Beiträge von Karthause

    @Marie Ohne deine Wunschliste verkürzen zu wollen, aber dieses Buch gefällt dir nicht. Wenn ich es heute lesen würde, würde ich es wohl viel refektierter und vor allem viel kritischer lesen. :uups: Damals brauchte ich eine zeitlang so etwas zum Abschalten. Ich glaube auch nicht, dass es mir heute noch so gefallen würde wie vor 8 Jahren. Das war damals eine Zeit, zu der ich historische Liebesgeschichten mochte, die in Italien, insbesondere in Venedig, spielten.

    Von "Die Stadt der schweigenden Berge" hatte ich einiges mehr erwartet. Ich hatte zwar zwangsläufig eine Liebesgeschichte erwartet, aber dass diese so vordergründig ist und das wirklich interessante Thema über den Voölkermord an den Armeniern an den Rand drängt, hätte ich nicht erwartet. So habe ich das Buch erst einmal unterbrochen und werde wohl später noch einmal einen zweiten Anlauf wagen.

    Im ersten Moment war ich auch sehr irritiert und dachte, na prima, dan liest du schon einen Roman über diese Zeit und dann so etwas. Aber ich habe mich sehr schnell eingelesen und fand, dieser Widerspruch hat etwas. Für mich war es stimmig, innovativ, aber sehr gut.

    Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
    Verlag: Berlin Verlag
    ISBN-13: 978-3827012135



    Klappentext
    September 1571: Elisabeth I. herrscht in England, und Mary Grey ist wütend. Sie ist sechsundzwanzig, kleinwüchsig, hat einen Thronanspruch und keine Geduld mehr. Seit einigen Jahren steht sie unter Hausarrest, da sie ohne die Erlaubnis ihrer königlichen Cousine geheiratet hat. Ihr Ehemann stirbt und auch sonst sind sie alle tot: ihre Schwestern Jane und Katherine und ihre Eltern, einige von ihnen hingerichtet. Mary Grey will die Kontrolle über ihr Leben zurück, einen eigenen Haushalt und das Sorgerecht für ihre Stiefkinder. Doch nichts passiert, und anstatt das still hinzunehmen und sich anzupassen, begehrt sie auf gegen das System Königshof, seine Zufälligkeiten, seine Willkür und Unfreiheit, seine mühsamen Rituale und ökonomischen Zwänge. Sie beginnt, sich Notizen zu machen, die Vergangenheit aufzureihen, sie so zu erzählen, dass es recht ist. Nur um zu dem Schluss zu kommen, dass ihr und ihrer Familie Handeln ebenso amoralisch war, wie das aller anderen. Dass sie die Rituale mochte. Dass Gunst wie eine warme Perle ist, die im Magen aufbricht und in alle Glieder strömt. Und dann ist da auch noch Ellen ...


    Über die Autorin (Quelle: Berlin Verlag)
    Inger-Maria Mahlke, geboren 1977 in Hamburg, wuchs in Lübeck auf, studierte Rechtswissenschaften an der FU Berlin und arbeitete am Lehrstuhl für Kriminologie. Preisträgerin des 17. Open Mike 2009 sowie des ersten Debütpreises des HarbourFront-Literaturfestivals 2010 für ihren Roman »Silberfischchen«. 2012 Ernst-Willner-Preis bei den »Tagen der deutschsprachigen Literatur« in Klagenfurt für einen Auszug aus ihrem zweiten Roman »Rechnung offen«, der im Frühjahr 2013 im Berlin Verlag erschien, von Kritik und Lesern gefeiert und 2014 mit dem Karl-Arnold-Preis der Akademie der Künste und Wissenschaften von NRW ausgezeichnet wurde. Im März 2015 erscheint ihr neuer Roman. Sie lebt in Berlin.


