Beiträge von Leonore

    Hm … Ich habe ähnliche Kritikpunkte wie Du, allerdings fällt meine Kritik doch etwas negativer aus (: Freut mich aber, dass es für Dich kein Fehlkauf war.


    Ich würde dem Buch nur zwei Sterne geben:


    :bewertung1von5::bewertung1von5:


    Genre: Dystopie
    Thema: Social Media, totale Überwachung, Big Data
    Empfehlung: Nein


    Zeitpunkt: Einige Jahre in der Zukunft. Ort: Amerika. Mae Holland, 24 Jahre alt, bekommt über Beziehungen eine Stelle bei der erfolgreichsten Firma der Welt vermittelt: Der „Circle“ ist ein Social-Media-Konzern mit radikalen Ansichten bezüglich informationeller Selbstbestimmung (Sharing is caring, Privacy is theft), der weltweit den Single Sign-on eingeführt hat. Da Mae ihre Arbeit gut machen möchte (und auch ansonsten einen ausgeprägten Hang hat, allen Menschen um sie herum alles recht zu machen – bis hin zu der Tatsache, dass sie ihrem Freund permanent Orgasmen vorspielt, weil sie sich nicht traut, ihr Missfallen zu äußern), arbeitet sie Tag und Nacht, verstrickt sich in Firmenintrigen und adaptiert nach und nach die zweifelhafte Idealologie des Circles.


    In diesem Buch geht es um die Gefahren von Social Media, Monopolisierung, Überwachung und Massendatenspeicherung – das dachte ich zumindest. Tatsächlich ist es eine langweilige Auflistung seit Jahren populärer Aluhutträger-Theorien. Das geht so weit, dass in dem Buch Meetings geschildert werden, in denen junge Leute eine Idee nach der nächsten vorstellen – ohne dass die Meetings oder die Ideen irgendwie in die Geschichte eingebunden wären. Wer sich mit dem Thema schonmal auseinandergesetzt hat, wird keinerlei neue Gedanken finden. Leider findet er auch keine spannende Geschichte, so dass es weder einen fachlichen noch einen künstlerischen Grund gibt, dieses Buch zu lesen.


    Neben einer eigenen Zukunftsvision (die für das Schreiben einer Dystopie meines Erachtens vonnöten wäre) fehlt völlig die Beschreibung der katastrophalen Auswirkungen. Alle Menschen sind glücklich mit den im Buch geschilderten Vorgängen, niemand fühlt sich eingeschränkt, es treten keinerlei Konflikte auf. Negative Konsequenzen ergeben sich einzig und allein für diejenigen, die nicht mitmachen wollen (und völlig hanebüchene Konsequenzen, wenn man mich fragt). Das „Erschreckendste“, was dem Autor einfällt, ist, dass niemand gegen die Machenschaften des Circles Einspruch erhebt!


    Einige der Entwicklungen halte ich zudem für äußerst unrealistisch: Mit dem Verweis auf das „Allgemeinwohl“ kann man kein Publikum für sich gewinnen (leider) – da muss man schon auf die persönlichen Vorteile hinweisen, nicht auf die gesellschaftlichen. Ich bin mir auch sicher, dass Menschen niemals derartige Unannehmlichkeiten auf sich nehmen, um „aus sich einen besseren Menschen zu machen“. Dass die Demokratie innerhalb von weniger Monate so über den Haufen geworfen wird, ist absolut unglaubwürdig. Und warum der schwarzhaarige Fremde sich Mae Holland aussucht, muss mir auch jemand erklären.


    Nächster Kritikpunkt sind die Charaktere: Obwohl die ganze Zeit aus Mae Hollands Perspektive geschrieben wird und sie zeitweise wirklich leidet, konnte ich nie mit ihr mitleiden: Sie bleibt so dimensionslos wie alle anderen Figuren in dem Buch. Bei den Nebenfiguren mag das noch gewollt sein – vielleicht möchte der Autor zeigen, wie hohl Menschen durch ständiges Social Media Engagement bleiben – aber bei der Hauptfigur hätte er sich ruhig mehr Mühe geben können. Als Psychologin bin ich überzeugt: Jeder Mensch ist interessant, jeder Mensch ist liebenswert – man muss nur lange genug hinhören. Mae Holland ist durch eben jene fehlende Eigenschaft leider nie von einer Figur zu einem Menschen geworden.


    Zwei Punkte gibt es für die Sprache, die (im Englischen) ansprechend und einfallsreich ist. Der Autor arbeitet sauber – nur manchmal hatte ich das Gefühl, dass er einen Perspektivwechsel trickst, wenn die sonst eher naive Mae Holland plötzlich ganze Gedankenkaskaden aus den Augenbewegungen ihrer Mitmenschen abliest, weil der Autor dem Leser unbedingt deren innere Vorgänge mitteilen möchte.


