

    Danke, SiriNYC!


    Ob nun noch eine ganze Rezi draus wird oder nicht: Dein Beitrag ist schon so klasse, und ich finde mich darin wieder. Auch eben in meinem eigenen Umgang mit der digitalen Wirklichkeit. Ein Stück weit abgehängt, hinterherhinkend. Schon nicht mehr für mich? Aber ich weiß genau, dass dieser neue Quantensprung unvermeidlich ist und wir halt lernen müssen, verantwortlich und gut damit umzugehen. Ablehnen hilft da nichts. Das war in anderen Dimensionen auch früher schon mal hier und da bei Geschichtswenden der Fall gewesen, und hat nur zu Distanzierungen oder zB Überheblichkeiten geführt.

    Mich nerven diese ganzen Titel-Trends! Auch diese langen, witzigen Titel à la "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" sind so ein Phänomen. Oder die "Die ...-in"-Historienschmonzetten.

    Wollte genau das schreiben und stieß beim Weiterlesen des Freds auf Deinen Beitrag. Wenn ich die ganzen -in-Titel sehe schaue ich schon gar nicht mehr rein. Ob das eine Weise ist, Titel zu feminisieren und damit eine Klientel anzuwerben? Aber das ist doch echt ein wenig einfach gestrickt. Wenn ich dumm aufgelegt bin, erfinde ich da meine eigenen -in-Titel, und... amüsiere mich dabei. Die Deutschin?

    Da wir gerade irgendwo anders jenen Fred haben "Schon gelesen, irgendwie bekannt", dachte ich unmittelbar an eine Kurzgeschichte von Werner von Bergengruen, "Der Seeteufel'. Da wir die strikte Kapitänin eines Schiffes in einem Faß Alkohol nach Hause geschifft. Die Erzählung findet sich in der Anthologie "Der Tod von Reval".

    These are my beliefs:


    I believe in morning dew.
    I believe in the rain that will come a few days later.


    I believe in the wind.
    I believe in the smell of shit
    borne in the wind.
    I believe in gangster's nights.


    I believe, not in truth,
    but in the fact that the truth changes.


    Now, with my skepticisim
    I believe that there is nothing at all to believe in.


    My belief is something else again.


    Ko Un (koreanischer Dichter, * 1933) - aus "The colors of dawn - Twentieth Century Korean Poetry"

    Original : Französisch, 2013


    INHALT :
    Ein Holzhaus in der Nähe des Nyugati-Bahnhofes in Budapest. Dort, inmitten der Gleise, leben die Mandys seit Generationen. Der junge Imre wächst in einer melancholischen Welt auf, die voll Ungesagtem und Geheimnissen ist. Stalin erscheint als Grundursache des Übels, doch es gibt noch anderes. Nach dem Fall der UdSSR, bzw des sozialistischen Regimes in Ungarn blüht ein wilder Konsumerismus auf. Imre arbeitet in einem Sex-Shop bis Kerstin, ein Inbegriff des freien und « glücklichen » Westens auftaucht….


    BEMERKUNGEN :
    Einst befand sich dieses einfache Holzhaus der Mandys ja quasi in der wilden Landschaft. Doch die Stadt holte es ein, und langsam wächst der beginnende Eisenbahnverkehr kurz vor dem Hauptbahnhof mit seinen Schienen um das Haus herum ! Ist die damit verbundende Abschottung oder Isolierung ein Sinnbild des Lebens der Bewohner ?


    Imre (aus der fünften Generation der dort lebenden Mandys) folgen wir insbesondere von den 70iger Jahren (er ist 1973 geboren) bis in die ca Mitte der 90iger. Doch die Autorin fügt mehr oder weniger geschickt und fast s^pielerisch Lebensläufe und Einschübe hinein der anderen Hauptpersonen aus dem Hause : Sara, die früh verstorbene Grossmutter, verbunden mit einem nicht ausgesprochenen Geheimnis… ; Großvater Imre, der bei der Entsockelung einer Stalinstatue beim Ungarnaufstand einen invaliden Fuß erhielt ; Vater Pal, der schweigsam irgendetwas zu verarbeiten hat und selbst von seinen Schwestern « Russenkind » genannt wird… ; die verstorbene Mutter Ildiko ; die Tanten Panka und Esther, gemein und hochtrabend ; die schöne Schwester Agnes, so vielversprechend, und dann abstürzend, sich einschneckelnd ; und dann die hereinschneiende Kerstin, die das « wahre Abenteuer » in Osteuropa vermutet, nun, kurz nach der Wende. Und ein Inbild gewisser naiver Westler ist…


    Man könnte diese Charakterzeichnungen noch ausführlicher hier zeichnen. Doch darüber hinaus – ich versuchte, es anzudeuten – sind damit kleine Einblicke in das ungarische Zeitgeschehen des gesamten XX Jahrhunderts verbunden: vom teils noch nostalgisch erinnerten Kaiserreich über die Entwicklungen in den 30iger Jahren, den Rutsch in die Kollaboration, die Greuel des Krieges, die Okkupation durch die Russen bis hin zur « kapitalistischen » Wende etc.


    Wahrscheinlich eine gute Mischung für viele : das Buch hat immerhin in Frankreich mehrere Preise abgesahnt. Für alle Neulinge der ungarischen Geschichte wohl eine gute, romanhafte Einführung. Die Geschichte der Figuren, die Erzählweise an sich fand ich manchmal ziemlich distanziert und kühl. Manchem mag das helfen ; ich konnte mich nicht ganz den Personen nähern.


    Doch was mir vielleicht am meisten eine Frage war ist, dass die Autorin davon spricht, dass « dieses Land kein Glück bereithält » (für uns, die Mandys). Tod, Verlassenheit, Unglück sind nahe. Nun hat Alice Zeniter mehrere Jahre in Ungarn verbracht, bedankt sich auch im Anhang bei ungarischen Bekannten, Freunden für Austausch und Meinungen. Dennoch frage ich mich, ob es angebracht ist, wenn wir von einem anderen Land so sprechen. Und es klingt in mehreren Varianten in diesem Roman immer wieder durch.


    AUTORIN :
    Alice Zeniter ist eine 1986 in Alençon/Basse Normandie geborene Schriftstellerin und Dramaturgin.
    Sie schloss im Jahre 2006 die École normale supérieure ab und unterrichtete ab 2013 an der Sorbonne. Vorher hatte sie in Ungarn Französisch gelehrt und dort für einige Jahre gelebt. Sie arbeitete dort ebenfalls als Assistentin in Theaterinszenierungen.


    Schon mit 16 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Roman «Deux moins un égal zéro ». Ihr zweiter Roman « Jusque dans nos bras » aus dem Jahre 2010 ist auch auf Englisch erschienen unter dem Titel « Take This Man ».



    Poche: 264 pages
    Editeur : Le Livre de Poche (4 février 2015)
    Collection : Littérature & Documents
    Langue : Français
    ISBN-10: 2253020370
    ISBN-13: 978-2253020370

    Ich möchte die Romane des albanischen Schriftstellers Ismail Kadare empfehlen. Mein Einstieg war "Der Nachfolger", eher ein Spätwerk, in dem er das Hoxha-Regime thematisiert. Auch "Der zerrissene April" ist interessant, in dem es um den Kanun und die Blutrache geht. Ich denke, @tom leo sollte es mal mit diesem Autoren versuchen...

    Das ist echt "gut" erahnt und gesehen! Kadare liegt schon länger auf meiner Wuli; ich dachte an den "General der toten Armee", schaue aber mal nach, ob jene beiden Werke auch leicht verfügbar sind. Danke!