    Meine Meinung
    Im September 1571 herrscht in England Elisabeth I.. Günstlingswirtschaft ist an der Tagesordnung und wer in Ungnade fällt, verliert auch leicht den Kopf. Mary Grey hat ihre Cousine, die Königin verärgert, sie heiratete ohne deren Erlaubnis und steht nun seit Jahren unter Hausarrest. Dagegen begehrt sie auf, sie nimmt die ihr zugewiesenen Rolle nicht hin, will selbstbestimmt leben. So schreibt sie eine Art Tagebuch und schildert ihre ganz persönliche Sicht der Dinge. Dabei geht es um Gunst und Missgunst, um Moral und unmoralisches Verhalten, um Zwänge und Wünsche. Mary ist ganz auf sich gestellt. Ihr Mann ist tot, ihre Schwestern ebenfalls. Nur Ellen ist für sie da...


    „Ich werde schreiben. Alles aufreihen. Das Leben der Mary Grey. Wer immer will, kann sehen. Kann urteilen. …
    Es muss ja nicht gleich ein fertiger Bericht sein, am Stück heruntergeschrieben. Als wäre Erleben eine glatte Einheit und keine unübersichtliche Ansammlung von Augenblicken, die, egal, wie fest man sie zusammenpresst, nicht einfach ein Ganzes ergeben. Als gäbe es erkennbare Grenzen, die bestimmen, was dazugehört und was nicht. Ein Anfang und ein Ende. Eine Summe.
    Also nur Bröckchen. Notizen. Zusammengetragen und vorläufig.“ (S. 39 „Wie Ihr wollt“)


    Inger-Maria Mahlke hat einen sehr unkonventionellen Roman geschrieben. In einer Anmerkung wendet sie sich persönlich an die Leser und weist darauf hin, dass sie keinen historischen Roman geschrieben hat, sondern sich einen historischen Stoff literarisch angeeignet hat. So hat sie einen sehr modernen Roman in einer historischen Kulisse vorgelegt, der sich ganz besonders durch die Sprache von anderen Romanen abhebt. Jung und modern ist ihr Stil, dazu wortgewandt, bissig, ironisch und auch humorvoll. Immer wieder stellte ich fest, dass sich zwar die Zeiten geändert haben, viele Probleme von damals aber auch heute von ebenso großer Aktualität sind.


    Mit „Wie Ihr wollt“ hat mich die Autorin vollkommen überzeugt. Den Gegensatz des historischen Themas und der jungen Sprache schafft sie zu harmonisieren. Sie hat mich nachdenklich gemacht und mich lächeln lassen. Sie schreibt scharfzüngig und gleichzeitig ein wenig schelmisch.


    Das Buch wird durch einen Stammbaum und eine umfangreiche Figurenliste ergänzt. Das erleichtert es besonders Lesern wie mir, denen die Elisabethanische Zeit nicht ganz so vertraut ist, die Orientierung.


    Kurzum, dieser Roman kommt in historischem Gewand daher und spricht doch das Heute deutlicher an als manch zeitgenössisches Werk. Ich habe es sehr genossen, dieses Buch zu lesen. Meine Überraschung über den zunächst ungewöhnlichen Stil wandelte sich schnell in Freude darüber, ein nichtalltägliches, sich vom Mainstream sehr angenehm abhebendes Buch in Händen zu halten.

    Meine Gedanken zum Buch
    Wien 2004. Der 22-jährige Julian, Student der Veterinärmedizin, wird von Judith verlassen, das kam nicht unverhofft, sondern deutete sich schon über längere Zeit an. Nur jetzt zog Judith den Schlussstrich, weil die Zeit günstig war und momentan für keinen Prüfungen anstanden, deren Vorbereitung durch eine solche Entscheidung gestört werde könnte. Julian muss die Wohnung verlassen, für deren Nutzung Judiths Vater nachträglich noch einen Mietanteil von ihm fordert. Nun muss er schauen, wie er über die Runden kommt, seine Schulden bezahlt und sein Leben neu ausrichtet. Zunächst kommt er bei einem Freund unter, der ihm auch gleich, weil er mehr Lust auf Urlaub hat, seinen Job überlässt, der darin besteht, das Zwergflusspferd von Professor Beham zu versorgen. Sein Tagesablauf wird schnell durch den des Flusspferdes bestimmt. Im Gleichklang der Sommertage reflektiert Julian über sich und seinen Standort in der Welt. Er lernt aber auch Aiko, die Tochter des Professors kennen und verliebt sich in sie.


