Seit
ich das Buch gestern Abend beendet habe, läuft es durch meinen Kopf;
es ist schwierig, die Gedanken zu sortieren.
Meine
Befürchtung, auch hier von Corona verfolgt zu werden, erfüllte sich
nicht: Nach dem Kapitel "Robert", in dem es um die
Corona-Phobie ihres Lebenspartners geht, bildet die Pandemie quasi
den Hintergrund ab, auf dem die Personen handeln. Man weiß, dass sie
wütet, man hat sich zu schützen, aber sie beherrscht Doras Alltag
weniger als in Berlin, wo Robert ihre Vorsichtsmaßnahmen bewachte.
Wer
jemals von der Stadt aufs Land zog, darf einige Male ein Déjà-vue
erleben. Die Nachbarschaftshilfe einerseits. Gerüchte, Klatsch und
Aufdringlichkeit andererseits. Abgeschnitten von Verkehrsbetrieben,
Geschäften und medizinischer Versorgung ist man auf ein Auto
angewiesen. Das ist in Rheinland-Pfalz nicht anders als in Brandenburg.
Mit
dem Hauptthema kämpfe ich. Natürlich darf ein Autor eine Person
erschaffen, die Nazi UND sympathisch ist (immerhin wurden auch schon
Mörder als literarische Identifikationsfiguren gestaltet). Zeh setzt
den Nazi auch nicht kommentarlos in einen leeren Raum, sie setzt ihn
in den Kontext tatsächlicher rassistischer Gewalt (George Floyd) und
bezieht Stellung durch ihre Protagonistin. Aber ganz wohl ist mir bei
der Sache trotzdem nicht.
Dennoch:
Wenn Juli Zeh genau das wollte, diesen Zwiespalt im Leser erzeugen,
ein ständiges „Ja, aber ...“, womit auch Dora sich plagt, hat
sie ihr Ziel erreicht.
Sehr
konstruiert:
Vater
Jojo ist Hirnchirurg, daher kennt Dora die Materie und kann einen
Hirntumor voraus diagnostizieren. Treffsicher wie ein MRT.
ZEH beschreibt aus der Ich-Perspektive
Dann hast Du ein anderes Buch gelesen als ich. Bei meinem ist es die personale Perspektive.
wenn sie mit einem Nazi klarkommt, ist das ihr Ding. Ich würde es nicht.
Und
wenn es anders herum wäre: Ein Mensch, der dir sehr nahe steht, z.B.
dein Bruder, schließt sich auf einmal der AfD an, postet
rassistische und Menschen verletzende Bemerkungen auf fb oder
einschlägigen Plattformen. Was machst Du, bzw. was zählt mehr? Die
innere Verbundenheit oder die politische Gesinnung?