    Fazit:

    Flache Figuren, unüberzeugende Motivationen, wenig fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema, vorhersehbares Ende.

    Mist, jetzt hab ich doch eine Sache vergessen. OK, auch ein Learning für die nächste Rezension: Eine Nacht drüber schlafen, bevor ich sie veröffentliche …


    Leider kann ich den Beitrag nicht mehr bearbeiten, also schreib ich's hierhin:


    Obwohl der Roman ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat, hat er nicht an Aktualität eingebüßt: Die Computer heutzutage sind um ein Vielfaches sicherer als die Computer vor fünfundzwanzig Jahren – aber die Methoden von Hackern (oder sollte man hier lieber sagen: von Leuten und Institutionen, die in meinen Computer eindringen wollen) haben sich garantiert proportional dazu verbessert. Alles in allem fürchte ich, ist es für einen geübten Eindringling genauso leicht oder schwer wie damals, meinen Computer zu unterwandern und Zugriff zu erhalten auf alles, was mir wichtig ist.

    • Autor: Clifford Stoll
    • Erscheinungsjahr: 1989
    • Preis: variabel (gibt’s nur noch gebraucht)
    • Genre: Romanartige Dokumentation
    • Thema: Internet, Hacking
    • Empfehlung: Ja


    University of California, Berkeley, 1986. In seiner ersten Woche als Sysadmin entdeckt der Astrophysiker Clifford Stoll bei der Abrechnung der Internetkosten ein Defizit von 75ct. Seinen Kollegen ist’s egal, doch Clifford’s Forschergeist wird geweckt. Eine Woche Recherche später hat er Gewissheit: Jemand hackt sich in’s Uninetz und verbraucht Rechenzeit. Doch wer ist es und warum? Fortan widmet sich Clifford mit bewundernswerter Ausdauer der Hackerjagd. Er vernachlässigt Job, Beziehung und, nicht zuletzt, elementare soziale Umgangsformen. Seine Schritte hält er in einem Tagebuch fest, das er zu einem Roman verarbeitet.


    Dieses Buch ist ein beeindruckendes Dokument aus der Zeit, als das Internet hauptsächlich von Militär, Geheimdiensten und Universitäten genutzt wurde, als Computer per Kommandozeile bedient wurden und Maus oder gar Touchscreens unbekannt waren.


    Ob Ihr die Zeit selbst erlebt habt oder ob Ihr (wie ich) voll Staunen lest, was damals schon möglich oder noch nicht möglich war – Clifford Stoll auf seinen verschlungenen Wegen durch das „alte Internet“ zu folgen, macht extrem Spaß:
    Spannend, wie ein geklauter Drucker zur Hackerjagd diente …
    Spannend, welch astronomische Summen das Internet früher kostete …
    Spannend, dass die Internetverbindung nur verfolgt werden kann, indem jemand in der Telephonzentrale auftaucht und nachsieht, wo das Kabel angeschlossen ist …


    Besonderes Higlight waren für mich Clifford’s Begegnungen mit der NSA. Mehr möchte ich dazu gar nicht verraten. Schmunzeln musste ich, als das Gerücht erwähnt wurde, die NSA würde angeblich alle Telephongespräche abhören.


    Faszinierend ist auch, wie wenig eines der beherrschenden Themen unserer Zeit, Internet- und Computersicherheit, den Menschen damals bewusst war: FBI, CIA, NSA – alle werden diverse Male von Clifford angerufen und mit eindeutigem Beweismaterial konfrontiert, doch niemand interessiert sich für den Hacker, niemand greift ein, niemand hilft ihm.


    Clifford Stoll ist kein geübter Erzähler, und das merkt man. Mit den Längen des Buches in der zweiten Hälfte kann ich leben, weil sie nur ein Bruchteil der Längen sind, die Clifford selbst beim Verfolgen des Hackers empfunden haben muss. Aber zum Beispiel die Szenen mit seiner Freundin hätten für mich alle gestrichen werden können. Die Sprache (soweit man das anhand der Übersetzung beurteilen kann) ist langweilig. Daher bekommt das Buch insgesamt nur 3,5 Sterne von mir. Dennoch kann ich es rückhaltlos empfehlen! Die erzählerischen Mängel habe ich als Zeichen von Authentizität empfunden.


    Fazit: Die Form ist nicht schön, aber der Inhalt ist absolut lesenswert.