    Ein wenig war ich irritiert, wie unreif und unfertig der Protagonist Julian mit seinen 22 Jahren war. Er war ein durchaus intelligenter und kluger Kopf, seinen Platz im Leben hat er allerdings noch nicht gefunden, davon war er sogar noch weit entfernt. So reihten sich zunächst auch banale Gedanken aneinander und und mit dem Jüngelchen und sein Gehangel zwischen Liebeskummer, Entscheidungslosigkeit, Weltschmerz und Orientierungslosigkeit konnte ich mich nur schwer erwärmen. Auch die sich langsam entwickelnde Beziehung zu Aiko, die ihm immer wieder bescheinigt, noch die Eierschalen hinter den Ohren zu haben, kam mir ebenso skurril vor wie die Beziehung, die er zu dem Zwergflusspferd entwickelt. Obwohl der Roman von Julian, dem Ich-Erzähler recht persönlich erzählt wird, blieb sie für mich deutlich spürbar eine Fiktion, auf die ich mich nur schwer einlassen konnte. So wie dem Protagonisten die Orientierung fehlte und er danach, bzw. nach einer Person, die sie ihm geben konnte, suchte, so suchte ich etwas die Originalität des Helden. Er war mir zu blass und austauschbar. Aber wahrscheinlich, ist das genau das Bild, das Julian von sich auch hat.


    Erst die letzten einhundert Seiten des Romans versöhnten mich mit meiner Entscheidung, das Buch nicht vorzeitig zur Seite gelegt zu haben. Dann wurde die Geschichte runder, Julian begann mehr zu agieren, ließ sich weniger treiben und seine Gedanken wurden tiefer. So machte er wirklich noch eine Entwicklung durch, mit der ich nicht mehr gerechnet hätte.


    Zitat

    „Gehe ich rechts oder links? Mache ich mein Studium fertig oder nicht? Wird eine stabile Persönlichkeit aus mir oder ein Niemand, der nichts auf die Reihe kriegt und von allen herumgeblasen wird? Finde ich meinen Platz oder gehe ich unter.
    An allen Möglichkeiten bin ich nahe dran. Wenn mir ein, zwei Fehler unterlaufen und ich einmal richtig Pech habe, befinde ich mich im freien Fall. Denn alle Wege, die mir lohnenswert erscheinen, sind gefährlich -“ (S. 276)


    Auch wenn ich mit dem Buch zunächst sehr fremdelte, lag dies nicht an der sprachlichen Gestaltung des Romans, sondern an den Problemen, die ich generell mit Mitmenschen habe, die sich dermaßen treiben lassen, im Selbstmitleid suhlen und die Unentschlossenheit leben.


    So lässt mich „Selbstporträt mit Flusspferd“ etwas zwiegespalten zurück. Nein, ich musste mich nicht wirklich durch den Roman quälen. Eher hätte ich Julian gern auf den richtigen, besser gesagt auf einen Weg gebracht. Aber eigentlich haben bereits die ersten Seiten dieses Romans gezeigt, dass er diesen schlussendlich auch selbst gefunden haben muss, was mich dann doch wieder versöhnlich stimmt.

    Eigentlich sollte ich hier "Selbstporträt mit Flusspferd" von Arno Geiger nennen. Denn das habe ich als Erstbuch begonnen. "Die Jugend des henri Quatre" habe ich ja eher als ein Langzeitprojekt begonnen. Da mir das aber ausgesprochen gut gefällt und mich der neue Roman von Arno Geiger ein wenig langweilt, sind die Rollen vertauscht.