Original :
Japanisch, Konbini Ningen (コンビニ人間
), 2016
INHALT :
Seit ihrer Kindheit
lebte Keiko Furukura stets etwas besonders und wie abgerückt und
versetzt zu ihren Kameraden und der Umwelt. Nun, sechsunddreissig
Jahre alt, ist sie Verkäuferin in einem « konbini »,
jenen japanischen Kleinsupermärkten, die 24 h offen sind. Seit
achtzehn Jahren auf dem Posten hat sie keineswegs die Absicht, ihren
Laden zu verlassen. Und das zum Leidwesen ihrer ganzen Umgebung, die
diesen « miesen » Job nicht schätzen und ebenfalls nicht
verstehen, dass Keiko immer noch alleine lebt, während doch ihre
Freundinnen alle verheiratet sind und Kinder haben. Wird sie die
beständigen Urteilen der Gesellschaft vermeiden oder umgehen
können ? Wie lange ?
BEMERKUNGEN :
Das kann schon für
die einen als groteske Geschichte gelten : Ist es denn wirklich
möglich, einen so geringgeachteten Job in einem typisch japanischen
Rund-um-die-Uhr-Kaufmarkt zu schätzen ? Aber unsere Keiko
findet dort eine Sicherheit, einen beruhigend gleichmässigen Rahmen
in einer rhythmischen, formatierten Arbeit. Nicht etwa einfach das
Vergessen grosser Probleme, sondern tatsächlich eine Form des
Glücks, ja, eines Sinns : Teil eines Ganzen zu sein (der Gruppe
im Konbini), und eine Funktion einfach hervorragend und geschmeidig,
wenn auch etwas automatisch und formatisiert, auszufüllen. Sie hat
ihren Platz gefunden.
Aber wie kommt das
bei den anderen an ? Im Umfeld der nun schon meist verheirateten
und kinderhabenden Freundinnen ? Nein, definitiv : Keiko
erfülle doch nicht die ihr zugedachte Rolle und bringt die
Werteskala durcheinander ! Solch ein lausiges Jöbchen !
Und dazu noch : Keiko scheint nicht nur keine feste, sondern
noch nicht einmal eine lockere Beziehung und sexuellen Kontakt zu
haben ! Und das mit 36 ! Nein, die ist nicht in eine Form
zu kriegen, erfüllt weder die Rolle, die ihr die Gesellschaft
zudenkt als auch die Schematas, die die Freunde von einem
« normalen » Leben haben. Doch warum eigentlich sollten
andere entscheiden, worin denn nun eine rechter Platz besteht ?
Keiko, ist nicht
einfach eine nach Unabhängigkeit strebende Rebellin oder in gewissem
Sinne « Feministin », denn zur selben Zeit strebt sie als
Vorbildverkäuferin danach, sich in einer Vielzahl von Einzelheiten
den vorgeschriebenen Gesten und Formeln der Arbeit unterzuordnen. Ja,
darin besteht sogar ein Glück, sich einzufügen, und Teil eines
Ganzen zu sein ! Bräche dies zusammen, würde sie ebenfalls flachliegen.
So wird dieser
kleiner, total originaler Roman zu einer Anfrage an die so genannte
Normalität und Identität, an Rollenverständnisse, die man anderen
und sich selbst zuordnet ? Daraus entkommen ? Zeitweilige
Versuchung Keikos… Wird sie etwa ein Ablenkungsmanöver
initiieren ?
Ja, man kann diesen
Roman für grotesk, bizarr, schräg oder irreal bezeichnen, aber er
wird noch einschneidender und realistischer, wenn man weiß, dass die
Autorin viel von ihren eigenen Erfahrungen hat einfliessen lassen.
Nachdem sie für dieses Werk den bekannten Akutagawa-Preis erhalten
hat ging sie wieder zurück, in ihr Supermärktchen, und arbeitet
nach achtzehn Jahren weiter...
Für mich eine echte
Entdeckung ! Mal sehen, ob der Roman einen Weg in die deutsche
Bücherwelt finden wird ?
AUTORIN :
Sayaka Murata (村田
沙耶香, Murata Sakaya?, 14.August 1979) ist
eine japanische Schriftstellerin. Tochter eines Richters und einer
Hausfrau arbeitet sie seit nun mehr als achtzehn Jahren in
japanischen Konbinis. Die regelmässigen Arbeitszeiten kämen ihr
sehr entgegen, denn in ihrer freien Zeit schriebe sie ! Als
Studentin an der Universität hatte sie Schreibunterricht beim Autor
Akio Miyahara.
Bisher erschienen :
Gin’iro no uta
(ギンイロノウタ?),
2009, Preis Noma für neue Schriftsteller
Shiroiro no machi
no, sono hone no taion no (しろいろの街の、その骨の体温の),
2013, Preis Mishima
Konbini,
jap. :Konbini Ningen (コンビニ人間?),
2016, Preis Akutagawa