Autor: Georges Simenon
Titel: Die Glocken von Bicêtre, übersetzt von Angela von Hagen
Originaltitel: Les Anneaux de Bicêtre, erschien erstmals 1963
Seiten: 322 Seiten
Verlag: Diogenes
ISBN: 9783257206784
Der Autor: (der Diogenes-Verlagsseite entnommen)
Georges Simenon, geboren 1903 in Liège/Belgien, begann nach abgebrochener Buchhändlerlehre als Lokalreporter. Nach einer Zeit in Paris als Privatsekretär eines Marquis wohnte er auf seinem Boot, mit dem er bis nach Lappland fuhr, Reiseberichte und erste ›Maigret‹-Romane verfassend. Schaffenswut und viele Ortswechsel bestimmten 30 Jahre lang sein Leben, bis er sich am Genfersee niederließ, wo er nach 75 ›Maigret‹-und über 120 ›Non-Maigret‹-Romanen, statt Romane zu schreiben, ausgreifende autobiographische Arbeiten diktierte. Er starb am 4. September 1989 in Lausanne.
Inhalt:
René Maugras, Mitte 50 und Herausgeber einer Tageszeitung, ist eine feste Grösse in der Pariser Gesellschaft. Gemeinsam mit Freunden, die allesamt erfolgreiche Anwälte, Unternehmer, etc sind, geniesst er ein mehr oder weniger sorgenfreies Leben, unterhält ein repräsentatives Appartement in einem noblen Viertel und bedenkt auch seine Frau, die er vielleicht mal geliebt hat, mit Geschenken. Vielleicht liebt er sie noch, und plötzlich bekommt er Zeit darüber nachzudenken: René erleidet einen Schlaganfall. Er wacht im Krankenhaus Bicêtre auf, ist halbseitig gelähmt und kann nicht sprechen. Der Chefarzt – klar, ein guter Freund – versucht ihm die Lage, die Therapie und Genesungschancen zu erläutern, aber Renés Gedanken schweifen immer wieder ab. So recht scheint er nicht an der Rehabilitation interessiert zu sein. Stattdessen erinnert er sich an seine Kindheit, an seinen Werdegang, an seine Geliebten, das schwierige Verhältnis zur Tochter, Höhepunkte und Rückschläge. Und natürlich beobachtet er auch den Alltag im Krankenhaus, die übrigen Patienten ausserhalb seines privilegierten Einzelzimmers, die Hierarchie zwischen Ärzten und Krankenschwestern, und den Geräuschen, die durchs Fenster eindringen…
Meinung:
Ich gebe zu: der Roman mag sehr handlungsarm wirken. Da liegt ein kranker Mann im Bett, erhält Besuche und schweift mit seinen Gedanken in Erinnerungen. Viel Action ist nicht, und auch die Dialoge sind nicht nennenswert, zumal René durch den Schlaganfall seine Stimme verliert. Dennoch ist es ein typischer Roman von Simenon, der in seinen «Non-Maigret» Erzählungen schuf, die gerade durch die Atmosphäre überzeugen.
Zum einen lernen wir hier Jemanden kennen, der Erfolge und Misserfolge Revue passieren lässt, der den Sinn seines bisherigen Lebens hinterfragt, der überlegt, ob es die Strapazen der Therapie lohnt, wenn er dann so weiterlebt wie bisher. Die Biographie des erfolgreichen, etwas oberflächlichen Mannes hätte an vielen Stellen auch ganz anders verlaufen können.
Zum anderen ist die Stimmung des Krankenhauses, die einstudierten Abläufe, die Routine und Umgebung ein weiterer Schwerpunkt des Romans.
Eine empfehlenswerte Lektüre, vielleicht gerade für Jemanden, der längere Zeit das Krankenbett hüten muss?!
Verfilmt wurde das Werk übrigens auch: 1977 in Frankreich als "Les Anneaux de Bicêtre", auf deutsch dann "Zwischen Tod und Leben".