Zitat
Die Welt ist gierig, und manchmal verschlingt sie kleine Kinder mit Haut und Haaren.
Literaturschock.de Rezension
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"Lycidas" ist eine Mischung aus Fantasy & Horror, Krimi & Abenteuer. Das Buch erinnert in der Dichte des Erzählstils und der einerseits modernen, andererseits absichtlich alt anmutenden Sprache an Bücher von Charles Dickens, doch auch Motive von John Milton, Gustav Meyrink, Neil Gaiman oder Oscar Wilde können aufmerksame Leser/innen in ganz neuem Gewand entdecken. "Lycidas" muss man vermutlich mehrmals lesen, um alle Anspielungen und Zitate auf Literatur und Film entdecken und verstehen zu können. Die Charaktere, die Christoph Marzi erschaffen hat, sind skurril, humorvoll, mutig, bösartig und manchmal schizophren: Allen voran die Figuren, die sich aus mehreren literarischen Vorbildern zusammensetzen.
Der Autor ist kaum zu bremsen, bringt auf jeder Seite eine neue Idee unter, und dennoch fordert das Buch auch einen langen Atem, fordert Geduld. Anspielungen auf weitere Handlungsstränge werden hunderte von Seiten vor der dazugehörenden Auflösung gemacht. Die eigene Neugierde, die das Buch wiederum vorantreibt, wird so oft erst spät befriedigt. Ein weiteres Stilmittel des Autors ist das fast ständige Wiederholen bestimmter Phrasen. Das kann manchmal auch ganz schön nerven. Andererseits ist "Lycidas" ein einziger Genuss und ich ertappte mich oft dabei, dass ich Sätze mehrmals und extra langsam weiterlas, damit der über 800 Seiten starke Wälzer nicht so schnell ein Ende nahm. Die Atmosphäre ist oft sehr düster, viele Beschreibungen brutal. Auch wegen der vielen literarischen Anspielungen und der anspruchsvoll-anstrengenden Sprache ist das Buch nicht für Kinder geeignet, sondern spricht eher Erwachsene und ältere Jugendliche an.
Sehr positiv ist auch, dass "Lycidas" zwei Fortsetzungen folgen werden - das Buch bietet aber ein in sich stimmiges Ende. Ein Feuerwerk an Ideen, für das man aber auch in der richtigen Stimmung sein muss. Aber dann ist das Buch für mich absolut empfehlenswert.
Aus der Amazon.de-Redaktion
Ein wahres Feuerwerk an Ideen brennt Christoph Marzi in seinem Romandebüt Lycidas ab. Wie das Titelbild schon sehr stimmungsvoll suggeriert, geht es in dem Buch um London und seine Geheimnisse. Diese sind viel unglaublicher als man das vor der Lektüre dieses Buches dachte. Auch der jungen Emily Laing, die unter erbärmlichen Verhältnissen im Waisenhaus des Mr. Dombey aufwächst, offenbaren sich nach und nach die Ungeheuerlichkeiten, die unter dem uns bekannten London verborgen sind. Emily’s Abenteuer beginnen damit, dass ihr eine sprechende, adlige Ratte begegnet. Als ein Werwolf ein anderes Kind aus dem Waisenhaus entführt, muss sie sich auf die Suche nach der Entführten machen. Ein Alchemist nimmt sie unter seine Fittiche. Auch ein Elf und ihre beste Freundin schließen sich der Suche an. Erst allmählich lernt Emily das Geheimnis ihrer Herkunft und der Uralten Metropole kennen und muss feststellen, dass es um mehr geht als nur um ein entführtes Kind.
Christoph Marzis Ideenreichtum ist überbordend. Er füllt seine Stadt unter der Stadt mit Wundern und Mythen aus aller Welt an. Luzifer, Seraphim und ägyptische Götter geben sich dort ebenso ein Stelldichein wie Elfen, Ratten, Spinnenmenschen, Werwölfe und Golems. Wer hätte gedacht, dass man mit einer geheimen Londoner Undergroundlinie geradewegs in Dantes Hölle fahren kann? Oder dass die Engel am Oxford Circus leben?
Durch diese bunte Welt führt Marzi seinen Leser mit einiger Sprachgewalt. Dabei klingt häufig sein Vorbild Charles Dickens an, dem er auch einen Gutteil der Namen für seine Figuren entnommen hat. Weitere Einflüsse -- wie zum Beispiel China Miéville -- sind nicht zu übersehen und machen aus dem Text ein Mosaik unterschiedlicher Stile und Erzählweisen, die schon auch mal für Verwirrung sorgen können. Alles in allem eine sehr eigenwillige Fantasy Geschichte, die abseits der herkömmlichen Pfade so manchen Reiz zu bieten hat. --Solveig Zweigle
Aufteilung
Das Buch ist in sich selbst in "3 Bücher" aufgeteilt, die "Lycidas", "Lilith" und "Licht" heißen. Auffallend ist natürlich, dass alle mit L anfangen. In meiner Ausgabe wird hinter der Geschichte auf die Fortsetzung "Lilith" verwiesen. Logischerweise lautet also das 3. Buch: "Licht", oder? Nun ja, "Licht" ist nicht unbedingt ein Titel, der zu den anderen passt, daher das ganze auf lateinisch: Lumen.
