Hm … Ich habe ähnliche Kritikpunkte wie Du, allerdings fällt meine Kritik doch etwas negativer aus (: Freut mich aber, dass es für Dich kein Fehlkauf war.
Ich würde dem Buch nur zwei Sterne geben:
Genre: Dystopie
Thema: Social Media, totale Überwachung, Big Data
Empfehlung: Nein
Zeitpunkt: Einige Jahre in der Zukunft. Ort: Amerika. Mae Holland, 24 Jahre alt, bekommt über Beziehungen eine Stelle bei der erfolgreichsten Firma der Welt vermittelt: Der „Circle“ ist ein Social-Media-Konzern mit radikalen Ansichten bezüglich informationeller Selbstbestimmung (Sharing is caring, Privacy is theft), der weltweit den Single Sign-on eingeführt hat. Da Mae ihre Arbeit gut machen möchte (und auch ansonsten einen ausgeprägten Hang hat, allen Menschen um sie herum alles recht zu machen – bis hin zu der Tatsache, dass sie ihrem Freund permanent Orgasmen vorspielt, weil sie sich nicht traut, ihr Missfallen zu äußern), arbeitet sie Tag und Nacht, verstrickt sich in Firmenintrigen und adaptiert nach und nach die zweifelhafte Idealologie des Circles.
In diesem Buch geht es um die Gefahren von Social Media, Monopolisierung, Überwachung und Massendatenspeicherung – das dachte ich zumindest. Tatsächlich ist es eine langweilige Auflistung seit Jahren populärer Aluhutträger-Theorien. Das geht so weit, dass in dem Buch Meetings geschildert werden, in denen junge Leute eine Idee nach der nächsten vorstellen – ohne dass die Meetings oder die Ideen irgendwie in die Geschichte eingebunden wären. Wer sich mit dem Thema schonmal auseinandergesetzt hat, wird keinerlei neue Gedanken finden. Leider findet er auch keine spannende Geschichte, so dass es weder einen fachlichen noch einen künstlerischen Grund gibt, dieses Buch zu lesen.
Neben einer eigenen Zukunftsvision (die für das Schreiben einer Dystopie meines Erachtens vonnöten wäre) fehlt völlig die Beschreibung der katastrophalen Auswirkungen. Alle Menschen sind glücklich mit den im Buch geschilderten Vorgängen, niemand fühlt sich eingeschränkt, es treten keinerlei Konflikte auf. Negative Konsequenzen ergeben sich einzig und allein für diejenigen, die nicht mitmachen wollen (und völlig hanebüchene Konsequenzen, wenn man mich fragt). Das „Erschreckendste“, was dem Autor einfällt, ist, dass niemand gegen die Machenschaften des Circles Einspruch erhebt!
Einige der Entwicklungen halte ich zudem für äußerst unrealistisch: Mit dem Verweis auf das „Allgemeinwohl“ kann man kein Publikum für sich gewinnen (leider) – da muss man schon auf die persönlichen Vorteile hinweisen, nicht auf die gesellschaftlichen. Ich bin mir auch sicher, dass Menschen niemals derartige Unannehmlichkeiten auf sich nehmen, um „aus sich einen besseren Menschen zu machen“. Dass die Demokratie innerhalb von weniger Monate so über den Haufen geworfen wird, ist absolut unglaubwürdig. Und warum der schwarzhaarige Fremde sich Mae Holland aussucht, muss mir auch jemand erklären.
Nächster Kritikpunkt sind die Charaktere: Obwohl die ganze Zeit aus Mae Hollands Perspektive geschrieben wird und sie zeitweise wirklich leidet, konnte ich nie mit ihr mitleiden: Sie bleibt so dimensionslos wie alle anderen Figuren in dem Buch. Bei den Nebenfiguren mag das noch gewollt sein – vielleicht möchte der Autor zeigen, wie hohl Menschen durch ständiges Social Media Engagement bleiben – aber bei der Hauptfigur hätte er sich ruhig mehr Mühe geben können. Als Psychologin bin ich überzeugt: Jeder Mensch ist interessant, jeder Mensch ist liebenswert – man muss nur lange genug hinhören. Mae Holland ist durch eben jene fehlende Eigenschaft leider nie von einer Figur zu einem Menschen geworden.
Zwei Punkte gibt es für die Sprache, die (im Englischen) ansprechend und einfallsreich ist. Der Autor arbeitet sauber – nur manchmal hatte ich das Gefühl, dass er einen Perspektivwechsel trickst, wenn die sonst eher naive Mae Holland plötzlich ganze Gedankenkaskaden aus den Augenbewegungen ihrer Mitmenschen abliest, weil der Autor dem Leser unbedingt deren innere Vorgänge mitteilen möchte.
Fazit:
Flache Figuren, unüberzeugende Motivationen, wenig fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema, vorhersehbares Ende.