Meine Meinung
Das Buch fängt in dem Waisenhaus in Rotherhide (London) an und wird von dem mürrischen Alchemisten Mortimer Wittgenstein erzählt. Dieser ist allerdings wenig erfreut als er Emily zu Gesicht bekommt, aber "einer Ratte schlägt man keine Bitte ab". So kommt es, dass Wittgenstein langsam zu Emilys Mentor wird. Er lässt es sich aber nicht nehmen, seine Erzählung reichlich zu kommentieren. Besonders lustig sind seine Phrasen "Kluges Kind!", wenn Emily etwas verstanden hat und "Dieses Kind!" oder "Fragen Sie nicht!", wenn Emily mal eine Frage stellt oder ihm sonst mit ihrer kindlichen Art auf die Nerven geht. Zu diesem Duo kommt noch Emilys Freundin Aurora, die ihr Halt gibt und Maurice Micklewhite, der Elf, der im Britischen Museum "arbeitet".
Man muss den Roman aufmerksam lesen, denn ansonsten "übersieht" man schlicht etwas, denn Christoph Marzi feuert eine Idee nach der anderen ab. So gibt es den "Scharlachroten Ritter", dem mindestens 20 Gedichte zitiert werden müssen, ehe er jemand durchlässt und Larry, der Lykanthrop (ein Werwolf), der den sich sehr gut ergänzenden Jägerpaar Mr. Fox und Mr. Wolf die "Beute" wegschnappt und die Ratten, die einfach so die U-Bahn manipulieren. Die Ratten, allen voran Lord Hironymus Brewster, sind die mysteriösten Figuren, deren Beweggründe bis zum Endes des Romans im Dunkeln bleiben.
Dadurch, dass der Leser nur bruchstückhafte Informationen bekommt, ist man oft selbst gefordert nachzudenken, denn Wittgensteins Motto...
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... ist in dem Roman mit einem Naturgesetz vergleichbar und wird entsprechend oft wiederholt. Alle Phrasen, die wiederholt werden, liegt ein tieferer Sinn zugrunde, der am Ende manchmal ironisch ist.
Auch die Danksagung unterscheidet sich von den meisten anderen, denn ich finde, dass sie zeigt, dass der Autor sich damit auseinander gesetzt hat und sich dessen bewusst ist, dass viele andere Personen für den Erfolg des Buches mitverantwortlich sind. Christoph Marzi bringt diese Tatsache besonders gut rüber:
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Buchstaben für Buchstaben setzt man, und es wächst eine Geschichte, sodass man beinah schon glaubt, sie ganz alleine geschrieben zu haben. Letzten Endes jedoch stellt man fest, dass dies mitnichten der Fall ist.
Viel zu verdanken habe ich Charles Dickens, Arthur Conan Doyle und John Milton (wo immer sie jetzt sein mögen), Neil Gaiman und Kay Meyer (für jede Zeile), Frank Nimsgern (für "Arena") und Aino Laos (für Mylady Lilith), Wolfgang Niedecken (für "Vill passiert sickher").
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Kontext zu Lycidas (Diese Gedichte hinter der Widmungsseite)
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Good and bad, I define these terms
Quite clear, no doubt, somehow.
Ah, but I was so much older then,
I'm younger than that now.
Bob Dylan, My Back Pages
London calling to the faraway towns
Now that war is declared - and battle come down
London calling to the underworld
Come out of the cupboard, all you boys and grils.
The Clash, London Calling
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Lyriks zu den 2 Lieder von Irving Berlin, die im Roman auftauchen:
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Lyriks: Let's face the music and dance
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There may be trouble ahead
But while there's music and moonlight and love and romance
Let's face the music and dance
Before the fiddlers have fled
Before they ask us to pay the bill and while we still have the chance
Let's face the music and dance
Soon we'll be without the moon, humming a different tune and then
There may be teardrops to shed
So while there's moonlight and music and love and romance
Let's face the music and dance
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Cheek to Cheek
music and words by Irving Berlin
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Heaven... I'm in heaven,
And my heart beats so that I can hardly speak.
And I seem to find the happiness I seek,
When we're out together dancing cheek to cheek.
Heaven... I'm in heaven,
And the cares that hung around me through the week,
Seem to vanish like a gambler's lucky streak,
When we're out together dancing cheek to cheek.
Oh, I love to climb a mountain,
And to reach the highest peak.
But it doesn't thrill me half as much
As dancing cheek to cheek.
Oh, I love to go out fishing
In a river or a creek.
But I don't enjoy it half as much
As dancing cheek to cheek.
Dance with me! I want my arms about you.
The charms about you
Will carry me through to...
Heaven... I'm in heaven,
And my heart beats so that I can hardly speak.
And I seem to find the happiness I seek,
When we're out together dancing cheek to cheek.
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Weblinks
Wie bei Christoph Marzi hat sich dieser nach und nach entwickelt, sodass ich nun erstaunt bin über diese Länge. Aber ich weiß ja: "Zufälle gibt es nicht!".
Schicksalshaft ist es auch, dass ich als kleines Kind einen einzigen schwarzen Aufkleber mit weißer Schrift auf mein Bettende klebte: "In Gedanken bin ich bei dir"
[Size=2]Um die Anspielung zu verstehen, muss man das Buch gelesen haben. ;)[/size]